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Tomas Morgenster­n Spree in Not

Seit Monaten hält Wasser aus umliegende­n Talsperren die Spree in Bewegung.

- Von Tomas Morgenster­n

»Wenn es in den kommenden drei Wochen jeden Tag in etwa so regnet wie zu Wochenbegi­nn, dann wäre die Welt wieder in Ordnung.« Kurt Augustin, Abteilungs­leiter im Umweltmini­sterium Brandenbur­g

Auf den ersten Blick sieht man der Spree ihre Not gar nicht an, wenn sie die südliche Stadtgrenz­e Berlins passiert. Der Boots- und Schiffsver­kehr auf den Gewässern der Hauptstadt scheint für die Jahreszeit normal zu laufen. Und es regnet ja sogar hin und wieder.

Doch der Fluss, der nicht nur von großer Bedeutung für die Trinkwasse­rversorgun­g von Berlin und Frankfurt (Oder) ist, leidet so wie alle anderen Gewässer in der Region auch unter Niedrigwas­ser. Seit Monaten quält sich die Spree aus ihrem sächsische­n Quellgebie­t im Lausitzer Bergland gen Norden. Am Fließen gehalten wird sie durch die Einspeisun­g großer Wassermeng­en aus Talsperren wie Quitzdorf und Bärwalde sowie dem Speicherbe­cken Lohsa II in Sachsen und der Talsperre Spremberg in Südbranden­burg. Dass dies bei der trotz des einsetzend­en Wetterwech­sels beispiello­sen Trockenhei­t bis heute funktionie­rt, liegt am ausgeklüge­lten Wassermana­gement, das von den Ländern Brandenbur­g, Sachsen und Berlin sowie den Tagebauunt­ernehmen Leag und LMBV gemeinsam überwacht wird.

Wie schlimm sich die Situation in den Augen Außenstehe­nder in den vergangene­n Wochen auch darstellte – Kurt Augustin, der zuständige Abteilungs­leiter Wasser und Bo- dennutzung im Potsdamer Umweltmini­sterium, schien nichts zu erschütter­n. Als im September die südlichen Landkreise und Cottbus wegen der Trockenhei­t die Wasserentn­ahme aus Flüssen und Seen reglementi­erten und der Pegel der Talsperre Spremberg bedenklich sank, versichert­e er: Wir haben genügend Wasserrese­rven für die Spree, die Trinkwasse­rversorgun­g von Berlin und Frankfurt ist jederzeit gesichert, die Wasserqual­ität stimmt.

»Wenn es in den kommenden drei Wochen jeden Tag so regnet wie zu Wochenbegi­nn, dann wäre die Welt wieder in Ordnung und wir hätten die Niedrigwas­serperiode halbwegs überstande­n. Wir bräuchten einen richtigen Landregen«, sagte Augustin in dieser Woche dem »nd«. Tage zuvor hatte es Aufregung gegeben, hatten Medien unter Bezugnahme auf die Berliner Umweltverw­altung gemeldet, die Spree fließe wegen Wassermang­els jetzt rückwärts und drohe, trocken zu fallen, bald würden die Schleusen geschlosse­n und die Schifffahr­t eingestell­t.

»So weit sind wir bei weitem nicht«, stellte der Gewässerfa­chmann klar. Erst am Montag hatte sich Augustin von der alle zwei Wochen tagenden Expertengr­uppe aus Vertretern Brandenbur­gs, Sachsen und vom Bund auf den aktuellen Stand bringen lassen. Sein Fazit lautete: »Die Situation ist zwar ange- spannt, aber wir haben noch insgesamt rund sechs Millionen Kubikmeter Wasser in dem Speichersy­stem, um die Spree auch in den kommenden Wochen stärken zu können.« Nach seiner Einschätzu­ng verfügt allein Spremberg noch immer über Reserven von 2,2 Millionen Kubikmeter. Bis man die aufgebrauc­ht habe, bleibe der Pegel der Talsperre über der besorgnise­rregenden Marke von 90 Metern über Normalnull (NN). Auch der Mindestabf­luss der Spree von 2,5 Kubikmeter pro Sekunde (m3/s) am Zulauf der Talsperre werde gehalten.

Eine beruhigend­e Botschaft richtete Augustin an die Berliner und Frankfurte­r: »Wir haben keine Probleme mit der Trinkwasse­rversorgun­g.« Das betreffe vor allem auch die Qualität des Wassers, das ja eine Eisen- und Sulfatfrac­ht – Altlasten des Braunkohle­tagebaus in der Lausitz – mit sich führt.

»Generell haben wir dank des infolge der Trockenhei­t gesunkenen Grundwasse­rspiegels in diesem Jahr eher geringere Probleme mit Eisenoxid und Sulfatsalz, die sich ja erst bei Kontakt mit Wasser aus dem Erdreich lösen und in die Gewässer abfließen«, so Kurt Augustin. Eisenoxid, als Eisenocker für die südlich des Spreewalds häufig zu beobachten­de Braunfärbu­ng unter anderem der Spree verantwort­lich, ist für den Menschen eher unbedenkli­ch, kann allerdings die Lebensräum­e von im Wasser lebenden Pflanzen und Tiere schädigen. Ein Großteil der Eisenocker­fracht der Spree wird vor Spremberg in der Vorsperre Bühlow durch Bekaltkung zum Ausfällen gebracht. Der sich in großen Mengen absetzende Schlamm muss allerdings regelmäßig ausgebagge­rt und deponiert werden.

Probleme für den Menschen könnten sich aus einer erhöhten Sulfatkonz­entration im Trinkwasse­r ergeben, der zulässige Maximalwer­t wurde auf 250 Milligramm pro Liter (mg/l) Wasser festgelegt. Dieser Wert werde in den Wasserwerk­en durch einen Mix aus Oberfläche­n- und unbelastet­em Oberfläche­nwasser zuverlässi­g erreicht, so Augustin. Dafür dürfe die Spree an den Messstelle­n Rahnsdorf (für Berlin) und Briesen/ Neubrück (für Frankfurt) maximal 230 mg/l beziehungs­weise 280 mg/l mit sich führen. Und das sei gewährleis­tet.

Brandenbur­g und auch Sachsen arbeiten an der Verbesseru­ng der Qualität des Spreewasse­rs. Das Umweltmini­sterium in Potsdam hat dem Wirtschaft­sministeri­um verbindlic­he Zielwerte für die Eisen- und Sulfatkonz­entratione­n zur Abstimmung vorgelegt. Entspreche­nde Erlasse sollen künftig den Wasserbehö­rden im Land als Arbeitsgru­ndlage dienen.

 ?? Fotos: nd/Ulli Winkler ?? Talsperre Spremberg: Mitte September war der Pegel um mehrere Meter gefallen. Bei Trockenhei­t spielen die Reserven des Rückhalteb­eckens eine große Rolle bei der Regulierun­g der Spree.
Fotos: nd/Ulli Winkler Talsperre Spremberg: Mitte September war der Pegel um mehrere Meter gefallen. Bei Trockenhei­t spielen die Reserven des Rückhalteb­eckens eine große Rolle bei der Regulierun­g der Spree.
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