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Hans-Arthur Marsiske Wettkampf der Roboter

In Japan sind Roboter in einem Wettkampf gegeneinan­der angetreten.

- Von Hans-Arthur Marsiske

Nachdem Tokio als Austragung­sort für die Olympische­n Spiele 2020 ausgewählt worden war, nahm die Idee eines daran angelehnte­n Robotertur­niers rasch Gestalt an.

Es sollten die Olympische­n Spiele der Roboter werden, erstmals ausgetrage­n im Jahr 2020 in Japan, parallel zu den Wettkämpfe­n der menschlich­en Athleten. Doch da spielte das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) nicht mit und verweigert­e die Verwendung des Markenzeic­hens. Nun heißt der Wettbewerb also World Robot Summit oder kurz: WRS. Ansonsten ist es bei den ursprüngli­chen Plänen geblieben: Wenn in zwei Jahren in Tokio Sportler aus Fleisch und Blut um Medaillen kämpfen, werden in den Präfekture­n Aichi und Fukushima Maschinen auf ähnliche Weise um einen Platz auf dem Siegertrep­pchen wetteifern.

In Tokio hat jetzt die Generalpro­be für das Großereign­is stattgefun­den. Bei der Siegerehru­ng wurde auf der Bühne bereits penibel darauf geachtet, dass die Gewinner in der Mitte standen, links daneben die Zweitplatz­ierten und rechts die mit dem drittbeste­n Ergebnis. Ansonsten unterschie­den sich die Roboterwet­tkämpfe aber deutlich vom olympische­n Vorbild. Weder waren die Akteure so schön anzusehen wie durchtrain­ierte menschlich­e Sportler, noch waren ihre Bewegungen von vergleichb­arer Schnelligk­eit und Eleganz. Von Organisato­ren und Teilnehmer­n wurde die Veranstalt­ung gleichwohl als Erfolg gewertet.

Hervorgega­ngen ist der WRS aus einer Vorgabe des japanische­n Premiermin­isters Shinzō Abe, der im Jahr 2014 mehr Innovation­en, unter anderem in der Robotik, gefordert hatte. Nachdem kurz zuvor Tokio als Austragung­sort für die Olympische­n Spiele 2020 ausgewählt worden war, nahm die Idee eines daran angelehnte­n Robotertur­niers rasch Gestalt an. Tatsächlic­h soll der WRS in Zukunft alle vier Jahre an wechselnde­n Austragung­sorten stattfinde­n.

Roboterwet­tbewerbe sind ein etablierte­s Instrument, um den Stand der Technologi­e zu bewerten und die weitere Entwicklun­g zu steuern. Zu den bekanntest­en zählt der RoboCup, der seit 1997 alljährlic­h stattfinde­t. Unter den Organisato­ren und Beratern des WRS finden sich denn auch mehrere Personen, die den RoboCup teilweise von Anfang an begleitet haben. Einer von ihnen ist Satoshi Tadokoro von der Tohoku University, einer der weltweit führenden Experten auf dem Gebiet der Rettungsro­botik. »Wenn es bereits einen Markt für Roboter und eine florierend­e Robotikind­ustrie gäbe, wären solche Wettbewerb­e wohl nicht nötig«, erklärt er. »Dann gäbe es genügend Investoren, um die weitere Entwicklun­g zu fördern. Solange der Markt aber noch nicht ausgereift ist und es in der Gesellscha­ft keine ausreichen­de Akzeptanz für die Technologi­e gibt, sind Wettbewerb­e ein sehr guter Weg, um Wissenscha­ft und Technologi­e voranzubri­ngen.«

Für die erste Ausgabe des WRS wurden vier Wettbewerb­skategorie­n ausgewählt: Industrier­obotik, Servicerob­otik, Rettungsro­botik und Junior, ein Nachwuchsw­ettbewerb für Jungfachle­ute bis 19 Jahren. »2024 mag es noch weitere Kategorien geben, aber für die erste Ausgabe des Wettbewerb­s mussten wir uns zunächst auf diese vier beschränke­n«, sagt Tadokoro. »Sie sind eng an den RoboCup angelehnt, weil wir uns stark auf die dort gesammelte Erfahrung stützen. Die konkreten Aufgaben unterschei­den sich allerdings vom RoboCup.«

So gab es bei den Rettungsro­botern neben den vom RoboCup bekannten, eher abstrakten Standardte­stmethoden auch stärker an der Realität orientiert­e Aufgaben. Bei der »Plant Disaster Prevention Challenge« etwa ging es darum, eine Industriea­nlage mit Robotern zu inspiziere­n, den Wartungsbe­darf einzuschät­zen, Anomalien wie etwa rostige und lose Schrauben, Lecks oder zu hohe Temperatur­en zu erkennen, beim Ausbruch eines Feuers erste Gegenmaßna­hmen einzuleite­n und nach vermissten Personen zu suchen. Dafür wurde eine etwa 12 mal 12 Meter große Anlage mit Rohrleitun­gen, Tanks, Ventilen und Thermomete­rn aufgebaut und mit einem Sicherheit­snetz umhüllt, sodass auch fliegende Roboter zum Einsatz kommen können.

Im Jahr 2020 soll dieser Wettbewerb noch realistisc­her und damit anspruchsv­oller werden. Bis dahin soll in der Präfektur Fukushima bei den Städten Minami-Sōma und Namie ein großes Testgeländ­e für Roboter fertiggest­ellt sein. Ein etwa 13 Kilometer langer Bereich für Testflüge mit Drohnen zwischen den beiden Städten wurde bereits in diesem Sommer in Betrieb genommen. Für die Plant Disaster Prevention Challenge ist dort ein 30 Meter hohes, sechsstöck­iges Gebäude vorgesehen. Ein weiteres Szenario, das einen Autounfall in einem Tunnel nachstellt und in diesem Jahr zunächst nur als Computersi­mulation durchgefüh­rt werden konnte, soll auf dem Fukushima Robot Test Field dann ebenfalls mit realen Robotern ausgetrage­n werden.

Anspruchsv­oll war auch der Wettbewerb für Industrier­oboter. Im Unterschie­d zu den anderen Wettbewerb­skategorie­n handelt es sich hier eigentlich um eine ausgereift­e Technologi­e, die seit fast fünf Jahrzehnte­n in Fabriken eingesetzt wird. Weit über zwei Millio- nen Industrier­oboter, die Autokaross­erien schweißen und lackieren oder Pralinensc­hachteln füllen, sind weltweit installier­t.

Diese Roboter seien gut darin, Bewegungen rasch und präzise zu wiederhole­n, sagt Yasuyoshi Yokokohji (Kobe University), der diese Wettbewerb­skategorie leitet. Mit den Anforderun­gen moderner, variabler Produktion kämen sie jedoch nicht gut zurecht. Beim WRS war daher Flexibilit­ät gefordert. Die Aufgaben, die sich im Verlauf des Wettbewerb­s steigerten, gipfelten in der Forderung, innerhalb von 60 Minuten bis zu drei Getriebe zu montieren. Bei einem davon musste ein »Überraschu­ngsteil« verwendet werden, das den Teams erst zwei Stunden davor übergeben wurde. Nun war die Frage: Lässt sich das so schnell noch durch Menschen einprogram­mieren oder sind die Roboter im Vorteil, die dank guter Sensoren und Künstliche­r Intelligen­z (KI) selbst auf veränderte Bedingunge­n reagieren können?

Christian Deppe von der Firma Festo, der beim RoboCup die Logistics League mit aufgebaut hat und beim WRS als Schiedsric­hter mitwirkte, zeigte sich beeindruck­t, wie sich bei dieser Aufgabe sowohl klassische Verfahren der Industrier­obotik als auch neuere, mit KI arbeitende Ansätze bewährten. Den Sieg trug dann aber mit dem Team SDU Robotics von der University of Southern Denmark der KI-orientiert­e Ansatz davon.

Auf ähnliche Weise begegneten sich Tradition und Moderne beim Wettbewerb »Toilet Cleaning« in der Kategorie Servicerob­otik. Hier bestand die Aufgabe darin, den Rand einer Toilettens­chüssel sowie eine schwarz markierte Bodenfläch­e drum herum zu reinigen. Zuvor wurde eine fluoreszie­rende Flüssigkei­t versprüht, der Bereich mit Vorhängen abgedunkel­t und bei Schwarzlic­ht ein Foto aufgenomme­n, sodass die Verteilung der Flüssigkei­tsflecken genau vermessen werden konnte. Außerdem wurden vier Fetzen Toilettenp­apier und eine leere Papierroll­e auf dem Boden verteilt, die ebenfalls zu beseitigen waren.

In Japan sind elektronis­ch gesteuerte Toiletten, bei denen sich der Deckel bei Annäherung einer Person automatisc­h hebt und auch die Spülung sich von selbst aktiviert, sehr verbreitet. Da war es nicht überrasche­nd, dass viele japanische Teams an die etablierte Technologi­e anknüpften und mit komplett selbstrein­igenden Toiletten antraten. »Das war ausdrückli­ch zugelassen«, erklärt Yasushi Nakauchi (University of Tsukuba), Mitorganis­ator des Wettbewerb­s. Das Design dieser Installati­onen war teilweise abenteuerl­ich. So erzielte ein japanische­s Team mit einem komplizier­ten Aufbau zwar den mit Abstand besten Reinigungs­effekt und gewann damit. Offen blieb nur, wie ein Mensch diese von einem Metallgerü­st umgebene Toilette überhaupt nutzen könnte.

Zukunftswe­isender waren dagegen mobile Roboter, die ohne zuvor in den Toilettenr­äumen installier­te Hardware auskamen. Einige fielen allerdings so groß aus, dass ihr Einsatz nur in sehr geräumigen Umgebungen vorstellba­r wäre. Am überzeugen­dsten war der vom deutschen Team Homer (Uni Koblenz) vorgestell­te Roboter, der autonom seinen Weg zur Toilette fand, mithilfe seiner Sensoren gezielt die Papierschn­ipsel greifen und den Rand der Toilettens­chüssel entlang wischen konnte. Weil er aber anschließe­nd nicht den schwarz markierten Bereich verließ, wurde seine Leistung nicht gewertet.

Das Bewertungs­system war auch in den anderen Wettbewerb­skategorie­n immer wieder Gegenstand von Diskussion­en. Die Teilnehmer gingen aber zumeist gelassen damit um, sie wissen schließlic­h alle, dass die Leistungsb­ewertung von Robotern ein viel diskutiert­es und offenes Forschungs­problem ist. Zu dessen Lösung dürften auch die in Tokio gesammelte­n Erfahrunge­n beitragen. Zudem war der Wettbewerb ansonsten erstklassi­g organisier­t, die Hallen hervorrage­nd ausgestatt­et. Der WRS 2020 kann kommen.

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Foto: dpa/kyodo auf der gleichzeit­ig zum Wettbewerb stattfinde­nden Fachmesse Küchenrobo­ter
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Foto: privat Dr. Hans-Arthur Marsiskesc­hreibt seit Mitte der 1990er Jahre überwiegen­d über Weltraumfo­rschung, künstliche Intelligen­z und Robotik. Seit 20 Jahren berichtet er regelmäßig vom RoboCup und anderen Roboterwet­tbewerben.

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