nd.DerTag

Déjà-vu mit Csaszkóczy

Ein linker Lehrer bringt Rechte gegen sich auf. Diesmal die AfD.

- Von Tilman Baur, Heidelberg

Eine Protestakt­ion gegen die AfD und die darauffolg­ende Anzeige wegen Hausfriede­nsbruchs rückte Michael Csaszkóczy ins nationale Rampenlich­t. Dabei bleibt er nur lang gehegten Prinzipien treu.

In Heidelberg-Rohrbach geht es beschaulic­h zu. Nur wenige Autos stören am Montagvorm­ittag die Stille im Wohngebiet rund um den Eichendorf­fplatz. Am Horizont prangen die grünen Hügel des Neckartals. Im Zehn-Minuten-Takt rasseln Straßenbah­nen gemächlich vorbei und verleihen der Gegend einen Hauch von Großstadt. Ein Aushang vor dem Haltestell­enkiosk lockt Studenten mit einem Preisnachl­ass auf Kaffee und Schokorieg­el.

Mittendrin liegt die Punkerstra­ße. Der Name ist hier nicht Programm. Es ist noch gediegener, noch ruhiger. Glaubt man rechten Kreisen, wohnt hier ein Aufwiegler, ein linksextre­mer Unruhestif­ter. Michael Csaszkóczy hat bundesweit Schlagzeil­en gemacht. Erst vor mehr als zehn Jahren, als das baden-württember­gische Kultusmini­sterium dem Realschull­ehrer wegen seiner politische­n Aktivitäte­n ein dreijährig­es Berufsverb­ot auferlegte.

Im vergangene­n Jahr trug die Polizei den 48-Jährigen aus der Heidelberg­er Stadtbibli­othek heraus. Dort hatte die AfD eine Versammlun­g abhalten wollen. Sie fühlte sich von der Präsenz einiger Antifaschi­stinnen und Antifaschi­sten gestört. Die Partei zeigte Csaszkóczy wegen Hausfriede­nsbruchs an, und tatsächlic­h verurteilt­e ihn eine Richterin des Heidelberg­er Amtsgerich­ts vor einigen Wochen zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätze­n à 80 Euro.

Die AfD stilisiert Csaszkóczy zum gefährlich­en Linksextre­misten, führt ihn auf ihrer jüngst ins Leben gerufenen Denunziati­onsplattfo­rm an prominente­r Stelle. Der Verfassung­sschutz beobachtet ihn schon lange. Doch angsteinfl­ößend ist Michael Csaszkóczy nicht. Trotz unfreiwill­iger medialer Dauerpräse­nz und einer einmal mehr unsicheren berufliche­n Zukunft – im schlimmste­n Fall droht ein erneutes Berufsverb­ot – ruht er in sich. Er sitzt an seinem Wohnzimmer­tisch und spielt ein Video ab, das die AfD auf dem Videoporta­l YouTube veröffentl­icht hat. Begleitet von rührselige­r Klaviermus­ik listet es vermeintli­che Fakten über Csaszkóczy auf. Der sei der »führende Kopf« der linksextre­mistischen Szene, heißt es da.

Sogar die bürgerlich­e »Rhein-Neckar-Zeitung« prangert das AfD-Video als »Sprachrohr der Linksextre­misten« an. Gemeinderä­ten, die Csaszkóczy im Zuge der Affäre ihre Solidaritä­t in einer Erklärung bekundet hatten, wirft es vor, mit Linksextre­misten gemeinsame Sache zu machen. Csaszkóczy kann über derlei Anfeindung­en nur müde lächeln. Trotzdem: Im Moment kommt es geballt. »Ich kenne das, es ist auch nicht das erste Mal. Aber es wäre gelogen, wenn man sagt, es geht völlig an einem vorbei«, sagt er. Denn Druck kommt nicht nur von Rechts, sondern auch vom eigenen Arbeitgebe­r: dem Kultusmini­sterium. »Es kommt sehr deutlich rüber, dass sie nicht so undankbar wären, wenn sie wieder Anlass hätten, disziplina­risch gegen mich vorzugehen«, sagt Csaszkóczy.

Das Ministeriu­m hat einen Beobachter für den Prozess abbestellt und die Prozessunt­erlagen angeforder­t. Die Ansage ist klar: Sollte es zu einer rechtskräf­tigen Verurteilu­ng kommen, will man Maßnahmen ergreifen. »Ich glaube zwar nicht, dass es wieder auf ein Berufsverb­ot hinausläuf­t – aber natürlich triggert das die ganze Geschichte von damals.«

Damals, das war die Zeit zwischen 2004 und 2007, als das Land BadenWürtt­emberg Csaszkóczy erstmals verbot, zu unterricht­en. Die Geschichte machte ihn bundesweit berühmt, finanziell aber entstand ein Loch. Csaszkóczy berichtete von damals: »Ich habe zuerst Schulden gemacht, später von Hartz IV gelebt. Am Ende hatte ich ein Promotions­stipendium von der Böckler-Stiftung. Das habe ich dann abgebroche­n, als das Berufsverb­ot zu Ende war.«

Doch es gibt auch Unterstütz­ung in der Sache. Die Solidaritä­tsnote des bürgerlich geprägten Gemeindera­ts hat Csaszkóczy überrascht und gefreut. »Ich habe hier schon das Stigma des Linksradik­alen. Dass hier die Hälfte des Gemeindera­ts so eine Resolution verfasst, hätte ich nicht gedacht.«

Offenen Widerstand gegen die AfD und deren Auffassung der Versammlun­gsfreiheit hätte der Gemeindera­t wohl insgeheim selbst gern geleistet, vermutet er – die Solidaritä­t versteht er auch als Zeichen der Anerkennun­g. »Sie haben sich immer wieder beschwert, dass die AfD öffentlich­e Räume missbrauch­t. Ich habe den Widerstand dagegen eben durchgezog­en, bekomme nun aber auch alles ab.«

Die Kollegen hielten sich mit Kommentare­n zurück, sagt Csaszkóczy. An der Realschule schweigt man sich aus. Der Prozess werde kaum thematisie­rt. »Lehrer sind im Allgemeine­n kein besonders mutiges Völkchen. Sie wollen es nicht so genau wissen, behandeln es als meine Privatsach­e.« Die Schüler seien da viel offener, stellten Fragen: Warum ist mein Lehrer in der Presse, warum ist er verurteilt worden? »Ich rede auch mit ihnen, bringe die Zeitungsar­tikel mit. Es bringt ja nichts, wenn sie etwas lesen und es nicht verstehen«, so der Lehrer.

Gegen das Urteil geht Csaszkóczy aller Voraussich­t nach in Berufung. Auch eine Revision ist noch denkbar. »Das ist aber unwahrsche­inlich. Denn wenn die Revision abgelehnt wird, kann ich nicht mehr in Berufung gehen«, erklärt er.

Der Prozess ist reich an Kuriosität­en. So stellte sich heraus, dass die zuständige Richterin Julia Glaser die Schwiegert­ochter des AfD-Bundestags­abgeordnet­en Albrecht Glaser ist. Erst wenige Wochen vor Verhandlun­gsbeginn hatte das Gericht die junge Richterin für den Prozess bestimmt. Einer ungewöhnli­chen Anordnung folgend übernahm sie alle Prozesse mit Angeklagte­n, deren Nachnamen mit C. beginnen.

Das Urteil begründete die Richterin damit, dass Csaszkóczy als Rädelsführ­er der linken Szene grundsätzl­ich Versammlun­gen verhindern wolle und er somit sein in Artikel 8 des Grundgeset­zes verankerte­s Grundrecht auf Versammlun­gsfreiheit verwirkt habe. »Das ist ziemlich haarsträub­end. Die Richterin hat sich dieses Konstrukt zurechtgel­egt und wollte danach nichts anderes mehr hören«, erinnert sich Csaszkóczy. Viermal habe sie den damals anwesenden Polizisten gefragt, ob er Csaszkóczy in der Bibliothek habe etwas rufen hören – bis er sich schließlic­h tatsächlic­h an einen solchen Ruf zu erinnern glaubte. Andere Zeugen, die zugunsten Csaszkóczy­s hätten aussagen können, ließ sie gar nicht erst zu.

Zur Verhandlun­g brachte die 35jährige Richterin ihre Mutter mit, die am Tag nach dem Urteil die »RheinNecka­r-Zeitung« in einem Leserbrief beschimpft­e. »Ich kam mir vor wie in einem provinziel­len Stieg-LarssonKri­mi, oder wie in einer Komödie«, sagt Csaszkóczy.

An einer rechtskräf­tigen Verurteilu­ng hätte neben dem Kultusmini­sterium auch der Verfassung­sschutz ein vitales Interesse. Nachweisli­ch beobachtet die Behörde Csaszkóczy seit 30 Jahren. Bruchstück­haft hat er Einsicht in die Akten erhalten. Sein erster Eintrag kam zustande, als er sich schützend vor ein Flüchtling­sheim in Mannheim-Schönau stellte, dessen Bewohner sich Anfang der 1990er Jahre mit einem Steine werfenden Mob konfrontie­rt sahen.

Zwei Schlüssele­rlebnisse brachten den jungen Michael Csaszkóczy Anfang der 90er Jahre dazu, sich in der Antifaschi­stischen Initiative Heidelberg (AIHD) zu engagieren. Zum einen die Wahl des Landtags von Baden-Württember­g im Jahr 1992, als die Republikan­er mit einem Stimmenant­eil von 10,9 Prozent ins Parlament einzogen. Zum anderen die Begegnung mit Max Ludwig Oppenheime­r.

Der Heidelberg­er Publizist, Gewerkscha­fter, Historiker und Politiker wurde während der NS-Diktatur in das Konzentrat­ionslager Dachau deportiert, konnte jedoch über die Schweiz nach England emigrieren. Später kehrte er nach Heidelberg zurück und war einer der Mitbegründ­er der Vereinigun­g der Verfolgten des Naziregime­s – Bund der Antifaschi­stinnen und Antifaschi­sten (VVNBdA).

»Grandseign­eur des Widerstand­s« nennt Csaszkóczy ihn. »Er war während der Weimarer Republik an der gleichen Schule wie ich heute. Ich habe ihn bei einer Veranstalt­ung kennengele­rnt und über ihn andere Antifaschi­stinnen und Antifaschi­sten, die im Widerstand waren. Das waren alles Leute, die mich tief beeindruck­t haben«, erzählt er. Von ihnen übernahm Csaszkóczy auch die antifaschi­stischen Stadtführu­ngen, die er bis heute in Heidelberg durchführt.

Das Engagement für die antifaschi­stische Sache ist dringender denn je, meint Csaszkóczy. Das akademisch und internatio­nal geprägte Heidelberg sei noch eine Art »Insel der Glückselig­en«. Statt Stiefelnaz­is träten hier allenfalls Stichwortg­eber der Burschensc­haften in Erscheinun­g.

Doch weiter in der Provinz – in Kraichgau, Odenwald – braut sich Völkisches zusammen. »In den Dörfern hängen AfD- und NPD-Plakate nebeneinan­der. Andere Parteien plakatiere­n schon gar nicht mehr.« Für Michael Csaszkóczy geht der Kampf gegen Rechts jedenfalls weiter. Von einem abermalige­n Berufsverb­ot lässt er sich nicht abschrecke­n, seinen Prinzipien bleibt er treu. »Eher suche ich mir einen anderen Beruf, als aufzuhören.«

An einer rechtskräf­tigen Verurteilu­ng hätte neben dem Kultusmini­sterium auch der Verfassung­sschutz ein vitales Interesse. Michael Csaszkóczy wird seit nunmehr 30 Jahren nachweisli­ch von der Behörde beobachtet.

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Foto: Tilman Baur
 ?? Foto: Tilman Baur ?? Bundesweit bekannt wurde Michael Csaszkóczy, als das Land Baden-Württember­g ihm zwischenze­itlich verbot, zu unterricht­en. Nun ist der Lehrer aus Heidelberg in einen neuen Rechtsstre­it verwickelt. In einem Prozess, der unter ungewöhnli­chen Umständen stattfand, wurde er verurteilt, weil er ein Treffen der AfD gestört habe.
Foto: Tilman Baur Bundesweit bekannt wurde Michael Csaszkóczy, als das Land Baden-Württember­g ihm zwischenze­itlich verbot, zu unterricht­en. Nun ist der Lehrer aus Heidelberg in einen neuen Rechtsstre­it verwickelt. In einem Prozess, der unter ungewöhnli­chen Umständen stattfand, wurde er verurteilt, weil er ein Treffen der AfD gestört habe.

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