Neuer Job mit 64
Samir Abouchameh aus Syrien hat in Berlin von vorn angefangen.
Die Anzahl der syrischen Flüchtlingen, die Arbeit findet, steigt langsam. Für Samir Abouchameh war das Finden von Arbeit ein großes Glück.
Samir Abouchameh kneift die Augen zusammen und verzieht seinen Mund zu einem schmalen Grinsen, so als würde ihn der Gedanke an die deutsche Grammatik noch immer körperlich schmerzen. Abouchameh sucht nach Worten und sagt: »Deutsche Grammatik ist schwer. Im Deutschkurs haben wir immer nur Grammatik gelernt. Drei Jahre lang«.
Der 64-Jährige ist Elektroingenieur, er hat in Syrien auf dem Flughafen von Damaskus gearbeitet, erzählt er. »Ich war im Tower, habe die Geräte gewartet und repariert. Darum kann ich gut Englisch sprechen.« Dann kam der Krieg und Abouchameh ist mit seiner Frau und vier seiner Kinder geflohen. Seine Familie ist seitdem auseinandergerissen – sein mit 39 Jahren ältester Sohn ist in Syrien geblieben, seine älteste Tochter, die 30 ist, lebt in Jordanien. Eine Tochter wohnt noch bei ihm und seiner Frau in Friedrichshagen, zwei weitere wohnen nicht weit, in Köpenick. »Zum Glück leben wir alle noch, aber unser Haus in Gouta ist kaputt. Das Haus war drei Stockwerke hoch, jetzt ist es nur noch ein zwei Meter hoher Berg Steine. Ich hoffe, wir können das in einigen Jahren wieder aufbauen.« Samir Abouchameh erzählt die Tragödie fast als lustige Anekdote – vielleicht muss er das, wenn er seine Psyche schützen will.
»Den meisten Flüchtlingen fällt das jahrelange ausschließliche Lernen der deutschen Sprache schwer. Einige werden sogar demotiviert«, weiß Katja Schurig, die die »Anlaufstelle für Bildung, Arbeit und Begegnung« der Stephanusstiftung in Friedrichshagen leitet. Aber die Bundesanstalt und die Jobcenter fordern Sprachlevel B1, bevor sie überhaupt Arbeitsplätze vermitteln. »Die Leute, die sprachtalentiert sind, finden schneller einen Job. Aber die überwiegenden Anzahl braucht mindestens zwei Jahre, um dieses Sprachniveau zu erreichen.« Das heiße, dass viele der Flüchtlinge, die 2015 nach Deutschland kamen, erst jetzt Jobangebote annehmen können, so die Sozialarbeiterin.
Schurig wünscht sich darum mehr Flexibilität von Unternehmen und Jobcentern: »Ich würde mir mehr Praktika wünschen, damit die Menschen, die ich betreue, etwas ande- res tun können, als immer nur Deutsch zu lernen, obwohl die Sprache natürlich sehr wichtig ist. Die vielen Angebote, die wir 2015 hatten, die bräuchten wir jetzt.«
Für Samir Abouchameh hat sich das Pauken allerdings gelohnt: Er hat nun das Zertifikat für Sprach-Level B2 in der Tasche und seit zwei Wochen eine Arbeit über eine Zeitarbeitsfirma gefunden, in der Produktion von Elektronik-Platinen. »Ich danke Deutschland«, sagt er. Und: »Arbeit zu finden war sehr schwer. Das Jobcenter hat gedacht, ich bin Elektriker und hat mich als Bauelektrohelfer vermittelt. Das war schwierig, aber jetzt ist es gut.«
Er hat aber auch die Erfahrung gemacht, dass vor allem junge Flüchtlinge resignieren, wenn sie keine Aufgabe in Form von Arbeit bekommen. »Die werden müde, schlafen bis Mittag und gehen dann erst zum Deutschkurs. Manche werden krank. Das ist nicht gut.« Abouchameh hat sich darum, bevor er Arbeit gefunden hatte, in einer Werkstatt der Stephanus-Stiftung in Treptow-Köpenick ehrenamtlich engagiert und Elektronik-Reparaturen durchgeführt. Er fühlt sich wohl im fast kleinstädtischen Friedrichshagen am Stadtrand Berlins.
Bereits in der Notunterkunft habe es viele Menschen gegeben, die sich seiner Probleme angenommen hatten. »Die Leute sind sehr nett hier. Schon damals in der Turnhalle, wo wir sieben Monate leben mussten, gab es viele, die geholfen haben.« Ehrenamtliche konnten auch die Wohnung organisieren, die er jetzt bewohnt. Manchmal treffe er sich mit seinen Kindern und gehe an den Müggelsee oder besuche eine Veranstaltung im historischen Rathaus von Friedrichshagen, in der auch Katja Schurig ihre Einrichtung betreibt.
Die Anzahl der Flüchtlinge, die Arbeit gefunden hat, steigt deutschlandweit stetig. In Berlin sind es nach aktuellen Zahlen 11 200 Personen aus den acht Hauptherkunftsländern Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien, die eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausüben, erklärt die Arbeitsagentur Süd dem »nd«. Die Zahl habe sich seit 2015, der Hochphase der Flüchtlingsbewegung nach Deutschland, fast vervierfacht. Auch die Zahl der Auszubildenden steige laut Arbeitsagentur. So haben letztes Jahr von 1150 Bewerbern aus den genannten Ländern rund 800 einen Ausbildungsplatz gefunden. Zahlen für dieses Jahr liegen noch nicht vor.
Samir Abouchameh weiß nicht, ob und wann er nach Syrien zurückgeht. Er hat nach einer Klage den offiziellen Flüchtlingsstatus in Deutschland bekommen: »Noch ein paar Jahre möchte ich hier arbeiten und in fünf bis sechs Jahren, wenn es geht, zurück nach Syrien und mein Haus wieder aufbauen.«
»Die Leute sind sehr nett hier. Schon damals in der Turnhalle, wo wir sieben Monate leben mussten, gab es viele, die geholfen haben.« Samir Abouchameh, Elektroingenieur