Die neue Rolle birgt Risiken
Die Freien Wähler stimmen für Koalitionsverhandlungen mit der CSU
11,6 Prozent haben die Freien Wähler bei der Landtagswahl geholt. Für die massiv abgestrafte CSU sind sie damit in der künftigen Regierung unverzichtbar. Fragt sich nur, zu welchem Preis. Um kurz nach zwölf Uhr hat Hubert Aiwanger es geschafft: Bei nur drei Enthaltungen übergibt die Basis der Freien Wähler dem Landesvorstand und der Landtagsfraktion das letzte Wort für die erste Regierungsbeteiligung der Partei in einer Koalition mit der einst übermächtigen CSU. In beiden Gremien ist der Chef der Freien Wähler das Maß aller Dinge. »Danke für diesen grandiosen Vertrauensbeweis, wir werden euch nicht enttäuschen«, sagt der wegen seines niederbayerischen Dialekts oft belächelte Aiwanger am Schluss der Mitgliederversammlung am Samstag in Regensburg.
Worüber die Basis gerade abgestimmt hat, weiß in diesem Moment eigentlich niemand. Klar ist nur so viel: Keine zwei Wochen ist es her, dass die Freien Wähler mit 11,6 Pro- zent ihr bislang bestes Ergebnis bei einer Landtagswahl holten. Nun bietet sich eine »historische Chance«, wie Aiwanger es nennt. Die wenigen Freien Wähler, darunter Aiwanger und Generalsekretär Michael Piazolo, die an den Verhandlungen teilnehmen, ahnen zwar, in welche Richtung es geht. Doch wie immer gilt bei Koalitionsverhandlungen das Motto: Solange nicht alles beschlossen ist, ist nichts beschlossen.
Doch was heißt das für die Forderung nach einer kostenlosen Kinderbetreuung? Was für die kategorische Absage an eine dritte Startbahn am Münchner Flughafen? Und was für die juristisch heikle Rückerstattung von bereits gezahlten Straßenausbaubeiträgen?
Lange warten werden die Freien Wähler auf die Inhalte des Koalitionsvertrags wohl nicht mehr. In den ersten acht Verhandlungstagen haben CSU und Freie Wähler bereits alle Themenfelder einmal durchgearbeitet. In den meisten Bereichen verfolgen die sich sehr nahe stehenden Parteien ohnehin ähnliche Ansätze. Für die wenigen größeren inhaltlichen Differenzen brauchen Aiwan- ger und CSU-Ministerpräsident Markus Söder Kompromisse, mit denen beide Seiten leben können.
Dabei – auch diese Botschaft ist Aiwanger beim Augenkontakt mit der Basis wichtig – gehe es ihm nicht um ein Regieren wegen des Regierens. Einzig die politischen Fehler »von denen da oben« in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten machten es für ihn notwendig, selbst Verantwortung zu übernehmen. »Ansonsten würde ich vielleicht Bäume pflanzen und Schweine füttern.«
Zur Wahrheit der Freien Wähler gehört aber auch, dass die neue Rolle als Regierungspartei durchaus Risiken birgt. Bislang konnte die Partei, die ihre Kraft aus der kommunalen Verwurzelung zieht, im Landtag mit gerne auch teuren Forderungen punkten, die sie von den Menschen auf der Straße übernommen hatte. Dieses Ohr »ganz unten am Bürger« müsse die Partei unbedingt beibehalten, so Aiwanger. Spannend wird es aber, wenn etwa die Haushaltslage den Sparzwang auf die Regierung erhöht. Dann könnten die Freien Wähler schnell vom Jäger zum Gejagten werden.