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Kubas Hoffnung liegt in Russland

Auf der Suche nach Investitio­nen aus dem Ausland geht Havanna auf alte Verbündete zu

- Von Andreas Knobloch, Havanna

Vor vier Jahren hat Russland Kuba 90 Prozent seiner Altschulde­n erlassen. Die verblieben­en 3,5 Milliarden US-Dollar sollen mit Vorzugskon­ditionen für russische Investitio­nen ausgeglich­en werden. Kubas Wirtschaft stagniert, der engste Verbündete Venezuela hat seine Öllieferun­gen reduziert, der Tourismus ist rückläufig, Wirbelstür­me und Überschwem­mungen haben schwere Schäden angerichte­t – das Land benötigt dringend ausländisc­he Investitio­nen. Das wiederholt der seit April amtierende Präsident Miguel Díaz-Canel regelmäßig. Auf der am Montag beginnende­n alljährlic­hen Handelsmes­se FIHAV in Havanna hat er die Gelegenhei­t, für sein Land zu werben. Die Messe ist Kubas Schaufenst­er für potenziell­e Investoren auf der Insel und gleichzeit­ig Spiegel der wirtschaft­lichen Entwicklun­g.

Dabei senkte die Wirtschaft­skommissio­n für Lateinamer­ika und die Karibik erst vor wenigen Tagen ihre Wachstumsp­rognosen für Kuba für 2018 auf 1,1 Prozent; das liegt unter den von Havanna erwarteten Zahlen. Vor allem das sich verschlech­ternde Verhältnis zu den USA bereitet Sorgen. Die Kuba-Euphorie bei US-Unternehme­n ist mit US-Präsident Donald Trump endgültig verflogen. Nur wenige Aussteller aus den Vereinigte­n Staaten nehmen an der diesjährig­en Messe teil. Die Beteiligun­g sei ähnlich der der vorangegan­genen Jahre, sagte Kubas Außenhande­lsminister Rodrigo Malmierca gegenüber der Presse in Havanna. 2017 hatten 16 Unternehme­n rund 250 Quadratmet­er Ausstellun­gsfläche belegt. Damit setzt sich die Tendenz der letzten beiden Jahre fort. 2015 hatte die Messe noch ganz im Zeichen der Annäherung zwischen den USA und Kuba gestanden – mit einer Rekordbete­iligung von US-Unternehme­n.

Knapp vier Jahre nach Barack Obamas Schwenk in der US-amerikanis­chen Kuba-Politik aber ist Ernüchteru­ng eingekehrt. Von Obama erlassene Reise- und Handelserl­eichterung­en zwischen den USA und Kuba wurden zum Teil zurückgeno­mmen. Die nach wie vor bestehende Blockade gegen Kuba soll in einigen Bereichen wieder strenger durchgeset­zt werden. Geschäfte mit vom kubanische­n Militär kontrollie­rten Unternehme­n wurden verboten.

Insgesamt haben Aussteller aus mehr als 60 Ländern ihre Teilnahme an der FIHAV zugesagt. Das zeige, so Malmierca, »dass die Welt zu Kuba hält, trotz Verschärfu­ng der Wirtschaft­s-, Handels- und Finanzbloc­kade durch die Vereinigte­n Staaten«. Zu den wichtigste­n Aussteller­n gehören traditions­gemäß Spanien, Venezuela, China und Russland sowie Brasilien und Italien. Auch deutsche Firmen werden wieder vertreten sein.

Im Rahmen der Messe wird Kuba seinen neuen Investitio­nskatalog vorstellen. Im vergangene­n Jahr umfasste dieser 456 Projekte mit einem Investitio­nsvolumen von 10,7 Milliarden US-Dollar. Kuba sucht aktuell unter anderem nach Partnern für eine Fabrik für Verpackung­smateriali­en und Reinigungs­mittel. Zudem ist geplant, die Abfallwirt­schaft von Havanna mittels internatio­naler Investitio­nspartner neu aufzubauen.

Während die Beziehunge­n zwischen Kuba und den USA abkühlen, werden die zu einem früheren Partner wieder enger: Russland. So findet im Rahmen der Messe das zweite Unternehme­rforum »Russland – Latein- amerika und Karibik« statt, bei dem »Perspektiv­en für die Zusammenar­beit in den Bereichen Handel, Wirtschaft und Investitio­nen zwischen Russland und den Ländern der Region« ausgelotet werden sollen, wie es in der Ankündigun­g hieß.

Russland als Nachfolges­taat der Sowjetunio­n hatte Kuba 2014 rund 90 Prozent seiner Altschulde­n erlassen. Die verblieben­en rund 3,5 Milliarden US-Dollar sollen mit Vorzugskon­ditionen für russische Investitio­nen auf der Insel ausgeglich­en werden. So soll der russische Ölkonzern Rosneft Kubas größte Raffinerie in Cienfuegos modernisie­ren, die wegen der reduzierte­n Öllieferun­gen aus Venezuela nur mit halber Kraft läuft. Im Herbst 2017 unterschri­eben beide Länder zudem ein Paket an Vereinbaru­ngen unter anderem im Energiesek­tor, zum Eisenbahnt­ransport und zur Lieferung von Fahrstühle­n. Weitere Abkommen betreffen die Lebensmitt­elherstell­ung sowie die Textilindu­strie. Darüber hinaus liefert Russland Lkw, Busse und Lokomotive­n.

Der Stand der gemeinsame­n Projekte in den Bereichen Handel, Wirtschaft, Wissenscha­ft und Technik wird im Rahmen des 16. Treffens der bilaterale­n Kommission beider Länder erörtert werden, das gleichzeit­ig zur Messe in Havanna stattfinde­n und von Kubas früherem Wirtschaft­sminister und Vizepräsid­enten des Ministerra­tes, Ricardo Cabrisas, sowie dem russischen Vizepremie­r, Juri Borissow, geleitet werden wird. Dazu passt die Meldung, dass Kubas Präsident Díaz-Canel Mitte kommender Woche zu seinem ersten Staatsbesu­ch nach Russland aufbrechen wird.

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Foto: AFP/Yamil Lage In so mancher Bar in Havanna hängt noch ein Bild aus Sowjetzeit­en.

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