Die Realistin
Die Kunsthistorikerin Ulrike Lorenz kommt aus Gera, war in Regensburg und Mannheim und geht jetzt nach Weimar. Sie soll im Sommer kommenden Jahres die erste Frau an der Spitze der Klassik-Stiftung Weimar werden. Formal muss sie dazu am 6. November vom Stiftungsrat gewählt werden. Das dürfte klappen: Sie ist die einzige Kandidatin. Zurzeit leitet sie die Kunsthalle Mannheim.
Klassik Weimar ist die zweitgrößte deutsche Kulturstiftung. Sie verwaltet Museen, Parks und Kunstsammlungen. Lorenz weiß, wie man ein solches Unternehmen in der Öffentlichkeit verkauft: Unter dem Leitmotiv »Erinnerung und Vision« hatte sie in Regensburg Kunst präsentiert, als Direktorin des Kunstforums Ostdeutsche Galerie.
Warum gibt es so etwas in Regensburg, der Stadt des süßen Bieres und der Großgrundbesitzerfamilie Thurn und Taxis? Weil mit »ostdeutsch« gar nicht die alte DDR gemeint ist, sondern die ehemaligen deutschen Ostgebiete, deren Verlust nur noch von den Vertriebenenverbänden bestaunt wird.
Nach deren Lesart liegt Weimar in »Mitteldeutschland«. Macht aber nichts. Hauptsache, Lorenz befolgt in Weimar Goethes Rat aus »Wilhelm Meisters Lehrjahre«: »Man sollte alle Tage wenigstens ein kleines Lied hö- ren, ein gutes Gedicht lesen, ein treffliches Gemälde sehen, und, wenn es möglich zu machen wäre, einige vernünftige Worte sprechen.« Und zwar am besten irgendwo zwischen »Idylle und Realismus«, so hieß kürzlich in Mannheim eine Ausstellung mit Grafiken des lokalen Malers Carl Kuntz.
Unter der Leitung von Lorenz wurde dieses Jahr der Neubau der Kunsthalle nicht nur budgetgerecht, sondern auch fast pünktlich fertiggestellt. Das hat heutzutage Seltenheitswert. Der Neubau kostete 68,3 Millionen Euro, 50 Millionen kamen vom SAPGründer Hans-Werner Hector. Lorenz gilt als durchsetzungsfähige Managerin. Der Neubau präsentiert sich mehr als Kunsterlebnisort für Besucher denn als Treffpunkt für Akademiker.