Die Discounter schlagen Alarm
Kämpferische Komik: »Bezahlt wird nicht« von Dario Fo in Feldberg/Wittenhagen
In der Küche finden die Konflikte statt. Im Luzin Theater Feldberg/ Wittenhagen läuft: Darios Fos »Bezahlt wird nicht«, eine Koproduktion mit dem Theater tri-bühne in Stuttgart, inszeniert von Alejandro Quintana.
Virtuelle Häuserwände und eine simulierte Aussicht zur Straße markieren den Rahmen (Bühne und Licht Stephan Crane, Eva Moseler). Die Discounter schlagen Alarm. Antonia kommt, wie viele andere Frauen, angerannt, mit Säcken beladen, Lebensmittel darin, und landet in der Küche. Wohin damit? Unter den Küchensessel, in die Backröhre, den Schrank? Schon meldet sich die Polizei. Was sagt sie ihr?
Antonia weiß nicht mehr, wie leben. Alles ist teurer geworden. Die täglichen Dinge, die Miete, Gas, Licht. Das Geld reicht nicht hin, nicht her. Giovanni, ihr Mann, gläubig, weil er »Law and Order« trotz misslicher eigener Lage anhängt, verdient wenig. Margherita, ihre Freundin, ist mit dem Arbeiter Luigi zusammen. Dem Paar geht es gleichfalls schlecht. Zwei nach Dieben suchende Polizisten, martialisch schwarz maskiert, rücken ein. Der eine, radikal linker Typ, was überrascht, versteht die verzweifelte Lage der Frauen und zieht wieder ab. Der Andere erweist sich als ein Narr, verführbar, manipulierbar. Er landet schließlich im Besenschrank.
Dario Fos Stücke rufen zu Widerstand auf und zeigen, wie der gelingen kann. Nämlich wie die Streiche des Ulenspiegel und die Narreteien der alten volkstümlichen Masken. »Bezahlt wird nicht« verbildlicht komische Szenen des Klassenkampfs zwischen unten und oben, zwischen Frau und Polizei.
Die kuriosesten Dinge verlebendigen Sylvia Brettschneider hauptsächlich als Antonia und Susan Ihlenfeld hauptsächlich als Margherita. Bren- nend vor Spielfreude, schlüpfen sie kreuzweise in gleich drei Rollen: Frau, Ehemann, Polizist. Dauernd müssen sie sich umkleiden und suchen nicht nur der Polizei, sondern auch geistigen Schieflagen der eigenen Männer Paroli zu bieten.
Irgendwann wird Antonia die Strom- und Gasversorgung gesperrt. Was sie erst recht ermuntert zu kämpfen. Wenn nötig, mit dem Schweißgerät, das in der Ecke steht und dazu geeignet ist, etwas anzuzünden. Pate steht hier etwa der Slogan der Stadtregierung von Liverpool, die in den 80er-Jahren gegen Kürzungsdiktate Margaret Thatchers aufstand und sagte: »Es ist besser, das Gesetz zu brechen als die Armen.«
Fo hat es vorgemacht, ältere Arbeiten jeweils auf die aktuellen Zustände hin zu verändern. Quintanas Inszenierung tut das auch. Über die Beförderung des rechten Schnüfflers Maaßen zum Staatssekretär hohnlachte eine Welt, auch Antonia flicht die Story zum Gaudium der Zuschauer ein. Tobias Thiele an Gitarre und Synthesizer setzt Topoi der »Internationale«, aus Brechts/ Eislers »Einheitsfrontlied« und Sergio Ortegas »El Pueblo Unido« dorthin, wo Emotionalisierung angebracht ist.
Das Gedicht »8. März« von Gioconda Belli aus Nicaragua, das den Abend beschließt, rückt die Botschaft der Blumen zum internationalen Frauentag in ein völlig anderes Licht. Margherita und Antonia sprechen chorisch die Verse derart, als würden sie allen unterdrückten Frauen gelten. Sie fordern Blumen von denen, die menschliche Arbeitskraft in einem Maße ausplündern, wie es noch nie der Fall gewesen war. Bebend kommen die Worte aus den beiden Frauen, leicht und klar, bohrend und bitter. Ein großer Abend.
Nächste Vorstellung: 1.11., 19.30 Uhr, Luzin Theater, Zansenweg 4, Wittenhagen b. Feldberg/Meck-Pomm