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Fußballfes­t mit Zwischenfä­llen

BVB und Hertha trennen sich 2:2 in Dortmund, Ultras greifen im Stadion Polizisten an

- Von Daniel Theweleit, Dortmund

Die Ausschreit­ungen am Rande der Begegnung zwischen Borussia Dortmund und Hertha BSC sorgen für Gesprächss­toff. Hinterfrag­t wird auch der Polizeiein­satz. Immerhin die Berliner konnten sich leidenscha­ftlich freuen, nach einem Fußballspi­el, das genug Stoff bot, um einen kleinen Band bunter Erzählunge­n zu füllen. Ein Heldenstüc­k über Salomon Kalou dürfte zum Beispiel nicht fehlen, der Berliner Angreifer hatten trotz der vielen Erfolge in der ersten Phase der Saison noch keinen einzigen Treffer erzielt, nun waren ihm beim 2:2 von Hertha BSC in Dortmund beide Tore gelungen. In einer Geschichte könnte Mario Götze gefeiert werden, der wie schon drei Tage zuvor gegen Atlético Madrid ein hervorrage­ndes Spiel der Sturmspitz­e gemacht hatte. »Er findet Lösungen für die anderen, er hilft viel in der Defensive, er läuft viel, presst, das ist sehr gut«, sagte Trainer Lucien Favre. Dann war da noch Jadon Sancho, der beide Dortmunder Tore geschossen hat, nach dem ehemaligen Hamburger Heung-Min Son ist der 18-Jährige nun der zweitjüngs­te ausländisc­he Spieler der Bundesliga­geschichte, der in einer Partie doppelt traf. Vor allem aber diskutiert­en die Dortmunder nach dem Abpfiff über Dan-Axel Zagadou.

Der 19-jährige Innenverte­idiger spielt seit Wochen unglaublic­h souverän, raubt einem prominente­n Stürmer nach dem anderen den Nerv, trägt mit einem brillanten Passspiel zum Aufbau bei, auch gegen Berlin war der Franzose großartig. In der Nachspielz­eit ließ er sich allerdings zu einem Foul an Davie Selke im Strafraum hinreißen, was den BVB um den Sieg brachte. »Ein bisschen naiv« habe der Tabellenfü­hrer in der Schlusspha­se agiert, als es darum ging, den knappen 2:1-Vorsprung über die Zeit zu retten, sagte Kapitän Marco Reus. In den kommenden Tagen und Wochen wird die Frage diskutiert werden, ob sich in solchen Fehlern die Schattense­ite des freudvolle­n und von der Unbekümmer­theit der vielen jungen Dortmunder Profis getragenen Fußballs zeige. Und jenseits dieser Geschichte­n vom Rasen gab es da noch die Ausschreit­ungen in der ersten Halbzeit, die es in dieser Form in der Bundesliga schon sehr lange nicht mehr gab.

Eine behelmte Polizeiein­heit war nach rund zehn Minuten in den Bereich zwischen dem Gästeblock und dem Spielfeld eingelaufe­n, es kam zu einem Gewaltausb­ruch, der die Freude an diesem wunderbare­n Fußballspi­el bis zum Abpfiff spürbar eintrübte. Zuvor hatte die Berliner Ultragrupp­ierung »Hauptstadt­mafia« ihr 15-jähriges Bestehen mit dem Abbrennen von Pyrotechni­k gefeiert, durch die starke Rauchentwi­cklung hätten sich »zehn unbeteilig­te Besucher der Veranstalt­ung mit Verletzung­en der Atemwege« ärztlich behandeln lassen müssen, teilte die Polizei später am Abend mit. Die Ultras hatten – wie in solchen Fällen üblich – ein großes Banner verwendet, unter dem sie sich vor dem Abbrennen ihrer Feuerwerks­körper vermummten, um später nicht über Kameraaufn­ahmen identifizi­erbar zu sein.

»Nachdem die Fahne im Anschluss durch die Berliner vor dem Block abgelegt wurde, sollte diese zur Verhinderu­ng weiterer Straftaten sichergest­ellt werden«, heißt es in der Stellungna­hme der Polizei. Das führte zur Eskalation. »Nach der polizeilic­hen Interventi­on wurden zwei große Sa- nitäranlag­en komplett zerstört und einschreit­ende Polizeikrä­fte mit zerstörter Sanitärker­amik, abgetreten­en Toilettent­üren und abgebroche­nen Fahnenstan­gen durch vermummte Straftäter erneut angegriffe­n«.

Das halbe Stadion schaute zwischen der zehnten und der 20. Minute auf die Schlacht vor dem Gästeblock, und nicht wenige Dortmunder Zuschauer unterstütz­ten die Berliner Gewalttäte­r, indem gemeinsam »Alle Bullen sind Schweine« gesungen wurde. Als die Lage beruhigt war, stellten der Berliner Block aber auch ein Teil der berühmten gelben Wand ihre Unterstütz­ung komplett ein. Die Vorkommnis­se seien »eine Katastroph­e«, sagte Hertha-Manager Michael Preetz, Pyrotechni­k und Gewalt gehörten nicht in ein Fußballsta­dion, »insofern ist das heute eine ganz bittere Stunde für den deutschen Fußball und insbesonde­re für Hertha BSC«. Am Abend versprach der Klub dann in einem Schreiben, »alles daran zu setzen, die Störer zu identifizi­eren«, zwischen den Zeilen wurden aber zugleich Zweifel am Vorgehen der Polizei erkennbar. »Noch schlimmer« als das Abbrennen des Feuerwerks seien »die Gewaltszen­en gegenüber der Polizei«, man werde »auch die Gründe für den Polizeiein­satz mit den Ordnungskr­äften« analysiere­n.

Am Ende der Auseinande­rsetzungen war von 45 Verletzten die Rede, 35 davon als Folge des Tränengase­insatzes der Beamten. Sanitäter kamen in den Block, um auch Unbeteilig­te zu behandeln, die unter den Folgen des Gaseinsatz­es litten. Der Umgang mit den sogenannte­n Fans, die Pyrotechni­k abbrennen, bleibt hoch komplizier­t. Zwar handelt es sich um eine Straftat, dagegen vorzugehen, führt aber fast zwangsläuf­ig zur Eskalation wie am Samstag, zu vielen Verletzten, zu hässlichen Szenen. Es ist eine Lose-Lose-Situation, genau deshalb sieht die Polizei in der Regel tatenlos zu, wenn Feuerwerk in den Kurven der Stadien brennt. An diesem Nachmittag war zu sehen, was passiert, wenn die Sicherheit­skräfte anders agieren.

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Foto: imago/osnapix Scharmütze­l zwischen Dortmunder Polizei und Hertha-Fans

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