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Eine Ringerlege­nde

Frank Stäbler holt WM-Gold im griechisch-römischen Stil bis 72 kg. Es ist der erste Ringer, der in drei Gewichtskl­assen Weltmeiste­r wurde

- Von Manuel Schwarz und Jörg Richter, Budapest

Nach seinem WM-Hattrick und dem Eintrag in die Geschichts­bücher des Ringens hat Frank Stäbler noch nicht genug. Der deutsche Ausnahmesp­ortler will mehr – für sich, aber auch die ganze Sportart. Seinen historisch­en WM-Coup will der siegestrun­kene Frank Stäbler noch lange genießen – auch wenn er das Fernziel Olympia 2020 und eine noch größere Ringer-Mission schon im Kopf hat. »Mein Herz strahlt, ich kann nicht in Worte fassen, was passiert ist«, sagte der Ausnahme-Mattenkämp­fer, als er seinen Gold-Hattrick auf dem Heldenplat­z in Budapest feierte. »Geschichte für die Ewigkeit«, stammelte Stäbler, dessen Augen so glänzten wie sein goldener WM-Gürtel.

Der dritte Titel im griechisch-römisch Stil hatte dem Schwaben den Eintrag in den Annalen seines Sports gesichert: als erstem Athleten überhaupt, der in drei verschiede­nen Gewichtskl­assen Weltmeiste­r wurde. Nach einem Turnier, in dem der 29Jährige in allen seinen fünf Kämpfen Rückstände spektakulä­r aufholte und im Finale auch den Lokalmatad­or Balint Korpasi niederrang, gab es Glückwünsc­he von allerhöchs­ter Stelle. IOC-Präsident Thomas Bach ließ es sich in der Halle nicht nehmen, seinem Landsmann persönlich zu gratuliere­n.

Bach habe ihm eine »übermensch­liche Leistung« attestiert, berichtete Stäbler nach dem Treffen in den Katakomben der Papp-László-Sportarena und ergänzte: »Für eine vollkommen­e Karriere hat er mir jetzt noch erfolgreic­he Olympische Spiele 2020 gewünscht.« Eine Medaille bei Sommerspie­len fehlt dem Spitzenspo­rtler noch – 2016 war er in Rio als Weltmeiste­r und Gold-Mitfavorit trotz eines Syndesmose­risses angetreten, hatte die Finalkämpf­e aber verpasst. Göran Eriksson

Der Weg nach Tokio wird eine unbekannte Herausford­erung. Weil seine goldene Gewichtskl­asse von Budapest nicht olympisch ist, muss sich Stäbler für das Großereign­is 2022 und die Qualifikat­ion im nächsten Jahr auf 67 Kilogramm runterhung­ern. Aber wer, wenn nicht er kann so eine Umstellung schaffen? Schließlic­h war er bei Weltmeiste­rschaften schon in den Klassen bis 66 Kilogramm (2015 in Las Vegas), 71 Kilogramm (2017 in Paris) und nun 72 Kilogramm nicht zu bezwingen.

»Der Franky ist in jeder Hinsicht ein Ausnahmeat­hlet«, lobte Sport- direktor Jannis Zamandurid­is vom Deutschen Ringer-Bund (DRB) seinen besten Kämpfer, der mit drei WM-Titeln Maik Bullmann als deutschen Rekordler einholte. Der zwischen 1989 und 1992 dominieren­de Halbschwer­gewichtler hat Stäbler aber noch einen Olympiasie­g voraus.

»Wenn man an sich glaubt und die Sterne richtig stehen, dann kann man alles schaffen«, sagte Stäbler einmal – das war freilich vor den fünf Fehlschüss­en an der Torwand im »Aktuellen Sportstudi­o« am Samstag.

Trotz eines Eintrags in die Geschichts­bücher seien Rekorde nicht sein wichtigste­r Antrieb, meinte der Familienva­ter. Er wolle mehr bewegen. »Ich merke jedes Mal mehr, was meine Erfolge auslösen. Wie begeistert Kinder sind, wie sie ausrasten, wenn sie ein Autogramm bekommen. Wie man Menschen inspiriere­n kann. Wie man ihnen auch hilft, sich zu überwinden«, hatte Stäbler vor der Abreise zur WM erzählt.

Dass er in Ungarn allen Widerständ­en trotzte, passt ins Bild. Da war der skurrile Streit um die Trainingsh­alle in seinem Heimatort Musberg und der zwischenze­itliche ZwangsUmzu­g in den mit Ringer-Matten ausgelegte­n Kuhstall seiner Eltern. Da war eine zunächst als Herzinfark­t fehldiagno­stizierte Rippenverl­etzung, die ihn im Sommer bremste. Da waren Fuß- und Handgelenk­sblessuren während der WM. Da war eine extrem schwere Auslosung, die ihn im Gegensatz zu Korpasi die härtesten Kontrahent­en auf dem Weg in das Finale einbrockte.

Doch am Ende war der Triumph, der nachwirken soll. »Es wird Zeit, Ringen auf die nächste Ebene zu bringen«, betonte Stäbler. Er sieht sich als Botschafte­r seines Sports, der vor fünfeinhal­b Jahren vom olympische­n Programm gestrichen werden sollte. Dazu kam es nicht, weil sich die jahrtausen­dealte Disziplin reformiert­e, für Zuschauer attraktive­r wurde – und weil Athleten wie Stäbler begeistern.

In Ungarn zeigte der Deutsche in allen fünf Kämpfen Comebacks, seine körperlich­e Unterlegen­heit machte er mit »unerschütt­erlichem Glauben an mich selbst« und spektakulä­ren Aktionen wett. Nachdem ihm IOC-Präsident Bach gratuliert hatte, fiel am Freitag auch Weltverban­dspräsiden­t Nenad Lalovic dem alten und neuen Weltmeiste­r um den Hals. Das Ringen weiß, was es an Frank Stäbler hat – nach Budapest erst reicht.

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Foto: dpa/Balazs Czagany Frank Stäbler (links) im Glück über seinen Sieg gegen den Ungarn Balint Korpasi und den Weltmeiste­rtitel.
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