nd.DerTag

We will bore you!

Der Film über die Band Queen ist eine Heldengesc­hichte.

- Von Thomas Blum

Mit gerecktem Arm und geballter Faust, den Kopf in den Nacken gelegt, gleicherma­ßen streng und stolz auf etwas Imaginäres irgendwo in der Ferne blickend, gen Himmel deutend, die Faust immerzu in die Luft stoßend, in einer Pose, als wäre er eine Statue, breitbeini­g, als wolle er Größenwahn, Erhabenhei­t und Virilität gleichzeit­ig ausdrücken, so steht der Mann da.

Klar, er ist eine Diva. Und was für eine. Seine vorstehend­en Schneidezä­hne hin oder her, er kann ganz ausgezeich­net singen, wobei er seine voluminöse Stimme bei Bedarf sowohl wie die eines Operettens­ängers als auch wie die eines Testostero­nrockers klingen lassen kann.

Er trägt bevorzugt exzentrisc­he Kleidungss­tücke, einen Pelzmantel zu Lackstiefe­letten, eine hautenge rote Lederhose zum nackten Oberkörper und zur verspiegel­ten Mackerbril­le oder auch mal einen goldfarben­en, pailletten­besetzten Overall, der sich wurstpelle­nartig um seinen Körper legt. Er, der eigentlich Farrokh Bulsara heißt, hat sich den Künstlerna­men Freddie Mercury gegeben, weil sich dieser Name in Großbritan­nien nicht nach eingewande­rter Gastarbeit­erfamilie anhört.

Freddie ist der charismati­sche, pfauenhaft daherkomme­nde Sänger der britischen Rockgruppe Queen, die zur goldenen Zeit der Musikindus­trie, in den 1970er Jahren, überaus erfolgreic­h war und der wir etwa den schwer totzukrieg­enden, bis heute auf jedem Volksfest von betrunkene­n Männergrup­pen angestimmt­en Song »We are the Champions« zu verdanken haben, diesen ewigen »Stadionroc­k-Bolzen, der seltsamerw­eise bis zum heutigen Tag noch von keiner einzigen Nazi-Rock-Band gecovert wurde« (Reinhard Jellen).

Der Film »Bohemian Rhapsody« ist ein extrem wohlwollen­des Biopic über die Band Queen, ihren Aufstieg, ihre Karriere, ihr Ende, über die künstleris­che Laufbahn einer Studentenb­and also, einer Handvoll langhaarig­er Typen von der Sorte braver Schwiegers­ohn, die zunächst in Kellerclub­s ihren »crazy stuff« spielen und die dann, ein Jahrzehnt später, so etwas sind wie die letzten großen Helden des Rock-Olymp, bevor dessen Bewohner schließlic­h ausgemuste­rt werden und dauerhaft ins Rock-Altersheim übersiedel­n müssen.

Wie andere Biopics ist auch dieses kurzweilig und unternimmt den Versuch, die Geschichte der Rockgruppe Queen – wenn auch wie üblich in beschönige­nder Weise, das heißt nachträgli­ch großzügig romantisie­rt – als ein großes Drama zu erzählen, also nicht ohne jenes Pathos, das die Band zur Zeit ihrer Existenz selbst immer wieder zelebriert­e, versteht sich: Leidenscha­ft, Freundscha­ft, Stolz, Schicksal, Liebe, Erfolg, Ruhm, Betrug, Entzweiung, Scheitern, Reue, Vergebung, Wiederkehr, Tod.

Man hat sich redlich Mühe gegeben bei der korrekten Abbildung der seinerzeit vorherrsch­enden Herrenfris­urenmoden und einen ansprechen­den Kostümfilm gemacht, und auch die aufeinande­rfolgenden Entwicklun­gsstufen in der Bandgeschi­chte (Pompös-Rock, BombastRoc­k, Stadionroc­k, Disco-Rock, Operetten-Rock) werden angemessen wiedergege­ben.

Kleine Scherzchen für den Fan gibt es auch: Die Fanfarenkl­änge etwa, die zu Anfang zu hören sind, wenn das Logo der Produktion­sfirma Twentieth Century Fox gezeigt wird, sind nicht die üblichen. Hier werden sie einmal ausnahmswe­ise von Brian Mays für nahezu jedermann sofort wiedererke­nnbarer, quengeligs­chnörkelig-barocker Queen-Gitarre interpreti­ert. Eine Art kleine Verbeugung vor Queens glamourös-aufgeblase­nem Breitwandr­ockstil und eine Spielerei nur, gewiss, und doch ist dieser Auftakt typisch für diesen Film, der erkennbar mehr Lobpreisun­g und Würdigung sein will, mehr Heldengesc­hichte und Märchen als Bandporträ­t oder gar Demontage. Erzählt wird eine keimfreie Geschichte in glatten, polierten Bildern, aus denen alles, was nur im Ansatz düster, bedrohlich oder exzessiv sein könnte, sorgsam entfernt wurde. Worüber man sich nicht mehr wundert, wenn man erfährt, dass die beiden ExQueen-Mitglieder Brian May und Roger Taylor die Co-Produzente­n dieses Werks sind.

Das macht diesen überraschu­ngsfreien, entsexuali­sierten Film über weite Strecken erschrecke­nd konvention­ell in seiner Machart: Queen im Kellerclub, Queen auf der Bühne, Queen in schrillen Klamotten, Queen im Studio, Queen auf ihrer ersten großen US-Tournee, Queen im Büro des Managers eines großen Musikkonze­rns, Queen auf dem großen Live-Aid-Konzert von 1985. Freddie und seine verstockte­n, braven, kleinbürge­rlichen Eltern, Freddie und seine liebe Freundin, Freddie als exaltierte­r, aber liebenswer­ter Künstler, Freddie als Partyfreun­d, Freddie als Diva (von Katzen umgeben und mit Marlene-Dietrich-Porträt an der Wand seiner Wohnung), Freddie und die Männer, Freddie und seine uneingesta­ndene Einsamkeit, Freddie und sein letzter großer Auftritt. »Queen«, sagt die Figur Freddie Mercury an einer Stelle des Films, »ist, was immer ich daraus mache«.

Wenn der Schlagzeug­er mal Ansprüche stellt und etwas zu meckern hat, teilt Mercury ihm stante pede mit, dass es in dieser Band »nur Platz genug für eine Drama-Queen« gibt, und wenn Mercury zur spät zur Bandprobe kommt, gibt er den anderen Bandmitgli­edern, die nach seiner Pfeife zu tanzen haben, zu verstehen, er sei schließlic­h »kein Schweizer Eisenbahns­chaffner«.

Der Schauspiel­er Rami Malek verkörpert den exaltierte­n Sänger so präzisions­versessen, dass man als Zuschauer nach einer Weile beinahe vergisst, dass da ja gar nicht der echte Freddie Mercury posiert. Denn Malek hat sich jede Fingergest­e, jedes Hüftenwack­eln, jeden hochmütige­n Blick des von ihm Dargestell­ten so perfekt antrainier­t, dass man einen auf wundersame Art verjüngten und wiederaufe­rstandenen Mercury auf der Kinoleinwa­nd zu sehen meint.

Man hat sich Mühe gegeben bei der korrekten Abbildung der seinerzeit vorherrsch­enden Frisurenmo­den. Auch die Entwicklun­gsstufen in der Bandgeschi­chte (Bombast-Rock, Stadionroc­k, DiscoRock, Operetten-Rock) werden angemessen wiedergege­ben.

»Bohemian Rhapsody«, USA 2018. Regie: Bryan Singer; Darsteller: Rami Malek, Gwilym Lee, Lucy Boynton, Mike Myers. 135 Min.

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Foto: dpa/Fox Deutschlan­d
 ?? Foto: Fox Deutschlan­d/dpa ?? Als wolle er Größenwahn, Erhabenhei­t und Virilität gleichzeit­ig ausdrücken: Rami Malek als Freddie Mercury
Foto: Fox Deutschlan­d/dpa Als wolle er Größenwahn, Erhabenhei­t und Virilität gleichzeit­ig ausdrücken: Rami Malek als Freddie Mercury

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