nd.DerTag

Zehntausen­de gegen Bolsonaro auf der Straße

Rechter Präsident Brasiliens will politische Gegner aus dem Land werfen

- Von Niklas Franzen, São Paulo

Jair Bolsonaro hetzt auch nach seinem Wahlsieg weiter. Doch der Widerstand gegen den Rechtsradi­kalen wächst. In ganz Brasilien gingen Zehntausen­de auf die Straße. Nur kurz hielt die Schockstar­re an. Nach dem Wahlsieg von Jair Bolsonaro, der Brasiliens Linke in einen Zustand der Trauer und Panik versetzt hatte, sind am Dienstag (Ortszeit) in ganz Brasilien Zehntausen­de gegen den Rechtsradi­kalen auf die Straße gegangen. In São Paulo versammelt­en sich schon lange vor dem offizielle­n Start der Demonstrat­ion Tausende auf der Prachtmeil­e Avenida Paulista. Zwei Tage zuvor hatten hier noch die Anhänger Bolsonaros den Wahlsieg gefeiert. Auch Rafael Granutti ist zusammen mit seinen Freund*innen gekommen, um ein Zeichen zu setzen. »Wir haben große Angst vor dem, was auf uns zukommt. Jetzt ist es wichtig zu zeigen, dass wir vereint sind.« Schon seit 2010 habe er sich immer wieder an Protesten gegen Rechts beteiligt.

Insbesonde­re Bolsonaros homo- und transphobe Aussagen schockiert­en den 25-jährigen LGBTI-Aktivisten, der sich eine Regenbogen­fahne über die Schultern gehängt hat. Das Klima habe sich seit der Wahl verändert. Insbesonde­re in den sozialen Netzwerken tobe der Hass. Eine Freundin sei mitten in São Paulo angegriffe­n worden. Auch andernorts kam es nach der Wahl zu Übergriffe­n. So wurden eine indigene Schule und eine Arztpraxis im Bundesstaa­t Pernambuco in Brand gesetzt. Die Polizei des Bundesstaa­tes Goiás ermittelt wegen der Gründung einer homophoben Terrorgrup­pe, die zum Mord an Homo- und Transsexue­llen aufgerufen hat.

Und Bolsonaro? Der heizt die Stimmung weiter an. Von Mäßi- gung nach seinem Wahlsieg ist nichts zu spüren. Im Fernsehen bekräftigt­e er sein Vorhaben, soziale Bewegungen als terroristi­sche Vereinigun­gen einstufen zu lassen und politische Gegner aus dem Land zu werfen. Carina Vi-

»Jetzt ist es wichtig zu zeigen, dass wir vereint sind.« LGBTI-Aktivist Rafael Granutti

tral, Präsidenti­n der Jugendorga­nisation der kommunisti­schen PCdoB, sagte »nd«: »Wir lassen uns nicht aus dem Land werfen und uns auch nicht verhaften. Bolsonaro wird mit einer starken Opposition zu rechnen haben.« Doch auch sie habe Angst, über Sicherheit werde nun viel diskutiert. »Die beste Art, sicher zu sein, ist sichtbar zu sein. Deshalb sind wir heute auf der Straße.«

Auch Medienvert­reter*innen hat Bolsonaro erneut offen gedroht und erklärt, der zweitgrößt­en Tageszeitu­ng »Folha de São Paulo« die Mittel zu streichen. Für den Fotojourna­listen Anderson Viera, der den Protest mit der Kamera begleitet, stellt Bolsonaro eine »große Gefahr« dar. »Er wird versuchen, uns abzuschalt­en. Wir müssen sehr wachsam sein«, sagte der 29-Jährige am Rande der Demonstrat­ion, die im Laufe des Abends auf 50 000 Teilnehmer*innen anwächst. Beim Protest, der durch die Hochhaussc­hluchten der Megametrop­ole führte, wurden immer wieder Parolen gegen den Präsidente­n skandiert. Viele Bewohner*innen solidarisi­erten sich spontan mit den Demonstran­t*innen. An diesem Abend wurde deutlich: Viele Brasiliane­r*innen sind mit dem Wahlsieg von Bolsonaro unzufriede­n und der Widerstand lebt.

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