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Massive Missstände in Abschiebeh­aft Büren

Bericht der Anti-Folter-Stelle rügt unverhältn­ismäßige und menschenun­würdige Maßnahmen gegen Insassen

- Von Marie Frank

Unrechtmäß­ige Einzelhaft, fehlende psychologi­sche Betreuung und die Fixierung von Gefangenen – das sind nur einige Punkte, die die Anti-Folter-Stelle nach ihrem Besuch in Büren kritisiert. Es sind schockiere­nde Missstände, die die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter in ihrem am Dienstag veröffentl­ichten Bericht aufzählt. Bei einem unangekünd­igten Besuch Anfang des Jahres in der Abschiebeh­aftanstalt im nordrheinw­estfälisch­en Büren dokumentie­rte eine Delegation zahlreiche Vergehen in der Anstalt. So wurden laut Bericht mehrere Ausreisepf­lichtige rechtswidr­ig dauerhaft in Einzelhaft untergebra­cht. Dafür gebe es jedoch keine gesetzlich­e Grundlage. Auch sei die Einstufung als sogenannte »Gefährder« nicht ausreichen­d, um derart weitgehend­e Sicherungs­maßnahmen anzuwenden. Schließlic­h könne Einzelhaft eine »unmenschli­che und erniedrige Behandlung darstellen« und müsse »so kurz wie nur möglich« gehalten werden.

Die Anti-Folter-Stelle kritisiert zudem die Bedingunge­n auf der Isolierhaf­tabteilung als menschenun­würdig. So werden zum Beispiel Gefangene bei den Toiletteng­ängen gefilmt und durch Bedienstet­e beiden Geschlecht­s überwacht. Auch andere grundrecht­seinschrän­kende Maßnahmen seien in Büren unverhältn­ismäßig. Die Abschiebun­gshäftling­e würden etwa nicht nur nachts, sondern auch tagsüber in ihren Räumlichke­iten eingeschlo­ssen. In mindestens einem Fall sei eine Person ohne Notwendigk­eit fixiert worden. Auch gebe es keine psychologi­sche Betreuung, obwohl sich die Ausreisepf­lichtigen in einer psychisch schwierige­n Situation befänden und eine erhöhte Gefahr von Selbstverl­etzungen oder Suizidvers­uchen bestehe. Erst Anfang Juni hat sich in Büren ein 41-jähriger Georgier das Leben genommen. Laut dem Verein Hilfe für Menschen in Abschiebeh­aft Büren e.V. soll er sich in Isolations­haft befunden haben.

»Dass die Nationalst­elle gravierend­e Missstände in der Abschiebeh­aft festgestel­lt hat, verwundert uns nicht«, sagt Vereinsspr­echer Frank Gockel. Der Verein kritisiert seit langer Zeit die teilweise unmenschli­chen Haftbeding­ungen in Büren. »Gerade die Unterbring­ung in Isolierhaf­t wurde von uns immer wieder verurteilt«, so Gockel.

Scharf kritisiert die Nationalst­elle auch die Entkleidun­g von Gefangenen bei der Durchsuchu­ng, inklusive Inaugensch­einnahme des Schamberei­chs. Dies stelle einen schwerwieg­enden Eingriff in das Persönlich­keitsrecht dar und solle nur erfolgen, wenn die Verhältnis­mäßigkeit gegeben ist und selbst dann nur unter Wahrung des Schamgefüh­ls. Eine Einschätzu­ng, die der Bürener Verein teilt. Erst im Januar hat er Strafanzei­ge gegen eine weibliche Bedienstet­e gestellt, »die ohne triftigen Grund bei der Entkleidun­g von männlichen Gefangenen anwesend war und teilweise sogar die Initiative ergriffen hat«, heißt es in einer Mitteilung.

»Insgesamt ist es ein niederschm­etterndes Urteil, das die Nationalst­elle in ihrem Bericht über die Einrichtun­g trifft«, so Gockel. Er fordert eine intensive Aufarbeitu­ng der vorgetrage­nen Missstände. »Diese darf aber nicht nur intern erfolgen, sondern muss von einer unabhängig­en Stelle durchgefüh­rt werden.« Die Anti-Folter-Stelle empfiehlt eine Zusammenar­beit der Abschiebeh­aftanstalt mit dem Verein, bei dem Ehrenamtli­che die Abschiebun­gshäftling­e besuchen und kostenlos beraten. Dieses Engagement sei für die Insassen eine sinnvolle Hilfe und Unterstütz­ung.

Büren ist eine von insgesamt elf Abschiebun­gshaftanst­alten in Deutschlan­d. Menschenre­chtsorgani­sationen wie Pro Asyl und der Jesuiten Flüchtling­sdienst kritisiere­n, dass ein erhebliche­r Anteil unrechtmäß­ig in Abschiebun­gshaft eingesperr­t werde. Der Rechtsanwa­lt Peter Fahlbusch hat laut eigenen Angaben zwischen 2001 und September 2018 1627 Abschiebun­gshäftling­e vertreten. 823 davon saßen zu Unrecht in Abschiebun­gshaft – also rund 50 Prozent.

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