Bundeswehr voll im Reformplan
Altbekannte Klagen über Rüstungsgüter halten mit der Entwicklung der Armee nicht Schritt
Alles marode bei der Bundeswehr, sogar das, was die Werkhallen gerade verlassen hat. Diesen Eindruck kann man angesichts neuer Zahlen gewinnen. Doch er ist falsch. Fürs erste jedenfalls. Selbst bei nagelneuen Schützenpanzern, Kampfjets und Hubschraubern lasse die Einsatzbereitschaft zu wünschen übrig, vermeldet dpa und bezieht sich dabei auf Daten, die der Linkspartei-Abgeordnete Matthias Höhn im Verteidigungsministerium erfragte. Die klingen altbekannt.
Die Auslieferungsqualität des Transportflugzeuges A400M und des Schützenpanzers »Puma« sei »weiterhin steigerungsfähig«, heißt es da. 2017 seien acht A400M ausgeliefert worden, doch nur vier davon fliegen. Von den 71 »Pumas«, die die Truppe im vergangenen Jahr erhielt, sind nur 27 einsatzbereit. Von sieben ausgelieferten »Tiger«-Kampfhubschraubern sind zwei startklar. Von den sieben NH90-Transport-Helikoptern befinden sich nur vier im Einsatz. Probleme gibt es bei den »Eurofighter«-Kampfjets. Vier neue hat man im Jahr 2017 erhalten, drei davon werden gerade mit einem neuen Hochleistungsrechner nachgerüstet.
Auch wenn eine Freigabe dieser Maschinen »zeitnah erwartet« wird – das alles klingt nach maroder Truppe und reiht sich so ein in die Jammerarien vergangener Jahre. Auffällig jedoch ist, dass in der Truppe selbst weit weniger Unmut herrscht. Im Gegenteil. Dort vernimmt man Lob für die von der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) eingeleiteten Material-, Personal- und Finanzoffensiven. Die Transportflieger beispielsweise sind voll des Lobes über die nun erhalten Airbus-Transporter. Auch wenn noch nicht alle Maschinen die verlangten Leistungen erbringen können – sie versorgen die Truppen im Ausland mit Material, demnächst werden mit dem A400M auch Mannschaften nonstop zum Einsatzort Goa in Mali geflogen. Man hat inzwischen eine Maschine dieses Typs erfolgreich als fliegendes Lazarett erprobt. Die Besatzungen sind zuversichtlich und glauben, dass der versprochene »Quantensprung« im Lufttransport demnächst spürbar ist.
Aus den »Eurofighter«-Geschwadern gibt es ebenfalls vergleichsweise wenig Klagen. Zuverlässig werden die Aufgaben beim Air Policing im Baltikum erfüllt und auch beim aktuellen Großmanöver »Trident Juncture« sind Jets unterwegs. Die Umrüstung älterer »Eurofighter« zur Erdkampffähigkeit läuft. Personell ist die Luftwaffe gut aufgestellt.
Probleme gibt es in der Tat bei der Zertifizierung neuer oder modernisierter Systeme. Darauf spielt Staatssekretär Peter Tauber, der auf die Fragen des Abgeordneten Höhn antwortete, an. Er verweist zurecht darauf, dass »die Einsatzbereitschaft von Einzelsystemen in einem bestimmten Zeitraum« aufgrund notwendiger technischer Maßnahmen »starken Schwankungen unterliegt«, aber nur bedingt Rückschlüsse auf die Einsatzbereitschaft der Gesamtflotte zulasse.
Unbenommen davon ist, dass die Luftwaffe zahlreiche ungeklärte Rüstungsfragen mit sich herumschleppt. Unklar ist, womit man ab Mitte des kommenden Jahrzehnts den »Tornado«, der auch Teil der nuklearen Teilhabe der NATO ist, ersetzen will. Das Taktische Luftabwehrsystem ist bislang nur eine Vision und die Be- schaffung schwerer Transporthubschrauber nicht entschieden. Wie es mit der multinational verabredeten Entwicklung neuer europäischer Kampfjets und Drohnen weitergeht, kann niemand seriös einschätzen.
Gerade hat der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) Ausstattungsmängel beklagt. Man habe sich das Material für die zurzeit in Norwegen laufende NATO-Übung in der ganzen Bundeswehr zusammengesucht. Seltsam, dass man darüber aus dem Heer, das auch den »Tiger« und den NH90 einsetzt, weniger Klagen hört. Die Führung der größten Teil- streitkraft folgt insgesamt klaren Perspektiven. Es müsse der gemeinsame Anspruch sein, die nächste Rotation der NATO-Speerspitze VJTF 2023 »aus der Grundaufstellung heraus, voll ausgestattet mit eigenen einsatzbereiten Kräften zu stellen«, versprach die Ministerin auf einer Bundeswehrtagung Mitte Mai in Berlin. Und so geschieht es. Zwischen 2019 und 2022 stehen fünf Milliarden Euro für die materielle Vollausstattung einer schweren Kampfbrigade sowie der dafür benötigten Unterstützungs- und Sanitätskräfte bereit. In den folgenden Jahren werden, so ist sich Heeresinspekteur Jörg Vollmer sicher, zwei weitere Brigaden auf 100 Prozent Einsatzstärke gebracht. Man wird über alles Notwendige in ausreichender Anzahl und Qualität verfügen: Panzer, Geschütze, Minenleger, digitale Kommunikationstechnik, eine Truppenluftabwehr, Lastwagen, Munition, mobile Brücken, Stromgeneratoren, Nachtsichtbrillen, Zelte, Uniformen, Stiefel, Schutzwesten ... Niemand hegt Zweifel daran, dass der »Puma« bis dahin »dressiert« ist.
In der militärischen Führung geht jedoch eine andere Sorge um. Sie hat mit dem eingeläuteten Ende des »Systems Merkel« zu tun, zu dem ohne Zweifel auch Ursula von der Leyen gehört. Die Amtsführung der Verteidigungsministerin war immer von allerlei Kritik begleitet. Doch selbst schärfsten Widersacher graut es vor einer neuen Führung, die sich mit einer abermaligen Bundeswehrreform wichtig machen will.
In der militärischen Führung geht eine andere Sorge um. Sie hat mit dem eingeläuteten Ende des »Systems Merkel« zu tun.