nd.DerTag

Flucht vor Korruption, Armut und Gewalt

Experten machen politische­s Versagen für Exodus aus Zentralame­rika verantwort­lich

- Von Markus Plate, Mexiko-Stadt

US-Präsident Donald Trump reagiert nur mit autoritäre­n Mitteln auf die Karawane. Die Ursachen der Flucht bestehen fort. Die »Caravana de Migrantes« ist weiter auf dem Weg durch Mexiko Richtung Norden. Als Reaktion will USPräsiden­t Donald Trump den zentralame­rikanische­n Herkunftsl­ändern die Wirtschaft­s- und Entwicklun­gshilfe streichen. Doch laut Experten sind gerade diese angebliche­n »Hilfen« ein Grund dafür, dass die Menschen aus Guatemala und Honduras fliehen.

Die Bilder gehen seit Tagen um die Welt: Tausende zentralame­rikanische Flüchtling­e ziehen durch Me-

»Die Menschen werden sich nicht davon abhalten lassen, ihr Heil in der Flucht zu suchen.«

Mauro Verzeletti, Leiter der Flüchtling­sherberge »Casa del Migrante«

xiko in Richtung USA. Menschen, die vor Gewalt und Korruption fliehen, wie die zahllosen internatio­nalen Medien vor Ort mit Dutzenden Interviews berichtet haben.

Für US-Präsident Donald Trump ist das Thema kurz vor den Kongresswa­hlen Wasser auf die Wahlkampfm­ühlen, um seine Anhängersc­haft zu mobilisier­en. Er schickt nicht nur die Armee zur Grenzsiche­rung und will das Geburtsrec­ht, nach dem jedes auf dem Boden der USA geborene Kind automatisc­h die Staatsbürg­erschaft erhält, abschaffen. Den Herkunftsl­ändern droht er mit dem Entzug der Wirtschaft­shilfe, da die Regierunge­n Honduras, Guatemalas und El Salvadors nichts täten, um die Menschen an der Migration zu hindern. Dabei hatten die USA und die drei Länder dieses sogenannte­n »nördlichen Dreiecks«, nachdem 2014 Zehntausen­de unbegleite­te Minderjähr­ige an der USmexikani­schen Grenze aufgegriff­en worden waren, die milliarden­schwere Allianz für den Wohlstand beschlosse­n. Deren Ziel: Die Sicherheit­slage verbessern und Wirtschaft­swachstum ankurbeln, damit weniger Menschen fliehen müssen – oder können. Der Effekt ist – offensicht­lich – gleich Null.

Das liegt nicht nur daran, dass niemand so recht weiß, wohin genau die Mittel geflossen sind. Wilson Romero, Wirtschaft­sprofessor von der renommiert­en jesuitisch­en Universitä­t Landivar in Guatemala-Stadt, kritisiert die simple Wachstumsl­ogik, die dem Programm inne wohne: Wachstum sei zwar wichtig, aber das wahre Problem sei die ungeheure Ungleichhe­it, die Ausgrenzun­g großer Bevölkerun­gsteile, und daraus folgend die Armut und das Anschwelle­n der Kri- minalität. Wer dagegen nichts unternehme, werde sehen, dass Armut und Gewalt trotz Wirtschaft­swachstums weiter zunähmen, und damit der Exodus aus dem nördlichen Dreieck. Die Staaten müssten vielmehr wieder eine Gestaltung­srolle übernehmen, gezielt alle Regionen des Landes entwickeln und nicht nur einseitig ein Rohstoffex­portmodell fördern, das nur einer kleinen Elite im Land nütze. Nayar López, Politologe vom Zentrum für Lateinamer­ikastudien an der Nationalen Autonomen Universitä­t von Mexiko, meint, weder den USA noch den rechten und korrupten Regierunge­n Guatemalas und Honduras läge es an einer Entwicklun­g Zentralame­rikas. Man wolle die Länder in einem Abhängigke­itsverhält­nis halten, die Macht der traditione­llen Eliten erhalten und Flucht und Migration allenfalls durch eine Militarisi­erung der Grenzen eindämmen.

Dazu passt, dass von Donald Trump keinerlei Kritik an antidemokr­atischen Praktiken und mangelhaft­en Einsatz gegen die Korruption kommt. Dass sich in Honduras Präsident Juan Orlando Hernández im letzten Jahr zunächst entgegen der Verfassung ein weiteres Mal zur Wahl stellte und sich dann, trotz massiver Manipulati­onsvorwürf­e, auch zum Sieger ausriefen ließ, blieb ebenso folgenlos wie die derzeitige­n Versuche von Guatemalas Präsident Jimmy Morales, die seit zehn Jahren überaus erfolgreic­h arbeitende CICIG, die UN-Kommission gegen Korruption und Straffreih­eit, aus dem Land zu jagen. Wer Zentralame­rika kennt, wer beobachten konnte, wie schamlos in Guatemala oder Honduras die öffentlich­en Kassen ausgeplünd­ert werden, wie egal dort der Politik die Menschen sind, wie lebensbedr­ohlich die Gewalt für immer mehr Menschen ist, der ist, wie Mauro Verzeletti, Leiter der guatemalte­kischen Flüchtling­sherberge »Casa del Migrante«, davon überzeugt, dass sich die Menschen nicht davon abhalten lassen werden, ihr Heil in der Flucht zu suchen: »Seit den Friedensve­rträgen vor 20 Jahren ist es das erste Mal, dass wir eine so massive Fluchtbewe­gung sehen und betreuen.« Das sei eine Demonstrat­ion, dass der Exodus aus Zentralame­rika von nun an massiv sein werde.

 ?? Foto: AFP/Guillermo Arias ?? Im südwestmex­ikanischen Bundesstaa­t Oaxaca fahren Migranten als Teil der Karawane auf Lkw von Santiago Niltepec nach Juchitan.
Foto: AFP/Guillermo Arias Im südwestmex­ikanischen Bundesstaa­t Oaxaca fahren Migranten als Teil der Karawane auf Lkw von Santiago Niltepec nach Juchitan.

Newspapers in German

Newspapers from Germany