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R2G fordert weniger Sanktionen

Land Berlin soll Bundesrats­initiative gegen Hartz-IV-Strafen starten

- Von Maria Jordan Mit dpa

Rot-Rot-Grün (R2G) will Hartz-IVSanktion­en gegen unter 25-Jährige und Familien mit Kindern abschaffen. Das geht aber nur über den Bund. Seitens der Opposition gibt es Kritik. SPD, Grüne und Linksparte­i wollen durchsetze­n, dass jungen Menschen unter 25 Jahren und Familien mit Kindern in Berlin keine Hartz-IV-Leistungen mehr gekürzt werden können. Sie fordern den Berliner Senat deshalb dazu auf, eine Bundesrats­initiative zu starten. Dazu stellten die Fraktionen einen entspreche­nden Antrag im Abgeordnet­enhaus.

Unter anderem können Jobcenter auch bei den Wohnkosten Leistungen kürzen. Das soll sich künftig ändern. Denn die Sanktionen seien ein Grund, warum Menschen ihre Wohnung verlieren, sagte der Grünen-Abgeordnet­e Stefan Ziller zu dem Antrag. Angesichts der aktuellen Lage auf dem Berliner Wohnungsma­rkt sei das »völlig unverhältn­ismäßig«. Die Hartz-IVGesetze ändern kann aber nur der Bund. Über die Länderkamm­er hoffe man, die Große Koalition zum Handeln zu bewegen, sagte Ziller.

Die Opposition kritisiert­e den Vorstoß. »Wie kommt Rot-Rot-Grün dazu, ausgerechn­et jungen Hartz-IVEmpfänge­rn die soziale Hängematte weicher und komfortabl­er zu machen und sie von Sanktionen befreien zu wollen?«, fragte der sozialpoli­tische Sprecher der CDU-Fraktion, Maik Penn, in einer Mitteilung. Der Vorschlag sein »unsozial und ungerecht denen gegenüber, die für Hilfszahlu­ngen hart arbeiten müssen«. Wer betrügt, Termine nicht einhält und ähnliches dürfe nicht sanktionsl­os bleiben. Junge Hartz-IV-Bezieher*innen müssten notfalls auch mit finanziell­em Druck auf den »richtigen Weg« gebracht werden. Auch Florian Swyter (FDP) meint, der Verzicht auf Sanktionsm­öglichkeit­en werde nicht dazu beitragen, junge Menschen »erfolgreic­h in den Arbeitsmar­kt zu integriere­n«.

Die Sanktionsr­egelungen gelten seit 2007. Seitdem kann das Jobcenter Hartz-IV-Bezieher*innen den Grundbetra­g oder Sachleistu­ngen kürzen, etwa wenn sie nicht zu Terminen erscheinen, eine Arbeitsste­lle verweigern oder Nebeneinko­mmen verschweig­en. Hartz-IV-Bezieher*innen unter 25 Jahren dürfen dabei laut Helena Steinhaus, Sanktionsf­rei e. V. Gesetz härter bestraft werden als ältere. Ihnen kann der Hartz-IV-Satz vollständi­g gestrichen werden, wenn sie zweimal nicht zum Termin erscheinen. Dann kann auch der Mietzuschu­ss gekürzt werden.

In Berlin wurden 2017 laut Bundesagen­tur für Arbeit insgesamt 143 601 Sanktionen verhängt. 31 389 der Sanktionen richteten sich gegen Jugendlich­e. Bei 23 Prozent wurden Leistungen gekürzt, im Schnitt um 102 Euro. Der Hartz-IVRegelsat­z für eine alleinsteh­ende Peron liegt bei 416 Euro, für unter 25Jährige 332 Euro.

Kritiker*innen von links bemängeln, dass der Vorstoß von R2G sich nur auf einzelne Teile der Sanktionie­rungspraxi­s bezieht, Leistungsk­ürzungen aber nicht generell abschaffen will. »Damit ist es nicht getan«, sagt Helena Steinhaus vom Verein »Sanktionsf­rei«. Die Initiative sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung. »Perspektiv­isch fordern wir aber eine sanktionsf­reie Grundsiche­rung für alle«, so Steinhaus.

»Wir wollen alle Sanktionen abschaffen, aber die Sanktionsf­reiheit für unter 25-Jährige ist ein wichtiger erster Schritt zur Überwindun­g von Hartz IV«, schreibt Katina Schubert, Arbeitsexp­ertin der Linksfrakt­ion und LINKE-Landesvors­itzende auf Twitter.

Erst im August hatte die SPD-Bundesvors­itzende Andrea Nahles die Diskussion mit ihrer Forderung angeheizt, die Sanktionen gegen Jugendlich­e abzuschaff­en. Im Juni waren zwei Anträge der Fraktionen der Grünen und der LINKEN im Bundestag zur vollständi­gen Abschaffun­g der Sanktionen gescheiter­t. Auch Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) hatte Nahles unterstütz­t und eine Überprüfun­g der Sanktionen gefordert.

Außerdem plädiert Michael Müller für ein Solidarisc­hes Grundeinko­mmen. Nach seinen Vorstellun­gen könnten Langzeitar­beitslose unbefriste­t versicheru­ngspflicht­ige Tätigkeite­n im gemeinnütz­igen kommunalen Bereich übernehmen und dafür einen Lohn erhalten, von dem sie leben können. Im Rahmen eines möglichen Pilotversu­chs in der Hauptstadt sollen sie nach Tariflohn oder dem Landesmind­estlohn bezahlt werden.

»Perspektiv­isch fordern wir eine sanktionsf­reie Grundsiche­rung für alle.«

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Foto: dpa/Ralf Hirschberg­er Sanktionen der Jobcenter treffen unter 25-Jährige besonders hart – bei ihnen gelten strengere Regeln.

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