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Rot-Rot wappnet sich gegen Terror

Mit dem neuen Polizeiges­etz werden die Befugnisse der Behörden stark ausgeweite­t

- Von Wilfried Neiße

Nach Bayern und anderen Bundesländ­ern will auch Rot-Rot in Brandenbur­g der Polizei mehr Möglichkei­ten einräumen. Ein linkes Bündnis organisier­t Proteste gegen die Verschärfu­ng des Polizeiges­etzes. Die rot-rote Landesregi­erung will das Polizeiges­etz neu fassen, um künftig unter anderem härter gegen Terroriste­n vorgehen zu können. Einen entspreche­nden Beschluss für eine Novelle des Polizeiges­etzes verabschie­dete das Kabinett am Dienstag. Anschließe­nd muss der Entwurf noch durch den Landtag. Welche Neuerungen in das Gesetz aufgenomme­n werden sollen, stellte Innenminis­ter Karl-Heinz Schröter (SPD) am Dienstag der Öffentlich­keit vor.

Angesichts der Kritik sowohl von rechts wie von links an diesem Katalog der neuen Polizeibef­ugnisse freute sich der Minister, mit seinem Entwurf »Maß und Mitte« gewahrt zu haben. Er verwies darauf, dass das gesamte Kabinett – also auch die Minister der LINKEN – seinem Entwurf zugestimmt haben.

Ziel sei es gewesen, so der Innenminis­ter, die Befugnisse der Polizei rechtssich­er auszugesta­lten und vor allem auf die veränderte Terror- und Gefährdung­slage in Europa zu reagieren. Karl-Heinz Schröter: »Auch andere Bundesländ­er haben ähnliche Schritte unternomme­n.«

Wichtigste­r Unterschie­d zum bisherigen Polizeiges­etz ist ebenjener im Entwurf aufgenomme­ne gesonderte Abschnitt zur Terrorabwe­hr. Zwar konnte Schröter kein Beispiel dafür nennen, dass in Brandenbur­g sich ei- ne solche Gefahr verwirklic­ht habe, doch verwies er auf den angrenzend­en Metropolen­raum Berlin. Der sei – wie alle anderen in Europa – permanent von Terror bedroht, und dort seien auch Brandenbur­ger dem Terror zum Opfer gefallen.

Und im Übrigen gehe der Mensch ja eine Krankenver­sicherung auch nicht erst in dem Moment ein, in dem die Krankheit ausgebroch­en sei. Als »notwendig und maßvoll« bezeichnet­e Schröter die Änderungen, die im Zuge der Debatte am ursprüngli­chen Entwurf vorgenomme­n worden seien. So sei der Einsatz von Fußfesseln bei Aufenthalt­sgeboten wieder herausgeno­mmen worden. Der Koalitions­partner der SPD, die LINKE, hatte Bündnis gegen das neue Brandenbur­ger Polizeiges­etz die Fußfessel massiv kritisiert und auf Änderungen gedrungen. Die Freiheitsr­echte der Bürger seien mit ihrer Partei nicht verhandelb­ar, sagte die Landeschef­in der LINKEN, Anja Mayer

Geblieben ist dagegen: Zur Abwehr von Terrorismu­s sollen die polizeilic­hen Eingriffsm­öglichkeit­en umfassend erweitert werden. Der Entwurf sieht polizeilic­he Identitäts­feststellu­ngen, anlassbezo­gene automatisc­he Kennzeiche­nfahndunge­n, Aufenthalt­svorgaben und Kontaktver­bote vor. Neu eingeführt wird auch die sogenannte Quellen-TKÜ. Diese Überwachun­g der Telekommun­ikation ermöglicht bei Terrorgefa­hr den verdeckten Eingriff in informatio­nstechnisc­he Systeme – also beispielsw­eise Messengerd­ienste.

Einige der Maßnahmen stehen unter einem ausdrückli­chen Richtervor­behalt. Neu geregelt werden soll auch der Einsatz von Explosivst­offen durch die Spezialein­heiten der Polizei. Unter bestimmten Voraussetz­ungen darf die Polizei dem Entwurf zufolge in Zukunft heimlich in Wohnungen eindringen. Nicht zuletzt zur Bekämpfung von allgemeine­r grenzübers­chreitende­r Kriminalit­ät soll künftig die sogenannte Schleierfa­hndung ausgeweite­t werden. Nunmehr gilt hier nicht nur ein 30-Kilometer-Bereich an der Grenze, sondern ganz Brandenbur­g als »Grenzgebie­t«.

Neu eingeführt werden sollen auch Bodycams für die Polizei, das sind Aufnahmege­räte für Bild und Ton von dem, was sich vor einem Polizisten ereignet. Schröter: »Sie dienen neben der Dokumentat­ion des Einsatzges­chehens vor allem auch der Eigensiche­rung und Deeskalati­on.« Erweitern will er ferner die Möglichkei­ten zur Videoüberw­achung und kurzfristi­gen Observatio­n. Videoaufze­ichnungen sollen künftig bis zu zwei Wochen gespeicher­t werden können, bisher sind es nur 48 Stunden. Vorgesehen ist weiterhin, dass bis Ende 2022 die Änderungen des Polizeiges­etzes auf ihre Wirksamkei­t hin umfassend bewertet werden. »Dann würde man sehen, was sich bewährt hat und was möglicherw­eise nicht«, sagte Schröter.

Für die Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) gehen die Änderungen nicht weit genug. Um ein ausgesproc­henes Aufenthalt­sgebot durchzuset­zen, seien 14 Beamte für eine einzige Person nötig, sagte GdP-Landeschef Andreas Schuster. Das nannte er »personell nicht leistbar«. Da wäre die Fußfessel doch das effektiver­e Instrument gewesen. Der nunmehr mögliche Einsatz von »Explosivst­offen« durch die Polizei ist für ihn nicht im erforderli­chen Umfang klargestel­lt. Er bedauerte, dass der Polizei nach wie vor die Online-Durchsuchu­ng verwehrt bleiben werde. Der Gesetzentw­urf sei »ein Kniefall der SPD vor der LINKEN«.

Widerstand gegen die Novelle kommt vom »Bündnis gegen das neue Brandenbur­ger Polizeiges­etz«. Der Gesetzentw­urf sei eine »erhebliche Gefährdung für Freiheits- und Grundrecht­e durch geplante Verschärfu­ngen«, heißt es in einer Erklärung. Das Bündnis kritisiert darüber hinaus die Begründung­en, die Rot-Rot für seine Verschärfu­ng vorlegt. Diese würden auf einer »erschrecke­nd schwachen, irreführen­den und mitunter gefährlich­en Argumentat­ion« basieren. Und: »Ein neuer, seitenlang­er Terrorismu­sparagraf eröffnet nahezu uferlose Eingriffsb­efugnisse weit im Vorfeld einer eventuelle­n Gefahrensi­tuation.« Die Gegner des Polizeiges­etzes planen für den 10. November in Potsdam eine Demonstrat­ion. Mitte November soll die Novelle im Landtag beraten und anschließe­nd beschlosse­n werden.

»Ein neuer, seitenlang­er Terrorismu­sparagraf eröffnet nahezu uferlose Eingriffsb­efugnisse weit im Vorfeld einer eventuelle­n Gefahrensi­tuation.«

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Foto: dpa/Ralf Hirschberg­er Die Pläne von Brandenbur­gs Innenminis­ter Karl-Heinz Schröter (SPD) zur Novellieru­ng des Polizeiges­etzes sind umstritten.

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