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Der rote Matrose

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Am Samstagnac­hmittag, den 7. Mai 2011, trafen sich am Münchner Nordfriedh­of Vertreter der bundesdeut­schen extremen Rechten und legten einen Kranz an der Grabstelle 125/A2 nieder. Dort steht ein wuchtiger steinerner Kubus ... Er steht hier schon seit 1936 und auf der Vorderseit­e ist ein Name eingravier­t: Oswald Spengler (1880–1936). 75 Jahre nach seinem Tod huldigen noch immer deutsche Rechtsextr­eme dem Autor von »Der Untergang des Abendlande­s«, einem der geistigen Väter der »Konservati­ven Revolution« in der Weimarer Republik ...

Gut 250 Schritte vom Spengler’schen Grab entfernt findet sich auf dem Nordfriedh­of in der Sektion 105, Reihe 5, Grab Nummer 6, eine Stele aus Metall. »In Würdigung Rudolf Engelhofer, Stadtkomma­ndant und Oberkomman­dierender der Roten Armee der Räterepubl­ik« steht da etwas ungelenk auf einem schwarzen Stern, umrahmt von einer eisernen Kette. Der »rote« Matrose Rudolf Engelhofer (1896–1919) war Mitglied der Spartakist­en in München ... Nach dem Einmarsch und Sieg der Weißen Truppen wurde er verhaftet und in der Münchner Residenz ermordet. Er wurde fünf Tage später im Familiengr­ab auf dem Nordfriedh­of beigesetzt ... Es wuchs Gras über dem Grab von Engelhofer. Über seinen Namen sowieso schon lange. Denn Engelhofer gehörte als Kommunist in Bayern zu den »Vergessene­n der Geschichte«, wie es Walter Benjamin ausdrückte. Nichts, aber auch gar nichts erinnerte in München an den revolution­ären Sohn der Stadt. Anders in der DDR, dort widmete man ihm Schulen und Kriegsschi­ffe. Erst 2016, als das Grab wiederentd­eckt wurde, bekam Engelhofer mit der Stele ein provisoris­ches Denkmal ...

Gut drei Kilometer Luftlinie entfernt liegen auf dem Neuen Israelitis­chen Friedhof zwei weitere Opfer rechter Gewalt: Kurt Eisner (1876–1919) führte die Novemberre­volution in München an, war der erste Ministerpr­äsident des demokratis­chen Bayern und wurde auf dem Weg in den Landtag von dem völkisch-nationalis­tischen Adeligen Graf von Arco erschossen. Mit ihm im Grab liegen die sterbliche­n Überreste von Gustav Landauer: Schriftste­ller, Anarcho-Syndikalis­t und für wenige Tage Beauftragt­er für Volksaufkl­ärung in der Räterepubl­ik. Er wurde am 2. Mai 1919 nach seiner Gefangenna­hme durch konterrevo­lutionäre Truppen im Gefängnis Stadelheim brutal ermordet.

Aus dem Buch von Rudolf Stumberger »Das Raubtier und der rote Matrose« (Alibri, 163 S., br., 15 €).

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