Verbackene Beziehungen
Im Kino: »The Cakemaker« ist ein schönes kleines Liebesdramolett zwischen Berlin und Jerusalem
Eine Filmrezension schreibt man ja immer für ganz unterschiedliche Leute: das interessierte Publikum, den Zeitungsredakteur, das Filmteam, und natürlich für sich selbst. Ach, ruhig gleich raus damit bei einem Film mit Konditoreibezug wie »The Cakemaker«: Eine Filmrezension ist wie eine Torte mit sehr vielen Schichten, die am Ende allen schmecken soll.
Der Redakteur bekommt den genau richtig langen Text kurz vor Redaktionsschluss, das ist alles, was zählt.
Dem interessierten Publikum können wir sagen: Der Film ist sehr gut, schauen Sie ihn sich an. Ein Mann aus Jerusalem hat beruflich viel in Berlin zu tun und besucht gerne eine Bäckerei mit leckeren Zimtkeksen. Er verliebt sich in den schönen Bäcker und bringt fortan Frau und Kind in Israel immer viel Kuchen mit, bis er bei einem Verkehrsunfall stirbt. Der Bäcker reist nach Jerusalem, umschleicht die Frau und nimmt schließlich einen Job in ihrem Café an, denn, klar, die ist auch in der Gastronomie tätig. Das ist so eine kleine konstruierte Wendung, wie sie Drehbuchautoren lieben, aber okay, weil es Kino ist, stört es fast gar nicht. Es gibt einige Irrungen, Wirrungen um koscheres Backen, den strengen Bruder des Verstorbenen, religiöse Konflikte, Familiengeschichten, und der Rezensent (um mal zum krümeligen Tortenboden zu kommen) kann ganz ehrlich nicht sagen, ob es nicht ein bisschen viel ist, diese in Jerusalem vermutlich irgendwie in der Luft liegenden Themen so als Metaphern für die Reinheit oder heillose Verrührtheit der Sexualität, äh, zusammenzubacken.
Jedenfalls kommt es, wie es kommen muss (»The Cakemaker« ist so ein Film, bei dem es nicht stört, wenn man die Handlung kennt): Bäcker verliebt sich in Gastronomin, wirklich sehr anrührend (der Redakteur ohrfeigt den Autor, aber diesmal
ehrlich!) gespielte erotische Annäherung in der Backstube, die Geschichte mit dem Ehemann kommt raus wie ein Kirschkern, auf den man plötzlich beißt, dramaturgisch wiederum sehr schön gemacht, dass die Intimität der beiden Männer erst relativ am Ende rückblickend aufgerollt (argh!) wird, ein limettenbitteres Sahnehäubchen vom Ende in Berlin.
»The Cakemaker« ist einer von diesen schönen kleinen Filmen, in die man geht, wie man an einem stürmischen Herbsttag in so eine blaustichige Instagram-Bäckerei einkehrt und denkt: Jetzt ein schönes Stück Kuchen. Und für den Moment ist es das beste Stück Kuchen der Welt, weil sich darin der Herbst und die roten Wangen der lieben Begleitung mischen. Lobend erwähnen muss man das Schauspielerensemble, das auch in diesem Café sitzt … Na, jetzt geraten die Schichten etwas durcheinander. Alle spielen wunderbar. So!
Und der Autor? Kümmern wir uns nun um die letzten Krümel am Textboden, die wir mit dem letzten Sahneklecks aufstippen. Wenn man mit der Begleitung aus dem Kino kommt und wir uns links und rechts unterhaken, dann dürfen wir denken: Gut, dass wir drei uns haben und gemeinsam in Filme gehen können, die aus Bisexualität und verschiedenen Beziehungssphären so undramatisch ein kleines Drama machen.
In diesen Film geht man, wie man an einem stürmischen Herbsttag in so eine blaustichige InstagramBäckerei einkehrt und denkt: Jetzt ein schönes Stück Kuchen.
»The Cakemaker«, Israel/Deutschland 2017. Regie/Buch: Ofir Raul Graizer; Darsteller: Tim Kalkhof, Sarah Adler, Roy Miller, Zohar Strauss. 106 Min.