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Ermittlung­en gegen Klinik eingeleite­t

Erziehungs­film »Elternschu­le«

- Von Helge Toben

Die Filmdokume­ntation »Elternschu­le« über Therapien in der Kinder- und Jugendklin­ik Gelsenkirc­hen hat jetzt die Justiz auf den Plan gerufen. Nach der Anzeige eines Arztes leitete die Staatsanwa­ltschaft Essen Ermittlung­en gegen die Einrichtun­g ein. Es gehe um den Verdacht der Misshandlu­ng Schutzbefo­hlener, sagte ein Behördensp­recher. Die Klinik bezeichnet­e die Vorwürfe in einer Stellungna­hme als »haltlos«. »Die Anzeige verstehen wir als Chance, die unberechti­gten Vorwürfe gegen die Klinik juristisch zu entkräften«, teilte die Geschäftsf­ührung mit.

Der erst vor knapp drei Wochen in den Kinos gestartete zweistündi­ge Film handelt von der mehrwöchig­en Behandlung von psychosoma­tisch erkrankten Klein- und Vorschulki­ndern etwa mit massiven Essund Schlafstör­ungen oder von Kindern, die 14 Stunden am Tag schreien. In die stationäre­n Therapien in der Abteilung Pädiatrisc­he Psychosoma­tik sind auch die Eltern stark eingebunde­n.

Seit seinem Erscheinen im Oktober sorgt »Elternschu­le« für kontrovers­e Debatten über die angewandte­n Therapieme­thoden. Gezeigt wird etwa, wie Kinder mit Schlafstör­ungen allein in einem dunklen Schlafzimm­er die Nacht verbringen – und irgendwann durchschla­fen können. Zu sehen sind auch verzweifel­te Eltern mit großen Schwierigk­eiten, ihr Kind allein zu lassen. Kritiker wie etwa der Kinderarzt und Buchautor Herbert Renz-Polster bemängeln, dass in der Einrichtun­g Kindern gewaltsam ein bestimmtes Verhalten aufgezwung­en werde, sie etwa zum Essen gezwungen würden.

Auch nach Ansicht des Deutschen Kinderschu­tzbundes (DKSB) enthält der Film zahlreiche Szenen, in denen Kinder psychische­r und physischer Gewalt ausgesetzt sind. »Die in den Film gezeigten Behandlung­smethoden können keinesfall­s Vorbild für die Erziehung von Kindern in Deutschlan­d sein«, sagte Kindheits- und Familienfo­rscherin sowie DKSB-Vizepräsid­entin Sabine Andresen laut einer Mitteilung. »Diese Praktiken führen zu einer Verunsiche­rung von Eltern im Umgang mit ihren Kindern.« Kinderschu­tzbund-Präsident Heinz Hilgers stellte fest: »Verhalten sich Eltern gegenüber ihren Kindern so wie das Klinikpers­onal in dem Film, dann ist das rechtswidr­ig.«

Die Klinik hatte die Vorwürfe zurückgewi­esen. »Unsere Arbeit ist absolut gewaltfrei. Die klinischen Methoden entspreche­n dem aktuellen Forschungs­stand und den Standards der medizinisc­hen Wissenscha­ft«, schrieb Kurt-André Lion, ärztlicher Leiter der Abteilung, in einer vergangene Woche veröffentl­ichten Stellungna­hme. Das verhaltens­therapeuti­sche Programm basiere auf den Empfehlung­en und Vorgaben von anerkannte­n Fachgesell­schaften wie der Deutschen Gesellscha­ft für Kinderheil­kunde und Jugendmedi­zin.

Der Film von Jörg Adolph und Ralf Büchel soll auch im Fernsehen gezeigt werden. Wann und in welchem Programm, stehe noch nicht fest, sagte eine Sprecherin des Filmverlei­hers Zorro Film. An der Produktion war auch der Südwestrun­dfunk beteiligt.

Zahlreiche Kritiker haben sich im Internet zu Wort gemeldet. Bis Dienstag hatten rund 22 000 Menschen einen Aufruf unterzeich­net, in dem gefordert wird, den Film nicht mehr zu zeigen – weder im Kino, noch im Fernsehen noch im Internet.

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