Allianz landet auf dem letzten Platz
Branchenführer fällt bei einer Bewertung der Standmitteilungen für Kunden durch
Eine Branche im Krisenmodus: In den vergangenen Wochen wurden die deutschen Lebensversicherer gleich mehrfach unter die Lupe genommen. Viele Ratings fallen bedenklich schlecht aus. Endlich sollten Kunden erfahren, was wirklich Sache ist. Deshalb beschloss der Gesetzgeber im Juli 2017 eine Änderung des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG). Sie ist seit diesem Sommer in Kraft. Seither sollen die Kunden genau informiert werden, wie es um ihren Lebensversicherungsvertrag bestellt ist. Diese strengeren Vorgaben hat das Luxemburger Analysehaus Partner in Life zum Anlass genommen, die Wertermittlung der deutschen Versicherer nach ihrer Transparenz abzuklopfen.
Ausgerechnet Branchenprimus Allianz – jeder fünfte kapitalbildende Versicherungsvertrag wird von den Münchnern verkauft – landet dabei im Gesamtranking auf dem letzten Platz. Gegenüber früheren Standmitteilungen habe sich die Transparenz bei Deutschlands mit Abstand größtem Anbieter sogar verschlechtert, kritisieren die Tester. Auf dem Siegertreppchen landen dagegen zwei öffentliche Lebensversicherer, die SV Sparkassen Versicherung und Provinzial Nordwest.
Ruhmlos schnitten auch andere Branchengrößen wie Ergo, HukCoburg und Neue Leben ab. Das sei kein Kavaliersdelikt, meint Annabel Oelmann, Vorständin der Bremer Verbraucherzentrale. »Verbraucher sollen über die Standmitteilung ihrer Lebensversicherung in die Lage versetzt werden, über Fortführung, Kündigung oder Anpassung des laufenden Vertrages zu entscheiden.«
Die Allianz beispielsweise nenne ausschließlich den Rückkaufswert ohne Bewertungsreserven (BWR) und sonstige variable Anteile. »Mit einer solchen Wertmitteilung kann der Verbraucher keine qualifizierte Entscheidung treffen«, kritisiert Oelmann. Um den Wildwuchs zu beenden, müsse die Finanzaufsicht Bafin »ein amtliches Muster« entwickeln.
In den vergangenen Wochen sind die deutschen Lebensversicherer gleich mehrfach unter die Lupe genommen worden. Viele Lebensversicherer erwirtschaften angesichts der dauerhaften Niedrigzinsphase nicht genug. Daher reichten bei 39 von 84 Lebensversicherern 2017 die erwirtschafteten Erträge aus Kapitalanlagen nicht aus, um alle Garantiepflichten zu erfüllen und die gesetzlich vorgeschriebene Reserve zu bedienen. Das ergab eine Analyse des Zweitmarkt-Anbieters Policen Direkt, der wie Partner in Life »gebrauchte« Verträge von Versicherten aufkauft.
»Für deutsche Lebensversicherer wird die Situation immer prekärer«, zieht das Fachblatt »Versicherungsbote« sein Fazit. Um die Löcher zu stopfen, schöpfen die Konzerne aus anderen Ertragsquellen, verkleinern die Verwaltung oder setzen stärker auf riskante Kapitalanlagen wie »Cat Bonds«, mit denen auf Naturkatastrophen gewettet wird.
Herbstzeit ist Ratingzeit für die Versicherungsbranche. So vergab beispielsweise Softair an acht von 63 Lebensversicherer die Höchstnote »Fünf Eulenaugen«. 36 Unternehmen bewertet Softair allerdings besser als etwa der Analysekonkurrent M&M.
»Aufgrund von verschiedenen Methodikansätzen können die Ergebnisse der Analysen mitunter stark voneinander abweichen«, warnt der Infodienst »Versicherungsjournal« davor, die einzelnen Ergebnisse überzubewerten. Kritiker weisen gleichzeitig darauf hin, dass nach einem erfolgreichen Rating Unternehmen dieses oft als Qualitätssiegel erwerben, um damit Reklame zu machen.
Erst recht sind daher die vielen schlechten Zeugnisse in diesem Herbst ein Warnsignal. Das Dilemma des Niedrigzinsniveaus wird besonders bei den garantierten Leistungen aus Hochrechnungen deutlich. In einem Beispielvertrag zur Sofortrente hat ein 63-Jähriger 50 000 Euro eingezahlt. Im Durchschnitt beträgt die garantierte Monatsrente dabei nur knapp 149 Euro. »Der Kunde müsste also mindestens 91 Jahre alt werden«, heißt es im neuesten Map-Report, dem Klassiker unter den Versicherungsbewertern, »bis er zumindest seinen eingezahlten Beitrag als monatliche Rentenzahlung ausgezahlt bekäme.« Vorteilhafter steht es da um die Allianz: Die Münchner verdienen glänzend. Sie erwarten in diesem Jahr einen rekordverdächtigen Gewinn von 11 Milliarden Euro.
Erst recht sind daher die vielen schlechten Zeugnisse in diesem Herbst ein Warnsignal.