Plaste und Elaste
Vom Plüschtier bis zur Weltraumrakete: Das Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR zeigt Spielwaren des Ostens
Eine Ausstellung in Eisenhüttenstadt zeigt DDR-Spielzeug.
Zuweilen ist die Not ein guter Ratgeber. Da im Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR die Depots überquellen vor Produkten aus DDR-Fertigung und weil das Museum zudem in ungünstig kurzen Abständen die Lager wechseln muss, hat man entschieden, einen Teil der etwa 170 000 Objekte umfassenden Sammlung gleich in Form einer Ausstellung öffentlich zugänglich zu machen. Zunächst werden aus jeder der insgesamt 35 Sachgruppen der Sammlung – von »Agitation und Propaganda« bis »Zahlungsmittel« reicht die Palette – einzelne Objekte vorgestellt. Man stößt auf »Robotron«-Schreibmaschinen, bei deren Anblick schon die Erinnerung an den harten Anschlag sich in den Fingerkuppen regt. »Ata« und »Fewa« stechen ins Auge, die Reinigungsdauerbrenner, graue Kaffeemühlen, wie sie noch in manchen Datschen zu finden sind, aber auch echte Holzski Marke »Adler« sowie ein rotes »Simson«-Moped.
Für Menschen, die im Osten Deutschlands aufgewachsen sind, dürfte mindestens jedes zweite Objekt zu einem Auslöser für Geschichten werden. Die Besucher aus dem alten Westen staunen manchmal, wie bunt die Konsumgüterproduktion östlich der Elbe war. Mancher wird vielleicht in Gedanken den Inhalt der Carepakete, die er verschickte, noch einmal überprüfen.
Herzstück der Sonderausstellung sind aber mehrere Räume, die bis unter die Decke mit Spielsachen gefüllt sind: Plüschtiere jeder Art konkurrieren da mit Kästen aus »Pebe«-Bausteinen, dem Äquivalent zu »Lego«. Die älteren Serien waren sogar noch mit »Lego« kompatibel. Es sind Einrichtungsgegenstände für Puppenstuben und Kaufmannsläden zu sehen, etwa Spielzeugtresore und Spielzeugwaschmaschinen aus Plastik. Aus der Welt der Indianer- und Cowboyfiguren sind auf den ersten Blick nur das Sheriff-Haus und das Gefängnis zu erkennen.
Viel Raum nehmen die diversen Autos und Traktoren ein. Die Produktpalette für Kinder schien größer zu sein als die für Erwachsene, denen nur wenige Typen und Marken zur Verfügung standen – holde Kindheit also.
Vor allem für Bastler interessant sind auch die Modellbausätze für Schiffe und Flugzeuge, Hubschrauber und Panzer. Ein Bausatz für den T54Panzer wird gar damit beworben, der »beste mittelschwere Panzer der Gegenwart« zu sein, das Ganze im Verhältnis 1:25 und dazu »mit elektromechanischem Antrieb und Kabelfernsteuerung«. Kein Wunder, dass der Berufswunsch Panzerfahrer in zahlreichen Kinderherzen geweckt wurde.
Der größte Hingucker der Sammlung ist allerdings eine zusammengebaute Weltraumrakete der Serie »Planet Orbital 1« – heutzutage ein beliebtes Objekt in Vintage-Sammlerkreisen.
Das Beste an der Ausstellung ist aber, dass die Spielzeuge auch zum Spielen und die Bausätze zum Zusammenbauen sind. Platz ist dort ausreichend. Und eine Regalwand mit Objekten und Kommentaren einzelner Besucher deutet darauf hin, dass das Angebot rege angenommen wird. Unweit der erwähnten Rakete findet sich etwa die Bemerkung eines Sohnes: »Papa, ihr hattet aber auch cooles Spielzeug!«
Das Dokumentationszentrum für Alltagskultur leistet also aktive Arbeit an der Entgrauung der DDR-Zeit. Man spottete zwar über Plaste & Elaste, manches Produkt wirkt im Rückblick aber gar nicht so provinziell.
Und angesichts der Bastelecken in der Spielzeugabteilung wünscht man sich Ähnliches für die echte »Simson«: auseinanderbauen, Teile ölen, gut, auch den Zylinder aufbohren für stärkere Leistung, und das Ganze dann zusammensetzen – in Anbetracht des heutzutage üblichen Verschweißens, Vernietens und Unzugänglichmachens des Innenlebens vieler Konsumgüter hätte das Retroreparieren sogar Kultpotenzial. Der Konsument wird wieder mündig.
Auch ein Besuch der gegenüberliegenden Dauerausstellung lohnt sich. Sie wird mit einem spektakulären Objekt eröffnet: dem silbrigen Asbestanzug eines Stahlwerkers. Fast raumfahrttauglich wirkt das Objekt auf den ersten Blick.
Bei aller Freude über die umfangreiche Sammlung – Sammlungsgeber waren etwa 2000 Einzelpersonen und Institutionen – kommt einem aber auch schnell der Grund für die Größe in den Sinn: Erfolgreich war das Zu- sammentragen vor allem, weil ab 1990 viele Büros und Kinderzimmer, Wohnstuben und Vereinslokale flugs entleert wurden, um Platz zu schaffen für das Neue, das Buntere, das Zeug aus der Westfernsehwerbung eben. Bis heute reißt der Strom der Gaben übrigens nicht ab. Das Zentrum will jetzt aber Lücken im Bestand füllen.
Mehrfachexemplare beliebterer Stücke werden für partizipative Zwecke genutzt, etwa für Spiel- und Bastelecken im Ausstellungskontext oder als Ausleihware für Kultur- und Bildungsinstitutionen. Gut also, dass das Haus, dessen Bestehen vor einigen Jahren noch bedroht war, weiter existiert. Es kann mehr leisten, als nur Nostalgie zu kultivieren.
»10 000 Kubikmeter Alltag. Erkundung einer Sammlung«, bis 3. März 2019, Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR, Eisenhüttenstadt.
Hier wird aktive Arbeit an der Entgrauung der DDR-Zeit geleistet.