Nur mit Kohleausstieg
Umweltbewegung drängt Regierung, nicht auch das Klimaziel für 2030 in den Sand zu setzen
Deutschland reißt sein Klimaziel 2020. Und was ist mit 2030?
Dass Deutschland seine Klimaziele für das aktuelle Jahrzehnt nicht schafft, gilt als sicher. Umweltschützer fordern nun eine geeignete Strategie bis 2030. Während die Kohlekommission am Donnerstag im Bundeswirtschaftsministerium ihre zweitägigen entscheidenden Verhandlungen über Regeln für einen Kohleausstieg begann, machte die Klimabewegung mobil. Mitglieder des Aktionsbündnisses Ende Gelände besetzten kurzerhand die Zentrale des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft in Berlin. Und die Klimaallianz, ein Zusammenschluss aus mehr als 60 Umweltorganisationen, präsentierte auf 56 Seiten einen Katalog mit Forderungen an die Bundesregierung.
Den Umweltschützern zufolge handelt es sich um Maßnahmen, mit denen Deutschland sein Klimaziel für das kommende Jahrzehnt erreichen könnte. Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um 55 Prozent reduziert werden. »Wir brauchen an vielen Stellschrauben grundlegende Veränderung«, sagte Michael Schäfer vom WWF.
Die Umweltschützer verlangen einen raschen Kohleausstieg, eine schnelle Verkehrs- und Agrarwende sowie eine CO2-Bepreisung, die die realen Kosten des Klimawandels widerspiegelt. Ziele und Grenzwerte sollten in einem Klimaschutzgesetz verankert werden. Ein solches plant die Bundesregierung bereits. Was am Ende zähle, sei aber die konkrete Umsetzung der Maßnahmen, so Schäfer. Deshalb sollten die ältesten und dreckigsten Kraftwerke schnellstmöglich vom Netz gehen. Um den Strukturwandel sozialverträglich zu gestalten, fordern die Akteure unbürokratische Hilfen für Betroffene. Außerdem dürfe die Bundesregierung den Ausbau der Erneuerbaren nicht weiter ausbremsen. Auch sollten Strom- und Energiesteuern überarbeitet werden. Die Klimaallianz plädiert zudem für eine deutliche Reduzierung der Tierbestände und des Fleischkonsums. Ferner soll der Stickstoffeinsatz in der Landwirtschaft reduziert, CO2-Senken geschützt und reaktiviert werden. Zentral für die Verkehrswende seien ambitionierte CO2-Grenzwerte, so Gerd Lottsiepen vom Verkehrsclub Deutschland. Außerdem müsse man ein Ausstiegsdatum für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren beschließen. Laut Schäfer gibt es dafür Rückhalt aus der Gesellschaft. »Die Menschen wählen Klimaschutz«, sagte er im Hinblick auf die Landtagswahlen in Bayern und Hessen, bei denen die Grünen einen Höhenflug erlebten.
Antje von Broock vom BUND wies darauf hin, dass Deutschland sein Klimaziel für 2020 »drastisch verfehlen« werde. Eigentlich hat die Bundesregierung versprochen, bis dahin den CO2-Ausstoß gegenüber 1990 um 40 Prozent zu reduzieren – es werden aber wohl acht Prozentpunkte fehlen. Dies haben schon viele Berechnungen gezeigt, aktuell auch der Entwurf des neuen Klimaschutzberichtes der Bundesregierung, der dem »nd« vorliegt. Mehr oder weniger als Ausfall muss man demnach den Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz, die Strategie »Klimafreundliches Bauen und Wohnen« sowie die Maßnahmen im Verkehrssektor betrachten.
Selbst die groß als Klimaschutz verkaufte »Sicherheitsbereitschaft« von 2700 Megawatt Braunkohleleistung wird nicht die einst versprochenen 12,5 Millionen, sondern lediglich 11,5 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Als einen Grund dafür nennt der Bericht die »Anzahl der sich im Betrieb befindenden Steinkohlekraftwerke«. Anders gesagt: Für die sehr schmutzige Braunkohle springt im Strommarkt oftmals die kaum weniger schmutzige Steinkohle ein und verhindert so nennenswerte Einsparungen bei den Treibhausgasemissionen. Mit ein paar zusätzlichen Einsparungen kann die Bundesrepublik bis 2020 auch noch rechnen – allerdings nur, weil die Preise der Zertifikate im EU-Emissionshandel steigen.