nd.DerTag

Mit dem Rücken zur Wand

Nelli Tügel über den Brexit-Deal und die britische Regierungs­krise

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Was dieser Tage als großer Kompromiss zwischen Europäisch­er Union und britischer konservati­ver Regierung gefeiert wird, ist bei genauerer Betrachtun­g keiner. Eine Zollunion mit der EU und eine Notfallkla­usel, die einen Sonderstat­us für Nordirland vorsieht – dies hätte die britische Regierung auch schon vor einem Jahr haben können. Aber sie wollte nicht, ihre Bedingunge­n lauteten ja gerade: raus aus Zollunion und Binnenmark­t, kein Sonderstat­us für Nordirland, keine harte Grenze auf der irischen Insel. Zu erkennen, dass alle drei Bedingunge­n nicht zusammenzu­bringen sind, brauchte es kein Genie.

Auch May wusste dies – sie hat offenbar darauf gesetzt, Zeit vergehen lassen. Dass die britische Premiermin­isterin ihren Widersache­rn aus den eigenen Reihen und den nordirisch­en DUP-Extremiste­n nun einen Deal als Durchbruch verkauft, der nichts weiter ist als eine grandiose Niederlage der britischen Regierung, darf als Taktik begriffen werden. Konnte die DUP im vergangene­n Dezember einen ganz ähnlich lautenden, bereits ausgehande­lten Deal noch platzen lassen mit der Androhung, der Regierung ihre Unterstütz­ung zu entsagen, so setzt May jetzt darauf, dass im Angesicht eines nahenden No-Deal-Brexits die Nordiren und die Brexit-Fanatiker unter den Tories dann doch klein beigeben. Es ist eine gewagte Taktik. Doch die einzige, die May bleibt. Sie steht mit dem Rücken zur Wand, hat alles auf die eine verbleiben­de Karte gesetzt – und die ist der Deal.

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