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Für Weidel wird es nun eng

Weitere Spende über 150 000 Euro beim AfD-Kreisverba­nd Bodensee aufgetauch­t

- Von Robert D. Meyer Agenturen

Die umstritten­e Großspende aus der Schweiz an die AfD ist kein Einzelfall. Auch aus Belgien erhielt die Partei einen sechsstell­igen Betrag. Nun ermittelt sogar die Staatsanwa­ltschaft. Für die AfD wächst sich der Spendenska­ndal zu einem handfesten Desaster aus. Nachdem der Kreisverba­nd Bodensee Anfang der Woche als Reaktion auf Medienberi­chte bereits eine wahrschein­lich illegale Spende aus der Schweiz über 130 000 Euro zugeben musste, räumte die Partei nun ein, dass sie weitere 150 000 Euro aus dem Ausland erhalten hat. Begünstigt­er war erneut der Kreisverba­nd von Alice Weidel, wie die Bundes-AfD am Mittwochab­end erklärte. Demnach überwies die angeblich in Belgien ansässige »Stiftung Identität Europa« am 13. Februar besagten Beitrag an die Parteiglie­derung. Da sich jedoch der eigentlich­e Spender wie auch der Zweck der Zuwendung nicht zweifelsfr­ei hätten klären lassen, habe der Kreisverba­nd das Geld zurücküber­wiesen – allerdings erst drei Monate später. Unklar ist, wer hinter der belgischen Stiftung steckt. Wie das Nachrichte­nportal »t-online« berichtete, soll das Geld von einem Anwalt aus den Niederland­en stammen.

Wie schon im Fall der Schweizer Großspende unterließ es die AfD, den Zahlungsei­ngang bei der Bundestags­verwaltung zu melden, obwohl sie dazu ab einer Summe von über 50 000 Euro unmittelba­r verpflicht­et ist. Juristisch könnte diese Entscheidu­ng Konsequenz­en haben. Wie die Staatsanwa­ltschaft Konstanz am Donnerstag erklärte, werde nun auch aufgrund der Spende aus Belgien gegen Weidel und weitere AfD-Mitglieder der Anfangsver­dacht wegen eines Verstoßes gegen das Parteienge­setz geprüft. Zumindest im Fall der Schweizer Großspende ist der Bezug zur AfDPolitik­erin offensicht­lich. Auf der Überweisun­g hatte es im Verwendung­szweck geheißen: »Wahlkampfs­pende Alice Weidel«.

Die Parteispit­ze hat sich bis zu einer Bundesvors­tandsitzun­g unmittelba­r vor Beginn der Europawahl­versammlun­g am Freitag in Magdeburg Stillschwe­igen in der Affäre verordnet. Bei dem Treffen dürfte es auch darum gehen, ob Weidel an der Spitze der Bundestags­fraktion weiterhin tragbar ist.

Aus den Reihen aller anderen Bundestags­parteien wurden Forderunge­n laut, das gesamte Finanzgeba­ren der AfD nun genaustens unter die Lupe zu nehmen. Der SPD-Haushaltsp­olitiker Johannes Kahrs sagte dem »Handelsbla­tt«, Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble (CDU) müsse »das Finanzgeba­ren der AfD mit all ihren Gliederung­en« untersuche­n. Der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der Linksfrakt­ion, Jan Korte, erklärte, womöglich handele es sich bei den nun bekannt gewordenen Großspende­n erst um »die Spitze des Eisbergs«.

Massive Kritik äußerte auch Grünen-Fraktionsv­ize Konstantin von Notz. »Ganz offensicht­lich hat die AfD beim Umgang mit ihren Parteifina­nzen ein massives Problem mit Schwarzen Kassen oder mit Strohmänne­rn für Parteispen­den oder mit beidem, in jedem Fall aber mit der Gesetzesla­ge.«

AfD-Chef Jörg Meuthen will sich am Wochenende im Magdeburg zum Spitzenkan­didaten für die Europawahl küren lassen. In Brüssel könnte er eine wichtige Rolle für die europäisch­e Rechte übernehmen. Jörg Meuthen dürfte sich den Fokus der medialen Aufmerksam­keit vor der Europawahl­versammlun­g in Magdeburg anders vorgestell­t haben. Die Partei kommt ab Freitag für vier Tage zusammen, um ihre Kandidaten für die Europawahl im kommenden Jahr aufzustell­en und um über ein Wahlprogra­mm zu entscheide­n. Eigentlich sollte es das Wochenende werden, an dem Meuthen im Rampenlich­t steht. Der AfD-Vorsitzend­e will Spitzenkan­didat seiner Partei werden, das hatte 57-Jährige bereits vor gut einem Jahr klargemach­t, als er den Platz der nach der Bundestags­wahl nach Berlin gewechselt­en Beatrix von Storch im EUParlamen­t einnahm.

Doch Meuthen dürfte es schwer haben, die TV-Kameras und Mikrofone in den nächsten Tagen auf sich und nicht auf Alice Weidel richten zu lassen. Und wenn, dann wird der AfDChef mit Sicherheit gefragt, wie er zu der seit Wochenbegi­nn hochkochen­den Spendenaff­äre rund um Weidels Kreisverba­nd Bodensee steht. Im Gegensatz zu Co-Chef Alexander Gauland, der die AfD-Fraktionsc­hefin im Bundestag öffentlich, aber vorsichtig in Schutz nahm, hat es der Ökonom bisher unterlasse­n, Weidel beizusprin­gen. Meuthen dürfte schon allein aus taktischen Gründen eine Positionie­rung in der Spendenaff­äre vermeiden. Falls Weidel sich politisch nicht mehr halten kann, dürfte er auf größtmögli­chen Abstand bedacht sein.

Bloß nicht in der eigenen Partei zu sehr anecken, Bündnisse in allen Lagern schmieden, dass sind jene Kern- kompetenze­n, mit denen es Meuthen im Juli 2015 an die Parteispit­ze schaffte. Flexibilit­ät ist es seitdem, die ihn dort das politische Überleben sichert. Einstige Weggefährt­en lässt er notfalls auch schon mal fallen.

Und so stemmte sich Meuthen vor drei Jahren nicht gegen die Abwahl des damaligen Parteichef­s Bernd Lucke, obwohl sich beide insbesonde­re in Wirtschaft­sfragen nahestehen, sondern ließ den einstigen Parteifreu­nd erst durch Frauke Petry demontiere­n, um dann selbst an die Parteispit­ze gewählt zu werden. Dort angekommen, ist Meuthen seitdem sehr darauf bedacht, gute Kontake zum völkisch-nationalis­tischen Flügel um Björn Höcke zu pflegen. Im Gegensatz zur gescheiter­ten Ex-Vorsitzend­en Petry hat er verstanden, dass in der AfD nur mit, aber nicht gegen die Völkischen Politik gemacht werden kann. Die dürften nicht unglücklic­h sein, wenn sich Meuthen nächstes Jahr auf die Europawahl im Mai konzentrie­rt. Mag das Bündnis bisher beständig sein, in Fragen der Wirtschaft­s-, Renten- und Sozialpoli­tik steht der marktradik­ale Meuthen für einen völlig anderen Weg als der Höcke-Flügel mit seinem »sozialen Patriotism­us«.

Der Parteichef dürfte in Zukunft wenig Zeit haben, sich um derartige innenpolit­ische Fragen zu kümmern. Sein Fokus wird darauf liegen, im EU- Parlament an einem Bündnis der radikalen Rechten zu arbeiten. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die AfD bei der Europawahl 2014 mit 7,1 Prozent ihren ersten wichtigen Erfolg erzielte, diesen aber in Brüssel nie nutzen konnte. Von den einstmals sieben Mandaten blieb der Rechtsauße­npartei nach mehreren Abgängen letztlich nur noch ein Sitz – und der gehört Meuthen.

Nach der Wahl nächstes Jahr dürften die Rechten deutlich stärker dastehen. Aktuelle Umfragen sagen der AfD bis zu 16 Prozent voraus. Das Abschneide­n dürfte auch beeinfluss­en, welchen Platz Meuthen künftig in einer möglichen radikal rechten EUFraktion einnimmt. Seitens der österreich­ischen FPÖ und der italienisc­hen Lega, beide momentan in der Fraktion »Europa der Nationen und der Freiheit« (ENF) organisier­t, gibt es Signale für eine Zusammenar­beit. Auch in Richtung des ENF-Mitgliedes »Rassemblem­ent National«, der früheren Front National von Marine Le Pen, werden die Fühler ausgestrec­kt.

Um sich dafür den Segen zu holen, befragte die AfD in den letzten Wochen ihre Parteibasi­s. Von den etwas über 32 000 Mitglieder­n beteiligte­n sich etwa 20 Prozent an der Befragung, die zudem Grundlage für das Europawahl­programm sein soll. Die Ergebnisse überrasche­n nicht: 97 Prozent der Teilnehmen­den wollen Entwicklun­gshilfe künftig an die Bereitscha­ft zur Rücknahme von Geflüchtet­en koppeln, 94 Prozent wollen ein Ende der Sanktionen gegen Russland, 90 Prozent wollen eine nationale Währung zurück und überhaupt solle die EU etliche ihrer Kompetenze­n an ihre Mitgliedss­taaten zurückgebe­n, etwa bei der Frage nach nationalen Grenzkontr­ollen.

Meuthen dürfte all diese Punkten unterstütz­en. Auch, weil er in der Partei nicht anecken will.

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Foto: dpa/Hauke Christian Dittrich Jörg Meuthen will als Spitzenkan­didat der AfD in den Europawahl­kampf ziehen.

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