Für Weidel wird es nun eng
Weitere Spende über 150 000 Euro beim AfD-Kreisverband Bodensee aufgetaucht
Die umstrittene Großspende aus der Schweiz an die AfD ist kein Einzelfall. Auch aus Belgien erhielt die Partei einen sechsstelligen Betrag. Nun ermittelt sogar die Staatsanwaltschaft. Für die AfD wächst sich der Spendenskandal zu einem handfesten Desaster aus. Nachdem der Kreisverband Bodensee Anfang der Woche als Reaktion auf Medienberichte bereits eine wahrscheinlich illegale Spende aus der Schweiz über 130 000 Euro zugeben musste, räumte die Partei nun ein, dass sie weitere 150 000 Euro aus dem Ausland erhalten hat. Begünstigter war erneut der Kreisverband von Alice Weidel, wie die Bundes-AfD am Mittwochabend erklärte. Demnach überwies die angeblich in Belgien ansässige »Stiftung Identität Europa« am 13. Februar besagten Beitrag an die Parteigliederung. Da sich jedoch der eigentliche Spender wie auch der Zweck der Zuwendung nicht zweifelsfrei hätten klären lassen, habe der Kreisverband das Geld zurücküberwiesen – allerdings erst drei Monate später. Unklar ist, wer hinter der belgischen Stiftung steckt. Wie das Nachrichtenportal »t-online« berichtete, soll das Geld von einem Anwalt aus den Niederlanden stammen.
Wie schon im Fall der Schweizer Großspende unterließ es die AfD, den Zahlungseingang bei der Bundestagsverwaltung zu melden, obwohl sie dazu ab einer Summe von über 50 000 Euro unmittelbar verpflichtet ist. Juristisch könnte diese Entscheidung Konsequenzen haben. Wie die Staatsanwaltschaft Konstanz am Donnerstag erklärte, werde nun auch aufgrund der Spende aus Belgien gegen Weidel und weitere AfD-Mitglieder der Anfangsverdacht wegen eines Verstoßes gegen das Parteiengesetz geprüft. Zumindest im Fall der Schweizer Großspende ist der Bezug zur AfDPolitikerin offensichtlich. Auf der Überweisung hatte es im Verwendungszweck geheißen: »Wahlkampfspende Alice Weidel«.
Die Parteispitze hat sich bis zu einer Bundesvorstandsitzung unmittelbar vor Beginn der Europawahlversammlung am Freitag in Magdeburg Stillschweigen in der Affäre verordnet. Bei dem Treffen dürfte es auch darum gehen, ob Weidel an der Spitze der Bundestagsfraktion weiterhin tragbar ist.
Aus den Reihen aller anderen Bundestagsparteien wurden Forderungen laut, das gesamte Finanzgebaren der AfD nun genaustens unter die Lupe zu nehmen. Der SPD-Haushaltspolitiker Johannes Kahrs sagte dem »Handelsblatt«, Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) müsse »das Finanzgebaren der AfD mit all ihren Gliederungen« untersuchen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte, erklärte, womöglich handele es sich bei den nun bekannt gewordenen Großspenden erst um »die Spitze des Eisbergs«.
Massive Kritik äußerte auch Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz. »Ganz offensichtlich hat die AfD beim Umgang mit ihren Parteifinanzen ein massives Problem mit Schwarzen Kassen oder mit Strohmännern für Parteispenden oder mit beidem, in jedem Fall aber mit der Gesetzeslage.«
AfD-Chef Jörg Meuthen will sich am Wochenende im Magdeburg zum Spitzenkandidaten für die Europawahl küren lassen. In Brüssel könnte er eine wichtige Rolle für die europäische Rechte übernehmen. Jörg Meuthen dürfte sich den Fokus der medialen Aufmerksamkeit vor der Europawahlversammlung in Magdeburg anders vorgestellt haben. Die Partei kommt ab Freitag für vier Tage zusammen, um ihre Kandidaten für die Europawahl im kommenden Jahr aufzustellen und um über ein Wahlprogramm zu entscheiden. Eigentlich sollte es das Wochenende werden, an dem Meuthen im Rampenlicht steht. Der AfD-Vorsitzende will Spitzenkandidat seiner Partei werden, das hatte 57-Jährige bereits vor gut einem Jahr klargemacht, als er den Platz der nach der Bundestagswahl nach Berlin gewechselten Beatrix von Storch im EUParlament einnahm.
Doch Meuthen dürfte es schwer haben, die TV-Kameras und Mikrofone in den nächsten Tagen auf sich und nicht auf Alice Weidel richten zu lassen. Und wenn, dann wird der AfDChef mit Sicherheit gefragt, wie er zu der seit Wochenbeginn hochkochenden Spendenaffäre rund um Weidels Kreisverband Bodensee steht. Im Gegensatz zu Co-Chef Alexander Gauland, der die AfD-Fraktionschefin im Bundestag öffentlich, aber vorsichtig in Schutz nahm, hat es der Ökonom bisher unterlassen, Weidel beizuspringen. Meuthen dürfte schon allein aus taktischen Gründen eine Positionierung in der Spendenaffäre vermeiden. Falls Weidel sich politisch nicht mehr halten kann, dürfte er auf größtmöglichen Abstand bedacht sein.
Bloß nicht in der eigenen Partei zu sehr anecken, Bündnisse in allen Lagern schmieden, dass sind jene Kern- kompetenzen, mit denen es Meuthen im Juli 2015 an die Parteispitze schaffte. Flexibilität ist es seitdem, die ihn dort das politische Überleben sichert. Einstige Weggefährten lässt er notfalls auch schon mal fallen.
Und so stemmte sich Meuthen vor drei Jahren nicht gegen die Abwahl des damaligen Parteichefs Bernd Lucke, obwohl sich beide insbesondere in Wirtschaftsfragen nahestehen, sondern ließ den einstigen Parteifreund erst durch Frauke Petry demontieren, um dann selbst an die Parteispitze gewählt zu werden. Dort angekommen, ist Meuthen seitdem sehr darauf bedacht, gute Kontake zum völkisch-nationalistischen Flügel um Björn Höcke zu pflegen. Im Gegensatz zur gescheiterten Ex-Vorsitzenden Petry hat er verstanden, dass in der AfD nur mit, aber nicht gegen die Völkischen Politik gemacht werden kann. Die dürften nicht unglücklich sein, wenn sich Meuthen nächstes Jahr auf die Europawahl im Mai konzentriert. Mag das Bündnis bisher beständig sein, in Fragen der Wirtschafts-, Renten- und Sozialpolitik steht der marktradikale Meuthen für einen völlig anderen Weg als der Höcke-Flügel mit seinem »sozialen Patriotismus«.
Der Parteichef dürfte in Zukunft wenig Zeit haben, sich um derartige innenpolitische Fragen zu kümmern. Sein Fokus wird darauf liegen, im EU- Parlament an einem Bündnis der radikalen Rechten zu arbeiten. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die AfD bei der Europawahl 2014 mit 7,1 Prozent ihren ersten wichtigen Erfolg erzielte, diesen aber in Brüssel nie nutzen konnte. Von den einstmals sieben Mandaten blieb der Rechtsaußenpartei nach mehreren Abgängen letztlich nur noch ein Sitz – und der gehört Meuthen.
Nach der Wahl nächstes Jahr dürften die Rechten deutlich stärker dastehen. Aktuelle Umfragen sagen der AfD bis zu 16 Prozent voraus. Das Abschneiden dürfte auch beeinflussen, welchen Platz Meuthen künftig in einer möglichen radikal rechten EUFraktion einnimmt. Seitens der österreichischen FPÖ und der italienischen Lega, beide momentan in der Fraktion »Europa der Nationen und der Freiheit« (ENF) organisiert, gibt es Signale für eine Zusammenarbeit. Auch in Richtung des ENF-Mitgliedes »Rassemblement National«, der früheren Front National von Marine Le Pen, werden die Fühler ausgestreckt.
Um sich dafür den Segen zu holen, befragte die AfD in den letzten Wochen ihre Parteibasis. Von den etwas über 32 000 Mitgliedern beteiligten sich etwa 20 Prozent an der Befragung, die zudem Grundlage für das Europawahlprogramm sein soll. Die Ergebnisse überraschen nicht: 97 Prozent der Teilnehmenden wollen Entwicklungshilfe künftig an die Bereitschaft zur Rücknahme von Geflüchteten koppeln, 94 Prozent wollen ein Ende der Sanktionen gegen Russland, 90 Prozent wollen eine nationale Währung zurück und überhaupt solle die EU etliche ihrer Kompetenzen an ihre Mitgliedsstaaten zurückgeben, etwa bei der Frage nach nationalen Grenzkontrollen.
Meuthen dürfte all diese Punkten unterstützen. Auch, weil er in der Partei nicht anecken will.