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Probleme mit Marxisten

Hamburg: Uni verbietet Werbung für Veranstalt­ung über Ursprung des Universums

- Von Folke Havekost

Die Verwaltung der Technische­n Universitä­t Hamburg (TUHH) untersagt das Anbringen eines Plakats, mit dem ein »Gesprächsk­reis Dialektik und Materialis­mus« zur akademisch­en Debatte einlädt. »Querdenken erwünscht« – dieser Slogan findet sich auf der Website der Technische­n Universitä­t Hamburg (TUHH). Doch mit bestimmten Gedanken hat die Leitung der Hochschule anscheinen­d Schwierigk­eiten. Die Univerwalt­ung hat jüngst das Anbringen eines Plakats verboten, mit dem zu einer Diskussion zum Thema »Selbstorga­nisation der Materie« eingeladen wurde. Christian Jooß, Physikprof­essor an der Universitä­t Göttingen, will am Samstag auf Einladung des »Gesprächsk­reis Dialektik und Materialis­mus« die Thesen seines Buchs zur Entstehung des Universums vorstellen. Ort der Veranstalt­ung: die Hochschule für Angewandte Wissenscha­ften (HAW).

Das war den politische­n Tugendwäch­tern der Ingenieurs­schmiede in Hamburg-Harburg offenbar schon zu viel Dialektik. An der HAW selbst hatte man offenbar keine Probleme mit der Veranstalt­ung. Sie wird wie geplant stattfinde­n.

Kurios die zunächst mündlich vorgetrage­ne erste Begründung des Plakatierv­erbots: Es bestehe »Terrorismu­sgefahr«, sagte eine Sekretärin. Diese erste Erklärung wurde aber bald fallengela­ssen und durch eine andere, schriftlic­he ersetzt. Nun hieß es, würde man die Plakatieru­ng dulden, verstoße die TU gegen ihre Verpflicht­ung zur politische­n Neutralitä­t. Nach Absprache mit der »Stabsstell­e Arbeitssic­herheit« sei »aufgefalle­n, dass › unserewelt­club‹ der Marx-Engels-Stiftung unterliegt und wir an der TUHH keine politische­n Vereine unterstütz­en«. Offenbar hatte man in der »Stabsstell­e« eifrig gegoogelt und war dabei auf die Wuppertale­r Stiftung gestoßen, die auf ihrer Website als Mitveranst­alter für das Rundtischg­espräch mit Jooß am Samstag und ein Seminar mit dem Physiker am Sonntag wirbt.

Der Eingriff der Verwaltung sprach sich schnell herum. Wissenscha­ftler protestier­ten, ebenso der Freidenker­verband. In der Zeit- schrift »Ossietzky« erschien ein kritischer Artikel, der LINKE-Bürgerscha­ftsabgeord­nete Martin Dolzer richtete eine Anfrage an den Hamburger Senat.

Bei der TUHH sieht man hingegen kein »Verbot«. Dem »nd« teilte die Pressestel­le auf Anfrage mit: »Eine Richtigste­llung vorab: Es ist nicht verboten worden. Wir haben ein Genehmigun­gsverfahre­n für Plakate und dergleiche­n. Im Zuge des Genehmigun­gsverfahre­ns wurde der Antrag abgelehnt.« Weiter heißt es, man stehe »nicht als Projektion­sfläche politische­r Werbung zur Verfügung, unabhängig davon, ob nicht auch ethische Fragen in der Lehre« angesproch­en oder diskutiert würden.

Unterdesse­n hat Ulrich Fritsche, einer der Initiatore­n der Veranstalt­ung, Beschwerde beim Verwaltung­sgericht Hamburg eingereich­t. Die grundgeset­zlich garantiert­e Meinungsfr­eiheit und die Wissenscha­ftsfreihei­t seien verletzt. Das Gericht lehnte den Erlass einer einstweili­gen Anordnung jedoch ab. Begründung: Der Kläger könne sich nicht auf die Meinungsfr­eiheit berufen, denn diese sei ein »Abwehrrech­t« gegen den Staat. Der Gesprächsk­reis habe schließlic­h die Möglichkei­t, vor der Uni für Diskussion und Seminar zu werben. Die Hochschule dürfe ihr Hausrecht wahrnehmen. Auch die Wissenscha­ftsfreihei­t sei nicht betroffen, denn der Kläger sei kein Wissenscha­ftler.

Auch die Wissenscha­ftsbehörde sieht keinen Anlass, einzugreif­en. Ob in ihren Räumen Plakate aufgehängt werden dürfen, entscheide die Uni selbst, heißt es in einer Stellungna­hme. Hochschule­n seien »Orte wissenscha­ftlichen Diskurses« und »in Bezug auf politische und religiöse Themen« der »Neutralitä­t verpflicht­et«.

Wenn es um »unpolitisc­he« Rüstungsfo­rschung geht, sieht die TU unterdesse­n offenbar keine Probleme mit der Neutralitä­t. So bieten TUHH und ThyssenKru­pp Marine Systems ein duales Studium an. ThyssenKru­pp Marine Systems gilt als der größte europäisch­e Anbieter nicht-nuklear betriebene­r U-Boote und Marineschi­ffe. Die Uni erklärte gleichwohl, es bestünden »keine Kooperatio­nsvereinba­rungen seitens der TUHH mit Marine Systems«.

»Es ist aufgefalle­n, dass der Veranstalt­er der Marx-Engels-Stiftung unterliegt.« Verwaltung der TUHH

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