Neue Runde im Streit um die Bucht von Piran
Slowenien hofft nun auf den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg
Die Auseinandersetzung um die Bucht von Piran, die das kroatischslowenische Verhältnis seit Jahren trübt, geht weiter: Slowenien hat den ungeliebten Nachbarn beim Europäischen Gerichtshof verklagt. Zwar hatte ein internationales Schiedsgericht im Juni den umstrittenen Verlauf der Seegrenzen neu geregelt – Slowenien bekam dadurch Zugang zu internationalen Gewässern und die Fischereirechte für den größeren Teil des AdriaRandgewässers. Doch Kroatien fühlte sich übervorteilt, erkennt das Urteil nicht an und hatte sich zudem schon 2015 offiziell aus dem Schiedsverfahren ausgeklinkt. Begründung: Das Außenministerium in Ljubljana und Sloweniens Vertreter beim Schiedsgericht hätten vereinbart, die anderen Schiedsrichter so zu beeinflussen, dass sie die slowenische Position übernehmen. Ein befreundeter Geheimdienst hatte diesbezügliche Erkenntnisse an die Regierung in Zagreb weitergereicht.
Zwar zog Slowenien personelle Konsequenzen. Doch für Kroatien, das sich auf ein Schiedsverfahren ohnehin nur eingelassen hatte, um Sloweniens Veto gegen einen EU-Bei- tritt zu überwinden, war der Skandal willkommener Anlass, die Reißleine zu ziehen. Der Rechtsstreit um die Bucht von Piran, so seither das Narrativ in Zagreb, müsse vor einem ordentlichen internationalen Gerichtshof verhandelt werden. Dieser urteile allein nach dem Völkerrecht, während Schiedsgerichte vor allem um Interessenausgleich bemüht sind.
Slowenien besteht dennoch auf Vollzug des Schiedsspruchs und sieht EU-Recht durch Kroatiens Missachtung gleich in mehreren Punkten verletzt. Darunter das Rechtstaatlichkeitsprinzip und eine Klausel aus den Europäischen Verträgen, die die Mitglieder zu »loyaler Zusammenarbeit« verpflichtet.
Eine offizielle Stellungnahme der Regierung in Zagreb zu der Klage Sloweniens steht noch aus. Sie werde sorgfältig vorbereitet und werde Sloweniens Argumentation ad absurdum führen, hieß es im außenpolitischen Ausschuss des Sabor, des Parlaments. Dessen Vizevorsitzender Joško Klisović, ehemals stellvertretender Außenminister und jetzt Mandatsträger der oppositionellen Sozialdemokraten, sagte lokalen Medien zudem, der Europäische Gerichtshof sei nur für Verstöße gegen EU-Recht zuständig. Die von Slowenien dazu bemühten Argumente sei- en jedoch »an den Haaren herbeigezogen.« Ähnlich sieht das offenbar sogar der Gerichtspräsident selbst.
Der Belgier Koen Lenaerts hatte schon vor einigen Monaten bei Besuchen in Zagreb und in Ljubljana klar gemacht, dass es bereits bei der Zulassung der Klage Probleme geben könnte. Slowenien müsse sich daher auf andere Artikel der Europäischen Verträge berufen. Die dortige Regierung jedoch schlug diese Warnung in den Wind. Denn sie steht unter dem Druck der Nationalisten – ebenso wie ihre Amtskollegen in Zagreb.
Vor allem deshalb – glauben kritische Experten wie der Journalist Denis Romac, ein Intimkenner der slowenisch-kroatischen Beziehungen – könne sich Ministerpräsident Andrej Plenković nicht dazu aufraffen, den für Kroatien »gar nicht so schlechten«. Schiedsspruch zu akzeptierengen. Denn bei einem Schuldspruch des Europäischen Gerichtshofes würden auf das Land sehr hohe Geldstrafen zukommen.
In Zagreb hält man einschlägige Gefahren indes für begrenzt. Zwar hatten hauseigene Juristen der Europäischen Kommission in Brüssel deren Chef Jean-Claude Juncker geraten, Sloweniens Klage vor dem EG zu unterstützen. Doch der Luxem- burger folgte ihnen nicht. Die Europäische Kommission, so ein mit der Materie vertrauter Abgeordneter der regierenden Kroatischen Demokratischen Union, mische sich ungern in Händel der Mitgliedsstaaten ein und werde sich kurz vor den Europawahlen auf keinen Fall dazu hinreißen lassen.