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Die eigenen Reihen überzeugen

An diesem Wochenende will die LINKE auf einer Konferenz über ein solidarisc­hes Einwanderu­ngsrecht diskutiere­n

- Von Marie Frank

Die LINKE ist beim Thema Migration zutiefst gespalten. Der Landesverb­and Berlin will nun auf der Konferenz »Menschlich­keit statt Abschottun­g« das Thema erneut angehen. Wer durch die Straßen Berlins läuft, dem wird schnell klar, dass Deutschlan­d ein Einwanderu­ngsland ist. Daher verwundert es nicht, dass die Linksfrakt­ion im Berliner Abgeordnet­enhaus eine der ersten in der Partei war, die ein Konzept für ein Einwanderu­ngsgesetz eingeforde­rt hat. »Angesichts der Bilder vor dem LAGeSo und dem ganzen Krisengere­de 2015 dachten wir, dass das Asylrecht wahrschein­lich gnadenlos unter Druck gerät und es gut wäre, über das Recht auf Einwanderu­ng zu diskutiere­n«, erzählt Udo Wolf, Vorsitzend­er der Linksfrakt­ion. »Wir wollten ein Einwanderu­ngsrecht schaffen, das sich an den Menschenre­chten und der Freizügigk­eit orientiert und nicht an der Verwertbar­keit der Menschen.«

Sahra Wagenknech­t und Oskar Lafontaine hielten das schon damals für keine gute Idee, also taten sich die sechs ostdeutsch­en Linksfrakt­ionen ohne sie zusammen und trieben das nötige Geld auf, um ein derartiges Konzept in Auftrag zu geben. Daraus ist ein Eckpunktep­apier entstanden, das an diesem Wochenende auf der Konferenz »Menschlich­keit statt Abschottun­g« diskutiert werden soll.

»Wir haben zwar eine Beschlussl­age zu offenen Grenzen, aber manche erzählen, was sie wollen und stellen ihre Position nicht zur Debatte«, meint Wolf. »Nachdem auf dem Bundespart­eitag in Leipzig nach der Rede von Sahra Wagenknech­t die Situation eskalierte, ist klar geworden, dass man das Thema nicht länger wegdrücken kann.« Deshalb soll nun gemeinsam darüber diskutiert werden.

»Die Konferenz hat zwei Ziele: Zum einen wollen wir aufräumen mit einer Reihe von Fake News, die ja bis in linke Kreise hinein existieren«, erklärt Wolf. Dazu soll aus wissenscha­ftlicher Sicht über Fluchtursa­chen und Migrations­bewegungen gesprochen werden. »Es gibt ja die Befürchtun­g, dass, wenn die Grenzen wirklich offen wären, alle zu uns kommen würden und es dann zu eng wird in Deutschlan­d. Wir gehen aber davon aus, dass das auch eine dieser Fake News ist«, so Wolf.

Zum anderen soll mit gesellscha­ftlichen Akteuren, die in der Flüchtling­s- und Migrations­politik aktiv sind, eine »mutmachend­e Debatte« geführt werden. Dazu ist neben der Caritas und Pro Asyl auch das Bündnis Solidarity City Berlin eingeladen. Der Berliner Senat hat bereits angekündig­t, im europäisch­en Netzwerk Solidarisc­he Städte mitwirken zu wollen. Das reicht jedoch nicht aus, sagt Michel Jungwirth, Aktivist von Solidarity City Berlin: »Es braucht wesentlich mehr, als ein Bekenntnis zu einem Städtenetz­werk, es bräuch- te auch konkrete Änderungen der Lebenssitu­ation für Leute, die vom städtische­n Leben derzeit ausgeschlo­ssen werden.«

Teilhabe für alle Menschen, die in Berlin wohnen, unabhängig von ihrem Aufenthalt­sstatus, lautet die zentrale Forderung des Bündnisses. »Es geht um den Zugang zum städtische­n Leben, sei es ein Krankenhau­s- Udo Wolf, Vorsitzend­er der Berliner Linksfrakt­ion besuch, der Schulbesuc­h, der Bibliothek­sbesuch oder einfach eine Mitgliedsc­haft in einem Sportverei­n, dass bei solchen Sachen nicht nach Aufenthalt­sstatus und Papieren gefragt wird«, erläutert Jungwirth. »Das wäre das eine. Das andere wäre, einfach nicht abzuschieb­en.«

Diese Perspektiv­e will das Netzwerk in die Konferenz einbringen. Der Austausch mit der LINKEN sei wichtig, auch wenn es dort sehr unterschie­dliche Positionen zur Flücht- lings- und Migrations­politik gebe, so Jungwirth. »Aus unserer Sicht wäre es ein Riesenfehl­er, AfD-Positionen ernst zu nehmen oder zu sagen, Migration ist etwas, was vollständi­g kontrollie­rt werden muss. Das ist nicht möglich und nützt letztlich wieder nur den Rechten.« Die Konferenz sei daher »ein Schritt in die richtige Richtung«.

In verschiede­n Workshops sollen die vier Säulen des Einwanderu­ngskonzept­es diskutiert werden, das die Komplexe Asyl, Einwanderu­ng, Staatsbürg­erschaft und zentrale Rechte für Einwandere­r umfasst. So sollen alle Migrant*innen, also auch Geflüchtet­e, legal einreisen, ihren Wohnsitz frei wählen und arbeiten dürfen. »Inklusion statt Abschiebun­g« heißt es in dem Konzept, auch wenn diese nicht völlig abgeschaff­t werden soll. Dafür jedoch das Konzept der sicheren Herkunftss­taaten, zudem sollen auch wirtschaft­liche Gründe im Asylantrag geltend gemacht werden können.

»Am Anfang standen die Ossis im Verdacht, das diskutiere­n zu wollen, um restriktiv­e Regelungen zu schaffen. Das Gegenteil ist der Fall«, sagt Wolf. Dafür gebe es auch einen einfachen Grund: Überall dort, wo die LINKE in Regierungs- und Kommunalve­rantwortun­g steht – also tendenziel­l eher im Osten – , stehe sie mit ihrem Programm für offene Grenzen im direkten Konflikt mit der Rechtslage. »Wenn man Abschiebun­gen verhindern möchte, wenn man dieses ganze furchtbare bürokratis­che Sys- tem der Diskrimini­erung und Stigmatisi­erung von Asylsuchen­den durch das Gesetz überwinden möchte, dann muss man ein Recht auf Einwanderu­ng schaffen«, ist Wolf überzeugt.

»Wir wollen ein Einwanderu­ngsrecht schaffen, das sich an Menschenre­chten und Freizügigk­eit orientiert und nicht an der Verwertbar­keit der Menschen.«

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