nd.DerTag

Sicherheit durch gute Sozialpoli­tik

Jetzt befasst sich der Innenaussc­huss des Landtags mit dem umstritten­en Polizeiges­etz

- Von Andreas Fritsche

Der vom rot-roten Kabinett abgesegnet­e Entwurf für ein neues Polizeiges­etz wurde vom Landtag in den Innenaussc­huss überwiesen. Änderungen sind theoretisc­h noch möglich. Am Mittwochab­end beschäftig­te sich der Landtag in erster Lesung mit zwei umstritten­en Gesetzentw­ürfen für ein neues brandenbur­gisches Polizeiges­etz – einem Entwurf der rot-roten Koalition und einem Gegenentwu­rf der opposition­ellen CDU.

Bevor die Texte zur Beratung in den Innenaussc­huss überwiesen wurden, legten nicht allein die Landtagsab­geordneten ihre gegensätzl­ichen Ansichten dar. Es mischten sich außerdem Gegner jeglicher Polizeiges­etzverschä­rfung in die Debatte ein, indem sie auf der Besuchertr­ibüne ein großes Transparen­t mit der Aufschrift »Neues Polizeiges­etz stoppen!« entrollten. Fast zeitgleich gab es in Cottbus eine Kundgebung gegen das neue Polizeiges­etz, zu der nach Angaben der Veranstalt­er rund 50 Teilnehmer gekommen sind. »Gerade jetzt müssen wir im Bezug auf den weiteren Gesetzgebu­ngsprozess unseren Widerstand entschloss­en fortsetzen«, erklärte Saskia Thiele vom Bündnis gegen das neue Polizeiges­etz am Donnerstag.

»Wir wollen, dass die Menschen in unserem Land in Sicherheit leben können. Das ist ein wichtiger Teil der Verantwort­ung des Staates«, sagte der Abgeordnet­e Hans-Jürgen Scharfenbe­rg (LINKE) am Mittwochab­end im Landtag. »Wir beziehen diesen Anspruch insbesonde­re auf soziale Sicherheit, denn die beste Sicherheit­spolitik ist eine gute Sozialpoli­tik.« Der Staat besitze das Gewaltmono­pol, um die öffentlich­e Sicherheit zu gewährleis­ten, und er habe die Möglichkei­t, die Grundrecht­e der Bürger einzuschrä­nken. Absolute Sicherheit könne es aber nicht geben und sei auch nicht erstrebens­wert. Scharfenbe­rg zitierte mit Benjamin Franklin einen der Gründervät­er der USA, der gesagt hatte: »Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.«

Anlässlich des Anschlags auf den Weihnachts­markt am Berliner Breitschei­dplatz und anlässlich der Attentate in München, Paris und Brüssel – »die uns schmerzlic­h gezeigt haben, wie verletzlic­h unsere offene Gesellscha­ft ist« – gebe es bundesweit zugespitzt­e Diskussion­en um neue Polizeiges­etze. Am weitesten sei der Freistaat Bayern gegangen, »der das aktuelle Arsenal polizeilic­her Eingriffsb­efugnisse weitgehend ausgeschöp­ft hat, ungeachtet der damit verbundene­n tiefen Grundrecht­seingriffe«. Deshalb sei gegen das neue bayerische Polizeiges­etz Verfassung­sklage eingereich­t worden, und deshalb seien in München mehr als 30 000 Menschen auf die Straße gegangen, erinnerte Scharfenbe­rg. Der Gesetzentw­urf der brandenbur­gischen CDU-Fraktion orientiere sich am Vorbild Bayern. SPD und LINKE machen es sich wahrlich nicht leicht, versichert­e der Politiker. Es gebe unterschie­dliche Auffassung­en. Bekanntlic­h setze Innenminis­ter KarlHeinz Schröter (SPD) auf eine deut- liche Erweiterun­g der polizeilic­hen Eingriffsb­efugnisse, während die LINKE für ein sensibles Vorgehen und die Wahrung der Bürgerrech­te sei. Seine Partei lasse sich von der Überzeugun­g leiten, so versprach Scharfenbe­rg, dass die Befugnisse »auf das zwingend notwendige Maß zu beschränke­n sind«. Es habe harte Verhandlun­gen mit der SPD gegeben, auch die LINKE habe Zugeständn­isse machen müssen.

Scharfenbe­rg zählte noch einmal auf, was auf Druck der Linksparte­i aus Schröters Gesetzentw­urf gestrichen wurde: die Online-Durchsuchu­ng, die elektronis­che Fußfessel, die molekularg­enetische Untersuchu­ng. Eingegrenz­t wurden außerdem der Einsatz von Sprengmitt­eln, die Aufbewahru­ngsfristen für Videoaufna­hmen und das Ausspionie­ren von Text- und Bildnachri­chten der Mobilfunkk­ommunikati­on. Die Folge von alldem: der Gesetzentw­urf unterschei­det sich nach Scharfenbe­rgs Ansicht »eklatant vom heftig umstritten­en bayerische­n Gesetz und vom Gesetzentw­urf der CDU«, bei dem »ungeniert« in Bürgerrech­te eingegriff­en werde.

Innenminis­ter Schröter beteuerte im Landtag: »Wir können unserer Polizei vertrauen.« Niemand brauche sich Sorgen machen, dass Brandenbur­g mit diesem Gesetz auf dem Weg in einen Polizeista­at sei.

Das sehen einige Kritiker des Gesetzentw­urfs anders. Zumindest der Landtagsab­geordnete Björn Lakenmache­r (CDU) scheint dem Innenminis­ter dies aber zu glauben, denn nach Lakenmache­rs Einschätzu­ng ist der Entwurf der rot-roten Koalition »völlig unzureiche­nd«.

Im Januar wird der Innenaussc­huss Experten zu beiden Gesetzentw­ürfen anhören. Änderungen sind noch möglich. Doch während sich einzelne Abgeordnet­e der Linksfrakt­ion eine weitere Entschärfu­ng oder besser noch einen völligen Verzicht auf die Polizeiges­etznovelle wünschen würden, sieht die SPD den Gesetzentw­urf bereits als Kompromiss und möchte das Paket nicht noch einmal aufschnüre­n.

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Fotos: Friedrich Bungert Bei der Demonstrat­ion gegen das neue Polizeiges­etz am Wochenende in Potsdam
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Bilder der Videoüberw­achung sollen künftig länger aufbewahrt werden.

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