Sicherheit durch gute Sozialpolitik
Jetzt befasst sich der Innenausschuss des Landtags mit dem umstrittenen Polizeigesetz
Der vom rot-roten Kabinett abgesegnete Entwurf für ein neues Polizeigesetz wurde vom Landtag in den Innenausschuss überwiesen. Änderungen sind theoretisch noch möglich. Am Mittwochabend beschäftigte sich der Landtag in erster Lesung mit zwei umstrittenen Gesetzentwürfen für ein neues brandenburgisches Polizeigesetz – einem Entwurf der rot-roten Koalition und einem Gegenentwurf der oppositionellen CDU.
Bevor die Texte zur Beratung in den Innenausschuss überwiesen wurden, legten nicht allein die Landtagsabgeordneten ihre gegensätzlichen Ansichten dar. Es mischten sich außerdem Gegner jeglicher Polizeigesetzverschärfung in die Debatte ein, indem sie auf der Besuchertribüne ein großes Transparent mit der Aufschrift »Neues Polizeigesetz stoppen!« entrollten. Fast zeitgleich gab es in Cottbus eine Kundgebung gegen das neue Polizeigesetz, zu der nach Angaben der Veranstalter rund 50 Teilnehmer gekommen sind. »Gerade jetzt müssen wir im Bezug auf den weiteren Gesetzgebungsprozess unseren Widerstand entschlossen fortsetzen«, erklärte Saskia Thiele vom Bündnis gegen das neue Polizeigesetz am Donnerstag.
»Wir wollen, dass die Menschen in unserem Land in Sicherheit leben können. Das ist ein wichtiger Teil der Verantwortung des Staates«, sagte der Abgeordnete Hans-Jürgen Scharfenberg (LINKE) am Mittwochabend im Landtag. »Wir beziehen diesen Anspruch insbesondere auf soziale Sicherheit, denn die beste Sicherheitspolitik ist eine gute Sozialpolitik.« Der Staat besitze das Gewaltmonopol, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, und er habe die Möglichkeit, die Grundrechte der Bürger einzuschränken. Absolute Sicherheit könne es aber nicht geben und sei auch nicht erstrebenswert. Scharfenberg zitierte mit Benjamin Franklin einen der Gründerväter der USA, der gesagt hatte: »Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.«
Anlässlich des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz und anlässlich der Attentate in München, Paris und Brüssel – »die uns schmerzlich gezeigt haben, wie verletzlich unsere offene Gesellschaft ist« – gebe es bundesweit zugespitzte Diskussionen um neue Polizeigesetze. Am weitesten sei der Freistaat Bayern gegangen, »der das aktuelle Arsenal polizeilicher Eingriffsbefugnisse weitgehend ausgeschöpft hat, ungeachtet der damit verbundenen tiefen Grundrechtseingriffe«. Deshalb sei gegen das neue bayerische Polizeigesetz Verfassungsklage eingereicht worden, und deshalb seien in München mehr als 30 000 Menschen auf die Straße gegangen, erinnerte Scharfenberg. Der Gesetzentwurf der brandenburgischen CDU-Fraktion orientiere sich am Vorbild Bayern. SPD und LINKE machen es sich wahrlich nicht leicht, versicherte der Politiker. Es gebe unterschiedliche Auffassungen. Bekanntlich setze Innenminister KarlHeinz Schröter (SPD) auf eine deut- liche Erweiterung der polizeilichen Eingriffsbefugnisse, während die LINKE für ein sensibles Vorgehen und die Wahrung der Bürgerrechte sei. Seine Partei lasse sich von der Überzeugung leiten, so versprach Scharfenberg, dass die Befugnisse »auf das zwingend notwendige Maß zu beschränken sind«. Es habe harte Verhandlungen mit der SPD gegeben, auch die LINKE habe Zugeständnisse machen müssen.
Scharfenberg zählte noch einmal auf, was auf Druck der Linkspartei aus Schröters Gesetzentwurf gestrichen wurde: die Online-Durchsuchung, die elektronische Fußfessel, die molekulargenetische Untersuchung. Eingegrenzt wurden außerdem der Einsatz von Sprengmitteln, die Aufbewahrungsfristen für Videoaufnahmen und das Ausspionieren von Text- und Bildnachrichten der Mobilfunkkommunikation. Die Folge von alldem: der Gesetzentwurf unterscheidet sich nach Scharfenbergs Ansicht »eklatant vom heftig umstrittenen bayerischen Gesetz und vom Gesetzentwurf der CDU«, bei dem »ungeniert« in Bürgerrechte eingegriffen werde.
Innenminister Schröter beteuerte im Landtag: »Wir können unserer Polizei vertrauen.« Niemand brauche sich Sorgen machen, dass Brandenburg mit diesem Gesetz auf dem Weg in einen Polizeistaat sei.
Das sehen einige Kritiker des Gesetzentwurfs anders. Zumindest der Landtagsabgeordnete Björn Lakenmacher (CDU) scheint dem Innenminister dies aber zu glauben, denn nach Lakenmachers Einschätzung ist der Entwurf der rot-roten Koalition »völlig unzureichend«.
Im Januar wird der Innenausschuss Experten zu beiden Gesetzentwürfen anhören. Änderungen sind noch möglich. Doch während sich einzelne Abgeordnete der Linksfraktion eine weitere Entschärfung oder besser noch einen völligen Verzicht auf die Polizeigesetznovelle wünschen würden, sieht die SPD den Gesetzentwurf bereits als Kompromiss und möchte das Paket nicht noch einmal aufschnüren.