Giftiges Abschiedspapier
Ex-Mitarbeiter der Deponie Ihlenberg erhebt Vorwürfe: Zu viel Schwermetall
Auf der Deponie Ihlenberg in Mecklenburg-Vorpommern werden, so ein Ex-Mitarbeiter, in einem solchen Umfang Giftstoffe gelagert, dass Beschäftigte gefährdet sind. Die Betriebsleitung weist das zurück. Bauschutt, Schlacke und anderen harmloser Abfall karrten Lastwagen 1979 nach Schönberg im Nordwesten Mecklenburgs, kurz nachdem das DDR-Politbüro beschlossen hatte: Dort wird eine Deponie geschaffen, unweit der Grenze zur BRD. Schon ein Jahr später rollte, erlaubt wiederum vom Politbüro, auch Sonderabfall an, auch aus dem Ausland. Das war eine willkommene Geldquelle. Mittlerweile gehört die Deponie dem Land Mecklenburg-Vorpommern, heißt inzwischen »Ihlenberg«, und noch immer wird dort Sondermüll abgeladen. In zu großen, nicht vereinbarten Mengen, wirft ein ehemaliger leitender Mitarbeiter, Stefan Schwesig, den Betreibern vor, der Ihlenberger Abfallentsorgungsgesellschaft (IAG).
Dort war Stefan Schwesig, Ehemann von Mecklenburg-Vorpommers Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD), 14 Jahre lang tätig gewesen. Begonnen hatte er seine Karriere als Controller, als Abteilungsleiter verließ er den Betrieb, nicht ohne zuvor dem Finanzministerium in Schwerin ein »giftiges« Papier zuzuleiten: ein elfseitiges Dossier, in dem er der Deponieleitung vorwirft, gegen selbst gesetzte Richtlinien in punkto Umwelt verstoßen zu haben.
Giftstoffe und Schwermetalle wie Cadmium, Blei oder Quecksilber seien in einer Menge deponiert worden, die für die 130 Deponiemitarbeiter riskant sein könnte, so Schwesig sinngemäß. Auch würden die Anlieferungen nur zum Teil kontrolliert.
Mit seinem unerwarteten »Abschiedsbericht« hat Schwesig die IAGLeitung sehr verärgert. Die Art und Weise seines Vorgehens ist dort ebenso sauer aufgestoßen wie der Inhalt des Papiers. Der sei unrichtig und unvollständig, heißt es von der Geschäftsführung. Alle Rechtsnormen, die beim beim Umgang mit Abfällen zu beachten seien, habe der Betrieb eingehalten. Ein Gutachten bestätige, dass die Vorwürfe des ehemaligen Abteilungsleiters unrichtig seien. Die IAG erwägt nun rechtliche Schritte gegen Stefan Schwesig. Ein pikanter Gedanke: Zieht dann ein Unternehmen vor den Kadi, das jenem Land gehört, dessen Regierungschefin die Ehefrau des Beklagten ist? Kaum min- der pikant: Die IAG-Geschäftsführer Norbert Jacobsen und Beate Ibiß mussten eine eigene Pressekonferenz zur Sache wieder absagen, durften auch keine Pressestatements abgeben. Der NDR vermutet: »Offenbar bekamen sie von der Landesregierung eine Art ›Maulkorb‹ verpasst.«
Die Regierung indes sah sich zu einer Sonderpressekonferenz alarmiert, zu der gleich drei Ressortchefs anrückten: Finanzminister Mathias Brodkorb, Umweltminister Till Backhaus (beide SPD) und Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU). Das Land wolle sich über die Zukunft der Deponie Gedanken machen, auch über deren Ende, so die Kernaussage des Trios. Bislang gilt: Ihlenberg schließt 2035. Glawe kündigte lückenlose Kontrollen der anrollenden AbfallLkw an und Brodkorb versprach, die von Stefan Schwesig erhobenen Vorwürfe sollen aufgeklärt werden.
Sie werden voraussichtlich auch den Landtag beschäftigen, zumindest will das die LINKE. Die Sache »stinkt in mehrfacher Hinsicht zum Himmel«, meint Fraktionschefin Simone Oldenburg. Es gehe schließlich nicht zuletzt um Gefahren für Leib und Leben der Mitarbeiter sowie der Anwohnerinnen und Anwohner. »Angesichts der Schwere der Vorwürfe erwarten wir auch eine Stellungnahme von Ministerpräsidentin Schwesig«, so Oldenburg. Sollten sich auch nur Bruchteile der Vorwürfe bewahrheiten, »wäre dies ein Skandal«.