Reporter geschützt
Netzwoche
Als Anfang September Tausende gewaltbereite Rechtsextreme durch Chemnitz marschierten, stellte sich die Berichterstattung über die Ereignisse für Journalisten schnell als gefährlich heraus. Mit rechten Aufzügen erfahrene Reporter gingen nur mit Schutzausrüstung an die Arbeit, wer eine große Redaktion im Rücken hatte, erschien teilweise mit Personenschutz. Übergriffe auf Berichterstatter, bei- Weitere Beiträge finden Sie unter dasnd.de/netzwoche spielsweise vom MDR, vom ARD-Magazin »Monitor« oder von der »Zeit«, gab es dennoch. Zahlreiche Kollegen schilderten im Anschluss an die Ereignisse, wie viel Aggressivität ihnen entgegenschlug.
Dass das kein subjektives Empfinden ist, zeigen Zahlen des »European Center for Press & Media Freedom« . Demnach ereigneten sich von Jahresbeginn bis Mitte September in Deutschland mindestens 22 gewalttätige Übergriffe auf Journalisten, wobei die Forscher von einer hohen Dunkelziffer ausgehen. Verbale Attacken oder Drohungen werden in der Statistik nicht erfasst. Besonders auffällig: Mehr als die Hälfte der Attacken gab es in Sachsen.
Dass unter solchen Bedingungen Medienvertreter darauf achten, ihre Privatsphäre zu schützen, liegt nahe. Doch gerade in Sachsen wird Journalisten dies offenbar unnötig erschwert, wie welt.de berichtet. Ein Kollege des Investigativressorts hatte bei der Stadt Leipzig zunächst erfolglos eine sogenannte Auskunftssperre beantragt, damit die Meldebehörde keine Daten mehr über den Reporter, insbesondere dessen Privatadresse, herausgibt. Laut Bundesmeldegesetz ist dies für Personen möglich, für die »durch eine Melderegisterauskunft eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen erwachsen kann« – etwa Richter und Staatsanwälte, aber eben auch Medienvertreter, wie das Verwaltungsgericht Leipzig vor wenigen Tagen feststellte.
Per einstweiliger Anordnung verpflichtete das Gericht die Meldebehörde, eine Auskunftssperre für längstens zwei Jahre einzutragen, bis über den »bislang abgelehnten Antrag eine Entscheidung in der Hauptsache vorliegt«. Für die Sperre genügt es laut Richtern, dass sich durch den ausgeübten Beruf eine abstrakte Gefahr ergibt. Das heißt, der Journalist muss nicht erst persönlich bedroht oder angegriffen werden, ehe er das Auskunftsrecht bei der Meldebehörde einschränken lassen kann.
Dass das für Journalisten, die über Themen wie Rechtsextremismus oder organisierte Kriminalität berichten, schwierig werden kann, ist offenbar kein Einzelfall. Die »Welt« verweist auf den Fall des »Zeit«-Kollegen Christian Fuchs, der dieses Jahr ebenfalls mit der Stadt Leipzig vier Monate um eine Auskunftssperre stritt. »Wenn Journalisten eine Auskunftssperre für ihre Adressdaten beantragen, sollten die Meldebehörden diesen Wunsch berücksichtigen«, fordert Frank Überall, Chef des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV). Gerade »in den Regionen mit der größten Gefährdung von Journalisten« müssten die Meldebehören »unbürokratisch handeln«, so der DJVVorsitzende. Anfeindungen und Bedrohungen gegenüber Reportern seien längst keine Ausnahme mehr.