Prostata-Humor
Die Serie »The Kominsky Method« baut der Generation von Michael Douglas ein Denkmal
Diese Aura, dieses Haar, dieser bedrohliche Blick: Wenn Michael Douglas den Raum scannt, scheinen die letzten 20 Jahre kaum am Ego des Megastars von einst genagt zu haben. Und dann erst sein Text: »Ein Schauspieler«, erklärt der Schauspiellehrer im Halbdunkel seines Seminars, »ein Schauspieler tut so, als sei er Gott!« Im Auditorium herrscht betretenes, fast ängstliches Schweigen. Immerhin besteht kein Zweifel, wen der große Douglas meint: sich selbst mitsamt seiner ersten Serienfigur, seit er die »Straßen von San Francisco« 1977 Richtung Weltkino verließ: Sandy Kominsky.
So heißt der Titelheld einer Netflix-Serie, die Michael Douglas ein Denkmal setzt – um es sogleich wieder einzureißen: So eindrucksvoll Sandy Kominsky die erste von acht Comedy-Episoden betritt, so harndrucklos kämpft er sich nämlich durch die folgenden sieben. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Denn anstatt dem Sex- und Machtgott der Achtziger bis Neunziger ein ehrfürchtiges Spätwerk zu widmen, verkleinern ihn die halbstündigen Sitcom-Clips von »The Kominsky Method« zügig auf irdisches, also menschliches Maß. Kurz nach dem imposanten Auftritt als abgehalfterter Filmstar mit privater Nachwuchsakademie verkrümelt sich Sandy Kominsky ja alle paar Minuten von der Beerdigung einer guten Freundin aufs Klo und hat auch sonst wenig Spaß an seiner anschwellenden Prostata. »Komm schon!«, herrscht er sie beim Pinkeln an und muss dennoch einsehen, dass ihm die Blase genauso wenig gehorcht wie andere Körperfunktionen bis hin zur Libido. Es ist ein Trauerspiel – wenngleich eines in altersgerechter Würde.
Anders als in seinem Welterfolg »Two and a half Men« gibt der Macher der Serie, Chuck Lorre, die unreflektierte Selbstgerechtigkeit weißer Männer aus der Mittel- und Oberschicht nämlich dem Gelächter, nicht aber der Lächerlichkeit preis. Während Charly Sheen als allenfalls halbfiktionales Alter Ego Charly Harper dem adoleszenzverweigernden Größenwahn verfällt, darf sich der Senior Kominsky seines Verfalls mit jeder Sendeminute bewusster werden.
Dass er trotzdem kein Trübsal bläst, liegt am Umfeld: Sein Agent und Kumpel Norman zum Beispiel, wunderbar kauzig verkörpert von Alan Arkin, der schon beim Durchbruch als Schlawiner der Weltkriegsgroteske »Catch 22« vor bald 50 Jahren auf die 40 zuging. Dazu Tochter Mindy (Sarah Baker), die ihrem Vater mit resoluter Empathie einen Alltag organisiert, den die Schauspielschülerin Lisa (Nancy Travis) nach frisch gescheiterter Langzeitehe gerade emotional durcheinanderwirbelt.
Im Kreise altmodischer Gaststars wie Jay Leno oder Ann-Margret baut das vielgestaltige Ensemble den Alphatieren von früher ein behagliches Nest, in dem sie es sich für den absehbaren Rest ihres Lebens behaglich machen.
Allerdings auch nicht zu behaglich. Denn wenig setzt den vermeintlichen Herren der Schöpfung bekanntlich mehr zu als Bedeutungsverlust. So wird zwar viel über Potenzprobleme, Blasenschwäche, Gebrechlichkeit diskutiert – aber meist frei vom saftigen Zynismus ähnlicher Komödien übers Altern in einer jugendwahnsinnigen Gesellschaft. »Kann es sein«, fragt Sandy Kominsky beim Urologen (Danny DeVito), »dass nicht die Prostata, sondern mein Arsch wächst?« Humor ist, wenn man selbst über die Endlife-Crisis lacht.