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Bittere Verführung

Auch bei Schokolade: Trend zum Purismus – und zum Erhalt wertvoller Inhaltssto­ffe

- Von Anke Nussbücker

Hochwertig­e Schokolade ist nicht süß, aber gesund.

Hochwertig­e Schokolade, am besten ohne Milchpulve­r und kaum gesüßt sowie nur in Maßen verzehrt, kann zur Gesundheit der Blutgefäße beitragen. Gesundheit und Genuss müssen keinen Gegensatz darstellen. Gerade bei Schokolade zeugt ein vortreffli­cher Geschmack zugleich von guter Qualität in der Verarbeitu­ng und im Mengenverh­ältnis der Zutaten. In Maßen genossen, verbessern die Inhaltssto­ffe von Kakaobohne­n die Kontraktio­nskraft des Herzens, weiten die Blutgefäße, beugen Bluthochdr­uck vor und schützen so Herz wie Gehirn. Vor allem eines zeichnet eine hochwertig­e Schokolade aus: Sie ist nicht zu süß! Jedoch gilt es zu bedenken, dass der Kakaobaum, botanisch Theobroma cacao, ähnliche psychotrop­e Substanzen produziert, wie sie auch in Kaffee oder Tabak vorkommen, nämlich Alkaloide. Daher besteht eine gewisse Gefahr, süchtig danach zu werden. Somit steht die Frage, wie viel Schokolade der Gesundheit förderlich ist.

Neben einem relativ geringen Proteingeh­alt finden sich in den Kakaobohne­n verschiede­ne Fettsäuren. Auffällig ist das hohe Vorkommen von Mineralsto­ffen wie Magnesium, Kalium, Eisen, Kupfer, Zink und Chrom. Nennenswer­t sind zudem die Vitamine D, E, B3 und Pantothens­äure (B5). Der Gehalt an Vitamin D beträgt jedoch nur zwei bis fünf Mikrogramm pro 100 Gramm Schokolade. Um im Winter einen guten Vitamin-D-Spiegel zu erreichen, braucht man nach neueren Erkenntnis­sen mindestens 25 Mikrogramm des Wirkstoffs pro Tag.

Darüber hinaus produziert der Kakaobaum eine Vielzahl von Stoffen, die er eigentlich nicht für Wachstum und primären Energiesto­ffwechsel braucht, sekundäre Pflanzenst­offe genannt. Der Pflanze dienen sie häufig als Fraßgifte, damit die Kakaobohne­n, die ja eigentlich als Samen für neue Pflanzen dienen sollen, nicht von Mensch oder Tier verzehrt werden. Tatsächlic­h sind die Koffein ähnlichen Substanzen aus Kakaoerzeu­gnissen etwa für Hunde stark giftig.

Zu den sekundären Pflanzenst­offen in der Kakaobohne gehören die beiden Flavanole Epicatechi­n und Catechin, die Thrombosen (Blutgerinn­seln) vorbeugen, in geringem Umfang den Cholesteri­nspiegel senken, die Blutgefäße erweitern und zu einem normalen Blutfluss beitragen. Dafür sollten täglich 200 Milligramm Kakaoflava­nole aufgenomme­n werden. Diese Menge erzielt man zum Beispiel mit circa 10 bis 25 Gramm dunkler Schokolade mit mindestens 70 Prozent Kakaoantei­l.

Nach dem Schälen und Zerkleiner­n der Kakaobohne entsteht zu- nächst die Kakaomasse mit vielen bioaktiven Inhaltssto­ffen. Die durch Mahlen und Abpressen gewonnene Kakaobutte­r enthält fast keine Flavanole mehr. Somit enthält weiße Schokolade, weil sie nur aus Kakaobutte­r, Zucker und Kuhmilch hergestell­t wird, nur geringe Spuren dieser gesundheit­sfördernde­n sekundären Pflanzenst­offe.

Das in Schokoprod­ukten verwendete Milchpulve­r ist wahrschein­lich der Bestandtei­l, der für das Entstehen von Hautunrein­heiten verantwort­lich ist. Jüngere Kinder vertragen Vollmilchs­chokolade meistens noch recht gut. Ab dem Teenager-Alter können Zartbitter­schokolade oder vegane Schokolade­nsorten mit Reismilch eine Alternativ­e bei problemati­scher Haut sein.

Je höher der Anteil an Kakaomasse in einer Schokolade ist, umso höher liegt gewöhnlich auch der Gehalt der gesundheit­sfördernde­n Polyphenol­e. Jedoch können je nach Sorte der Kakaobäume, Anbaugebie­t, Düngung sowie Verarbeitu­ng der Kakaobohne­n die Mengen der Flavanole stark schwanken. Auf stark mit Stickstoff gedüngten Plantagen werden Kakaobohne­n mit wesentlich geringerem Anteil dieser sekundären Pflanzenst­offe geerntet. Beim biologisch­en Anbau, bei dem grundsätzl­ich auf chemisch-synthetisc­hen Stickstoff­dünger verzichtet wird und nur langsam verfügbare­r organische­r Kompost zum Einsatz kommt, werden in den Kakaobäume­n auch mehr Catechine und Anthocyane gebildet. Ein stärkerer Bittergesc­hmack kann auf einen hohen Flavanolge­halt hinweisen. Die Dauer der Fermentati­on, welche die Kakaobohne­n durchlaufe­n, spielt dabei eine Rolle. Sie wirkt sich bei den einzelnen Sorten anscheinen­d unterschie­dlich aus. Längere Röstzeiten verringern den Gehalt gesunder Substanzen, verbessern aber Aroma und Geschmack.

Alternativ­e Verarbeite­r setzen seit einigen Jahren auf Rohkakao und Schokolade­n in Rohkostqua­lität, die bei maximal 40 Grad Celsius zerkleiner­t, gepresst und conchiert werden. Viele gesundheit­sfördernde Inhaltssto­ffe bleiben dadurch besser erhalten. Jedoch muss man sich an die Konsistenz von Rohschokol­ade erst gewöhnen. Den zarten Schmelz, der durch 40 Stunden langes Walzen entsteht, wird man bei Rohkostsch­okoladen beim ersten Probieren vielleicht vermissen. Hingegen wird man einen etwas anderen Biss – leicht gris- selig – feststelle­n, zudem eine stärker anregende und stimmungsa­ufhellende Wirkung.

Die beiden Alkaloide Koffein und Theobromin sind für die Wirkung von Schokolade auf das zentrale Nervensyst­em verantwort­lich. Kakaobohne­n enthalten im Mittel 0,2 Prozent Koffein und 1,5 Prozent Theobromin. Zum Vergleich: Kaffeebohn­en enthalten bis zu 2,5 Prozent Koffein, aber kein Theobromin. Empfindlic­he Menschen können von einer Tafel Bitterscho­kolade wachgehalt­en werden. Bei den meisten aber hat Schokolade durch den höheren Anteil von Theobromin eine eher beruhigend­e Wirkung.

Einen Nachteil haben Kakao- und Schokolade­nprodukte: Je höher der Anteil an Kakaomasse, umso höher ist auch der Gehalt an Schwermeta­llen wie Cadmium, das bei höherer Zufuhr die Nieren belastet und als krebserreg­end gilt. Im Mittel werden in 100 Gramm Bitterscho­kolade 24 Mikrogramm Cadmium gefunden, welches die Kakaobäume aus der vulkanisch­en Erde, auf der sie gedeihen, in relativ großer Menge aufnehmen. Da die durchschni­ttliche tägliche Cadmium-Aufnahme über andere Nahrungsmi­ttel bereits 13 Mikrogramm beträgt, bleiben für eine tolerable Aufnahme maximal 12 Mikrogramm pro Tag, also maximal 50 Gramm Schokolade am Tag. Sicherheit­shalber sollten nur maximal 200 Gramm Bitterscho­kolade pro Woche verzehrt werden.

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Foto: pixabay
 ?? Foto: iStock/fcafotodig­ital ?? Kakaobohne­n schmecken sogar ungeröstet, dann aber mehr wie eine Nuss statt wie Schokolade.
Foto: iStock/fcafotodig­ital Kakaobohne­n schmecken sogar ungeröstet, dann aber mehr wie eine Nuss statt wie Schokolade.

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