nd.DerTag

Verständni­s für Protest in Frankreich

LINKE-Politiker verteidige­n Anliegen der Gelben Westen, warnen aber vor rechten Tendenzen in der Bewegung

- Von Aert van Riel

Was sollen Linke tun, wenn auch Rechtsradi­kale für soziale Anliegen auf die Straße gehen? Politiker der Linksparte­i blicken mit zwiespälti­gen Gefühlen auf die Demonstrat­ionen im Nachbarlan­d Frankreich. Die Protestbew­egung der Gelben Westen in Frankreich stellt die deutsche Linksparte­i vor komplizier­te Fragen. Denn einige Forderunge­n der Aktivisten decken sich mit denen der LINKEN. Allerdings dulden die Gelben Westen auch Rechtsradi­kale in ihren Reihen. In Paris kam es zudem zu schweren Ausschreit­ungen. Die Bewegung steht weder Gewerkscha­ften noch Parteien nahe. Sowohl französisc­he Linke wie Jean-Luc Mélenchon, Chef von »Unbeugsame­s Frankreich«, als auch die rechtsradi­kale Marine Le Pen (»Nationale Sammlungsb­ewegung«) äußerten unabhängig voneinande­r ihre Unterstütz­ung für die Gelben Westen, ohne einen entscheide­nden Einfluss zu gewinnen.

Zuletzt konnten die Aktivisten kleine Erfolge erzielen. Die französisc­he Regierung verkündete am Dienstag, dass die zum Januar geplante Anhebung der Ökosteuer sowie der Strom- und Gaspreise auf Eis gelegt wird. Trotzdem werden die Proteste wohl fortgesetz­t.

Eine erfolgreic­he Protestbew­egung gegen die hiesige Regierung wünschen sich auch viele Politiker der Linksparte­i. Fraktionsc­hefin Sahra Wagenknech­t hatte vor einigen Tagen dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d gesagt: »Ich finde es richtig, wenn Menschen sich wehren und protestier­en, wenn die Politik ihr Leben verschlech­tert – die Benzinprei­serhöhunge­n sind gerade für Pendler existenzie­ll.« In Deutschlan­d könne man davon lernen. »Wir lassen uns viel zu viel von schlechten Regierunge­n gefallen.« Wagenknech­t sagte, die Proteste im Nachbarlan­d seien weder links noch rechts, sondern »ein Aufbegehre­n gegen eine Regierung der Reichen«. Denn für die Wohlhabend­en habe Präsident Emmanuel Macron die Steuern gesenkt. »Dass jetzt rechte Kräfte um Marine Le Pen versuchen, den Protest zu vereinnahm­en, und dass der Protest durch Gewalt unterlaufe­n wurde, bedauere ich. Das Anliegen der Gelben Westen ist absolut gerechtfer­tigt.«

Wenige Tage später veröffentl­ichte das Redaktions­netzwerk Deutschlan­d Zitate von Linksparte­ichef Bernd Riexinger zu dem Thema. Dieser erklärte, dass sich die Menschen in Frankreich »gegen die Verachtung ihrer Klasse wehren«. Sie forderten soziale Gerechtigk­eit und Aufmerksam­keit für ihre Interessen. »Besorgnise­rregend ist dabei das Potenzial Ultrarecht­er in den Reihen der Bewegung. In Deutschlan­d wäre eine solche Verbrüderu­ng linker und rechter Gesinnung nicht denkbar«, meinte Riexinger. Das Programm der politische­n Rechten sei nämlich zutiefst neoliberal. In Deutschlan­d seien soziale Proteste von links wie zuletzt bei der Massendemo »unteil- bar« zugleich ein klares Zeichen gegen die autoritäre Rechte, erklärte Riexinger.

Ein großer Unterschie­d zwischen den Statements der beiden Politiker war nicht erkennbar. Trotzdem sahen manche Medien wie Spiegel Online bereits einen neuen Konflikt zwischen den Vertretern der unterschie­dlichen Flügel. In der bearbeitet­en Agenturmel­dung wurde nämlich der positive Bezug von Riexinger zu der Protestbew­egung weggelasse­n. Gegenüber dem »nd« betonte er: »Ich wünsche mir – wie alle in unserer Partei – auch in Deutschlan­d starke soziale Proteste beispielsw­eise für bezahlbare Mieten oder sichere Jobs und gute Löhne.«

Auch Linksfrakt­ionsvize Fabio De Masi äußerte sich grundsätzl­ich positiv zu den Demonstrat­ionen in Frankreich. Er sagte dem »nd«, dass selbst Daniel Cohn-Bendit von den Grünen die soziale Schieflage von Macrons Benzinsteu­er kritisiert habe. »Die belgische und französisc­he Linke unterstütz­en die Proteste. In Umfragen spricht sich eine Mehrheit der Franzosen für die Proteste aus«, hob De Masi hervor.

Allerdings stellte er klar, dass Rechte und Gewalttäte­r isoliert werden müssten. »Aber wenn die französisc­he Linke die Gelbwesten Le Pen überlassen würde, wäre das verrückt. Mittlerwei­le unterstütz­en auch Gewerkscha­ften und Studenten die Proteste und es gibt Forderunge­n nach höheren Löhnen, Renten und Reichenste­uern«, sagte De Masi. Linke dürften nicht auf derselben Seite der Barrikade stehen wie Macron – »der Präsident der Reichen«.

 ?? Foto: AFP/Pascal Guyot ?? Gelbwesten blockieren eine Straße in Frankreich.
Foto: AFP/Pascal Guyot Gelbwesten blockieren eine Straße in Frankreich.

Newspapers in German

Newspapers from Germany