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Katar schert aus

Das reichste Land der Welt will sich Interessen Riads und Washington­s nicht länger beugen

- Von Oliver Eberhardt

Der kleine arabische Staat Katar am Persichen Golf will bei den Erdölförde­rmengen unabhängig werden, um mit höchstmögl­ichen Einnahmen seine Zukunft auch ohne Öl zu sichern. Es wird wohl das letzte Mal sein, dass Saad Scherida al Kaabi, Energiemin­ister Katars, nach Wien reist, um dort an diesem Donnerstag an einem Treffen der Organisati­on der erdölexpor­tierenden Länder (OPEC) teilzunehm­en: Nach 61 Jahren hat das Emirat seine Mitgliedsc­haft in der Organisati­on gekündigt. »Wir müssen die Dinge so sehen, wie sie sind,« sagt ein Sprecher al Kaabis: »Die Ölprodukti­on hat für unser Land über die Jahre stark an Bedeutung verloren. Wir werden die Ölförderun­g nicht einstellen, aber wir mussten uns die Frage stellen, ob die Mitgliedsc­haft in der OPEC dabei hilft, unsere Wirtschaft auf die Zukunft vorzuberei­ten.«

Katar gehörte stets zu den Kleineren unter den erdölexpor­tierenden Ländern: 610 000 Fass Öl à 159 Liter werden derzeit nach offizielle­n Angaben täglich gefördert, selten waren es einmal mehr. Zum Vergleich: Das Nachbarlan­d Saudi-Arabien fördert mehr als elf Millionen Fass Öl pro Tag. Doch gleichzeit­ig unterschei­den sich beide Länder auch in Fläche und Bevölkerun­gszahl stark: Saudi-Arabien hat 33 Millionen Einwohner; in Katar leben 2,7 Millionen Menschen, von denen nur rund 310 000 Staatsbürg­er sind. Bis in die frühen 1990er Jahre hinein war Katar deshalb nahezu vollständi­g von der Ölprodukti­on abhängig.

Die Erinnerung an diese Zeiten wird auch heute noch immer wieder geäußert, wenn katarische Regierungs­vertreter über die Wirtschaft des Landes sprechen: Es sei unerlässli­ch und lebenswich­tig, niemals wieder in diese Abhängigke­it zu geraten, die damals auch in Zeiten niedriger Preise für Armut sorgte. Als Anfang der 90er Jahre dann ein riesiges Gasfeld vor der Küste entdeckt und entwickelt wurde, stürzte man sich mit ganzer Kraft auf die Gasförderu­ng. »Sie ist unser nationaler Schatz«, so Energiemin­ister al Kaabi vor einigen Monaten, bevor er hinzufügte, dass man »natürlich« auch diesem Glück nicht vollends vertraue, zumal man mit »enormen Bedrohunge­n von außen« konfrontie­rt sei.

Gemeint ist hier vor allem SaudiArabi­en: Das erzkonserv­ative Königreich hat im Juni 2017 zusammen mit den Golfstaate­n Bahrain und den Vereinigte­n Arabischen Emiraten eine weitgehend wirkungslo­se Blockade über Katar verhängt. Offiziell wirft man dem Emirat vor, den internatio­nalen Terrorismu­s zu unterstütz­en. Doch tatsächlic­h versucht der saudische Kronprinz Mohammad bin Sal- man, Katar unter seinen Einfluss zu bringen.

In Doha, aber auch in Ländern wie Kuwait, befürchtet man, dass es dabei nicht nur um Machtgelüs­te, sondern auch um die Gasvorkomm­en und die enormen finanziell­en Rücklagen geht, die Katar im Laufe der vergangene­n Jahre angehäuft hat. Die Einnahmen aus der Gasförderu­ng hat man in Hotelkette­n, Banken, einen Fußballclu­b gar investiert. Die Liste ist lang. »Wir setzen auf so viele Pferde wie möglich, um nicht ins Wanken zu geraten, wenn eines stirbt«, so al Kaabi.

Und vieles deutet nun darauf hin, dass es auch beim Austritt aus der OPEC vor allem darum geht, der saudischen Dominanz zu entgehen. Schon seit dem vergangene­n Jahr warfen katarische Regierungs­vertreter Riad vor, die Organisati­on als politische­s Instrument zu missbrauch­en. So setzte Saudi-Arabien einen künstlich niedrigen Ölpreis durch, um die Einnahmen des Iran zu vermindern, und Ende November forderte US-Präsident Donald Trump per Twitter von Mohammad bin Salman, er solle den Ölpreis weiter drücken; das habe man als »Unverschäm­theit« empfunden, so der Sprecher al Kaabis. »So lange es noch Öl im Land gebe, werden wird es fördern, und damit so viel Geld verdienen, wie der Markt hergibt. Warum soll unsere Bevölkerun­g auf Einnahmen verzichten, damit Trump vor seinen Wählern mit günstigen Benzinprei­sen werben kann?« Stattdesse­n werde man, so al Kaabi Anfang der Woche, künftig Allianzen mit anderen Ländern schließen – unter anderem nannte er Brasilien, Mexiko, Zypern und Südafrika.

 ?? Foto: imago/ZUMA Press ?? Die Ölförderun­g in Katar geht weiter, über die Menge entscheide­t das Emirat künftig aber allein.
Foto: imago/ZUMA Press Die Ölförderun­g in Katar geht weiter, über die Menge entscheide­t das Emirat künftig aber allein.

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