Katar schert aus
Das reichste Land der Welt will sich Interessen Riads und Washingtons nicht länger beugen
Der kleine arabische Staat Katar am Persichen Golf will bei den Erdölfördermengen unabhängig werden, um mit höchstmöglichen Einnahmen seine Zukunft auch ohne Öl zu sichern. Es wird wohl das letzte Mal sein, dass Saad Scherida al Kaabi, Energieminister Katars, nach Wien reist, um dort an diesem Donnerstag an einem Treffen der Organisation der erdölexportierenden Länder (OPEC) teilzunehmen: Nach 61 Jahren hat das Emirat seine Mitgliedschaft in der Organisation gekündigt. »Wir müssen die Dinge so sehen, wie sie sind,« sagt ein Sprecher al Kaabis: »Die Ölproduktion hat für unser Land über die Jahre stark an Bedeutung verloren. Wir werden die Ölförderung nicht einstellen, aber wir mussten uns die Frage stellen, ob die Mitgliedschaft in der OPEC dabei hilft, unsere Wirtschaft auf die Zukunft vorzubereiten.«
Katar gehörte stets zu den Kleineren unter den erdölexportierenden Ländern: 610 000 Fass Öl à 159 Liter werden derzeit nach offiziellen Angaben täglich gefördert, selten waren es einmal mehr. Zum Vergleich: Das Nachbarland Saudi-Arabien fördert mehr als elf Millionen Fass Öl pro Tag. Doch gleichzeitig unterscheiden sich beide Länder auch in Fläche und Bevölkerungszahl stark: Saudi-Arabien hat 33 Millionen Einwohner; in Katar leben 2,7 Millionen Menschen, von denen nur rund 310 000 Staatsbürger sind. Bis in die frühen 1990er Jahre hinein war Katar deshalb nahezu vollständig von der Ölproduktion abhängig.
Die Erinnerung an diese Zeiten wird auch heute noch immer wieder geäußert, wenn katarische Regierungsvertreter über die Wirtschaft des Landes sprechen: Es sei unerlässlich und lebenswichtig, niemals wieder in diese Abhängigkeit zu geraten, die damals auch in Zeiten niedriger Preise für Armut sorgte. Als Anfang der 90er Jahre dann ein riesiges Gasfeld vor der Küste entdeckt und entwickelt wurde, stürzte man sich mit ganzer Kraft auf die Gasförderung. »Sie ist unser nationaler Schatz«, so Energieminister al Kaabi vor einigen Monaten, bevor er hinzufügte, dass man »natürlich« auch diesem Glück nicht vollends vertraue, zumal man mit »enormen Bedrohungen von außen« konfrontiert sei.
Gemeint ist hier vor allem SaudiArabien: Das erzkonservative Königreich hat im Juni 2017 zusammen mit den Golfstaaten Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten eine weitgehend wirkungslose Blockade über Katar verhängt. Offiziell wirft man dem Emirat vor, den internationalen Terrorismus zu unterstützen. Doch tatsächlich versucht der saudische Kronprinz Mohammad bin Sal- man, Katar unter seinen Einfluss zu bringen.
In Doha, aber auch in Ländern wie Kuwait, befürchtet man, dass es dabei nicht nur um Machtgelüste, sondern auch um die Gasvorkommen und die enormen finanziellen Rücklagen geht, die Katar im Laufe der vergangenen Jahre angehäuft hat. Die Einnahmen aus der Gasförderung hat man in Hotelketten, Banken, einen Fußballclub gar investiert. Die Liste ist lang. »Wir setzen auf so viele Pferde wie möglich, um nicht ins Wanken zu geraten, wenn eines stirbt«, so al Kaabi.
Und vieles deutet nun darauf hin, dass es auch beim Austritt aus der OPEC vor allem darum geht, der saudischen Dominanz zu entgehen. Schon seit dem vergangenen Jahr warfen katarische Regierungsvertreter Riad vor, die Organisation als politisches Instrument zu missbrauchen. So setzte Saudi-Arabien einen künstlich niedrigen Ölpreis durch, um die Einnahmen des Iran zu vermindern, und Ende November forderte US-Präsident Donald Trump per Twitter von Mohammad bin Salman, er solle den Ölpreis weiter drücken; das habe man als »Unverschämtheit« empfunden, so der Sprecher al Kaabis. »So lange es noch Öl im Land gebe, werden wird es fördern, und damit so viel Geld verdienen, wie der Markt hergibt. Warum soll unsere Bevölkerung auf Einnahmen verzichten, damit Trump vor seinen Wählern mit günstigen Benzinpreisen werben kann?« Stattdessen werde man, so al Kaabi Anfang der Woche, künftig Allianzen mit anderen Ländern schließen – unter anderem nannte er Brasilien, Mexiko, Zypern und Südafrika.