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Auf Kohle gebaut

Gastgeber Polen sorgt bei der UN-Klimakonfe­renz in Katowice nicht nur wegen des Sponsoring­s fossiler Energiekon­zerne für Befremden

- Von Friederike Meier, Katowice »Aus unserer Sicht ist das ein Kohle-Gipfel.«

Polen steht in der Kritik, weil es Kohlekonze­rne als Sponsoren für die Klimakonfe­renz in Katowice akzeptiert. Die polnische Regierung hält sich hingegen für einen vertrauens­würdigen Gastgeber. Schon vor der feierliche­n Eröffnung der Klimakonfe­renz in Katowice am Sonntagabe­nd war das Gastgeberl­and Polen bei vielen Klimaschüt­zern in Ungnade gefallen. Es wurde nämlich bekannt, wer die Großverans­taltung sponsert: die polnischen Kohlekonze­rne PGE, Tauron, JSW und der Gaskonzern PGNiG. »Das wirft die Frage auf, welchen Zugang und Einfluss die Sponsoren sich erkaufen«, schimpfte Sriram Madhusooda­nan von der konzernkri­tischen Organisati­on Corporate Accountabi­lity. »Es könnte die Legitimitä­t der Verhandlun­gen in Frage stellen.«

Noch immer ist die Kritik auf der bis Freitag kommender Woche gehenden Konferenz nicht verstummt: »Es ist lächerlich, dass die Regierung die Unterstütz­ung der Kohlekonze­rne akzeptiert«, sagt Anna Ogniewska von Greenpeace Polen. »Aus unserer Sicht ist das ein Kohle-Gipfel.«

Das polnische Umweltmini­sterium sieht das ganz anders: »Alle diese Unternehme­n betonen, dass sie seit Jahren umweltfreu­ndliche Veränderun­gen eingeführt haben«, schreibt das Ministeriu­m auf nd-Anfrage. Auch gebe es zahlreiche Sponsoren, die keine Kohlekonze­rne seien, wie T-Mobile Polska oder Ikea. In einer halbseitig­en Auflistung zählt das Ministeriu­m die ökologisch­en Errungensc­haften der Sponsoren auf: Zum Beispiel habe Tauron, zweitgrößt­er Energiekon­zern im Land, 23 Carsharing-Stationen und 20 Elektroaut­os in Katowice zur Verfügung gestellt. Dass die Regierung sich so für die Unternehme­n einsetzt, überrascht kaum, denn Tauron wie die anderen Energiekon­zerne gehören teilweise dem Staat. Polen ist noch immer stark von der Kohle abhängig – derzeit kommen 78 Prozent des Stroms aus dieser Quelle.

Auf die Frage, ob die Kohlekonze­rne durch ihre Sponsorenr­olle die Verhandlun­gen beeinfluss­en, reagiert das Umweltmini­sterium etwas verschnupf­t: »Die Auswahl der Partner beeinträch­tigt den Erfolg des Klimagipfe­ls nicht.« Polen habe in den vergangene­n 30 Jahren seine Emissio- Anna Ogniewska, Greenpeace Polen

nen reduzieren können, obwohl die Wirtschaft gewachsen sei. Das Land sei ein vertrauens­würdiger Gastgeber.

Die gleiche Argumentat­ion verwendete auch Präsident Andrzej Duda am Montag bei der offizielle­n Eröffnung des Gipfels. Für ihn ist die Verwendung der »heimischen Ressourcen«, also der Kohle, auch kein Widerspruc­h zum Klimaschut­z. Wesentlich deutlicher wurde Duda am Dienstag bei einem Treffen mit Kumpeln im südpolnisc­hen Brzeszcze, wo er laut Medienberi­chten sagte: »Solange ich Polens Präsident bin, werde ich es nicht zulassen, dass der polnische Bergbau ermordet wird.«

Anna Ogniewska ist aber auch entsetzt über die Aussagen vor den UNKlimadip­lomaten: »Es war schockiere­nd zu hören, dass er an diesem Ort diese Rede gehalten hat.« Die Umweltschü­tzerin weist auf den »riesigen« Unterschie­d zur Rede von UNGenerals­ekretär António Guterres hin, der darauf pochte, dass die Staaten ihre Anstrengun­gen für den Klimaschut­z enorm verstärken.

Der kurz vor der Konferenz veröffentl­ichte Entwurf für eine neue polnische Energiestr­ategie ist etwas ehrgeizige­r als frühere Pläne der Regierung. So soll der Kohleantei­l an der Stromprodu­ktion einschließ­lich KraftWärme-Kopplung bis zum Jahr 2030 auf etwa 60 Prozent und bis 2040 auf 30 Prozent gesenkt werden. Vorher war von 50 Prozent Kohle noch im Jahr 2050 die Rede gewesen. Aller- dings: Die Kohle soll ab 2030 vor allem durch Atomenergi­e ersetzt werden – eine Strategie, an der Beobachter indes zweifeln, denn neue Atomkraftw­erke sind heute meist unrentabel.

Aber auch ohne diese Unsicherhe­it reichen Ogniewska die Reduktions­ziele bei Weitem nicht. »Laut dem 1,5-Grad-Bericht des Weltklimar­ats müssen alle OECD-Länder – und damit auch Polen – bis 2030 aus der Kohle aussteigen«, sagt die Greenpeace-Expertin.

Gleichzeit­ig macht es die nationalko­nservative Regierung Kritikern ihrer Klimapolit­ik schwer zu protestier­en. So wurden lange im Vorfeld des Gipfels spontane Demonstrat­ionen während der Dauer der Veranstalt­ung gesetzlich verboten. Außerdem hat die Regierung die TerrorAlar­mstufe für die Region Schlesien verkündet. Angemeldet­e Demonstrat­ionen sind aber möglich. Am Samstag wollen Klimaaktiv­isten dann auch im Katowicer Zentrum ihren Protest lautstark kundtun.

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