Sport frei mit künstlicher Hüfte
Neue Implantatmaterialien ermöglichen Menschen mit einer Endoprothese mehr moderate Belastung und Bewegung
Eine heute eingesetzte Hüftprothese hält bis zu 20 Jahre. Aber auch die Ansprüche der Patienten sind höher: viel mehr von ihnen wollen sportlich aktiv bleiben. Mehr als 400 000 Knie- und Hüftprothesen werden jedes Jahr in Deutschland eingesetzt, in der Regel mit positivem Ergebnis. Ein heute eingesetztes Hüftimplantat sollte bei 90 Prozent der Patienten 20 Jahre halten. Jedoch zeigen die jüngsten Medienrecherchen, dass einiges schiefgehen kann.
Weil die Eingriffe massenhaft erfolgen sowie Materialien und Operationstechniken verbessert wurden, sind die Ansprüche der Patienten höher geworden. Sport und Bewegung haben eine viel größere Bedeutung gewonnen als für die gleichaltrige Gruppe in früheren Jahren. Die Ärzte sind durchaus dafür, dass Menschen etwa mit einer künstlichen Hüfte auch Sport treiben. »Das wirkt dem Muskelabbau entgegen«, so KarlDieter Heller, Chefarzt der Orthopädischen Klinik am Herzogin-Elisabeth-Hospital in Braunschweig. Und es trägt sogar zum Erhalt moderner Implantate bei. Bei früher üblichen Materialpaarungen wie Polyethylen/ Metall oder auch Metall/Metall wurde selbst bei mittlerer körperlicher Belastung ein hoher Abrieb erzeugt. Dieser kann laut Heller Entzündungen in der Implantatumgebung auslösen, was wiederum zu Knochenabbau führt. Der Halt des künstlichen Gelenks geht verloren, es muss ausgewechselt werden.
»Die neuen Materialien tolerieren deutlich mehr Aktivität.« Die Rede ist dabei etwa von hochvernetzten Polyethylen-Pfannen und einem Kopf aus Keramik. Noch geringer ist der Abrieb, wenn beide Teile aus Keramik sind. Letztere Variante werde vor allem für jüngere Patienten empfohlen. Für beide moderne Materialpaarungen gilt: »Die allgemein bekannte Empfehlung zu schonenden und zyklischen Ausdauersportarten wie Schwimmen, Wandern, Radfahren oder Golf ab frühestens drei, besser erst sechs Monate nach der Operation behält in jedem Fall ihre Gültigkeit.« Das empfiehlt Florian Gebhard, Chirurg und ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Ulm. Je nach Alter, Ansprüchen und Bedürfnissen der Patienten kann zwischen diesen Materialien gewählt werden. Der Eingriff selbst sollte in einer der 550 Kliniken mit dem EndoCert-Zertifikat durchgeführt werden, bei denen bestimmte Mindestmengen an Operationen vorausgesetzt werden.
Zu den für Patienten empfehlenswerten Sportarten mit künstlichem Hüftgelenk zählen laut dem Orthopäden Heller auch Aerobic (ohne Sprünge), Bowling, Ergometertraining, Reiten, Rudern oder Tanzen. Auch Laufen, aber nur auf dem Laufband oder auf weichen, federnden Böden wie im Wald, sei möglich. »Wenn mich ein Patient allerdings fragt, ob er auch Abfahrt-ski machen kann, sage ich ihm, dass er das schon kann, aber der Knochen dann woan- ders bricht«, meint Heller lakonisch. Eine Rücksprache mit dem Arzt sollte auf jeden Fall Klarheit bringen, wenn es um seltenere Sportarten oder spezielle Belastungen geht.
Wird eine solche Endoprothese doch auf längere Zeit über Gebühr oder auch falsch belastet, kann eine Wechseloperation notwendig werden. Diese Aussicht bewegt viele Menschen mit Gelenkproblemen: Wann wird ein neuer Eingriff notwendig? Wäre es besser, die Entscheidung für ein künstliches Gelenk noch etwas hinauszuzögern? Aber auch schon kurz nach dem Einsetzen der Prothese können Probleme auftreten, zum Beispiel durch frühe Infektionen. Ein anderer Grund sind Verrenkungen oder Auskugelungen.
Das Endoprothesenregister für die Bundesrepublik wies für 2015 etwa 8600 Wechseloperationen aus, 2016 stieg die Zahl weiter. Nach Florian Gebhard hat das damit zu tun, dass es sich um ein wachsendes Register handelt, bei dem auch die Gesamtzahl der Einträge ansteigt. In der Hälfte aller Fälle war die Lockerung des künstlichen Gelenks die Ursache für den Austausch. An zweiter Stelle der Ursachen stehen auch langfristig Infektionen. Ein klassischer Fall sind Infektionen nach zahnärztlichen Behandlungen, bei denen Bakterien in den Blutkreislauf gelangt sind.
Für Lockerungen des Gelenks wiederum sind häufig ungünstige Beanspruchungen die Ursache. Bei metallischen Prothesen bedeutet das, dass die mechanische Last auf den an sich weicheren Knochen übertragen wird. »Bei einer hohen Stoßbelastung, wie zum Beispiel bei einem Marathon, oder bei Stop-and-go-Bewegungen wie bei Basketball, Fußball oder Handball kommt es zu einer Überbeanspruchung«, wie Chirurg Gebhard erklärt. Jedoch ist in der Regel kein einfaches »mechanisches« Auswechseln möglich – bei jedem Wechsel ist mit einem Knochenverlust zu rechnen. Zwar kann die vorhandene Prothese oft weiter verwendet werden, die Operation wird doch jedes Mal schwieriger.