Überstunden und Ungewissheit
Der DGB hat für seinen jährlichen Ausbildungsreport Berliner Azubis zu ihrer Situation befragt
Viele Azubis müssen Überstunden machen, rund um die Uhr erreichbar sein oder Berufsschulzeiten nacharbeiten. Der DGB fordert bessere Ausbildungsbedingungen und unabhängige Beschwerdestellen. Inzwischen ist Lea Marshall unbefristet angestellt. Der Weg dahin war jedoch nicht leicht. In ihrem Ausbildungsbetrieb war die Frage der Übernahme immer problematisch, erzählt die Brauerin auf der Pressekonferenz des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DBG) Berlin, wo am Mittwoch der aktuelle Ausbildungsreport vorgestellt wurde.
Lange war die Übernahme der Auszubildenden unklar, dann bekam sie zwar einen Arbeitsvertrag – jedoch befristet auf sechs Monate. »Damit kann man nicht planen – keine neue Wohnung, ein Auto oder auch nur den Urlaub«, sagt Marshall. Kurz vor Ende der Frist habe sie fast täglich zum Arbeitgeber gehen müssen, um zu erfragen, ob der Vertrag verlängert wird. Inzwischen ist er entfristet, das Problem im Betrieb bleibt. Die junge Brauerin, die inzwischen im Betriebsrat sitzt, berichtet, dass sie trotz allen Engagements auch von Azubi-Gruppen beim Unternehmen »auf taube Ohren stoßen«, was die Übernahmepolitik angeht.
Doch neben der schlechten Übernahmechancen (nur 36 Prozent der 2100 Befragten gaben an, dass sie wahrscheinlich übernommen werden) sieht der DGB das Thema Arbeitszeit mit Besorgnis. Es stellt dieses Jahr den Schwerpunkt des Ausbildungsreports dar. Ein Drittel der Auszubildenden muss regelmäßig Überstunden machen – sogar mehr als im Vorjahr. Mehr als 40 Arbeitsstunden pro Woche kommen besonders häufig in den Bereichen Gastronomie, Hotellerie und Sicherheitsdienst vor. Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, sich nach der Aus- bildung in der Freizeit nicht gut erholen zu können.
72 Prozent geben an, dass sie Minusstunden angesammelt haben. Dies komme oft durch Berufsschulzeiten zustande, die für die Azubis verpflichtend sind, in denen sie aber nicht im Betrieb arbeiten, erklärt DGB-Bezirksjugendsekretärin Christin Richter. Diese Zeit nacharbeiten zu lassen sei gesetzeswidrig. Zudem gab jede*r vierte Auszubildende an, außerhalb der Arbeitszeit immer und häufig mobil erreichbar sein zu müssen. »Das löst einen immensen Druck bei den Jugendlichen aus«, sagt Richter.
Für solche und andere Fälle fordert der DGB unabhängige Beschwerdestellen, an die sich die Jugendlichen bei Problemen in der Ausbildung wenden können. Eine Vereinbarung dazu steht bereits im rotrot-grünen Koalitionsvertrag. Diese Beratungsstellen wären ein »hilfreicher Meilenstein« auf dem Weg, seit Jahren bekannte Mängel in Ausbildungsbetrieben zu beheben, so Richter. Finanziert werden sollen diese Beschwerdestellen aus öffentlicher Hand. Jörg Nolte, Geschäftsführer für Wirtschaft und Politik der IHK Berlin hingegen sagt: »Die vom DGB geforderte Beschwerdestelle existiert de facto bereits.« Der IHK-Schlichtungsausschuss helfe Jugendlichen und Betrieben dabei, »bestehende Berufsausbildungsverhältnisse wieder in die richtigen Bahnen zu lenken«.
Immerwährendes Problem bleibt außerdem die Ausbildungslosigkeit bei Jugendlichen. In Berlin haben in diesem Jahr 3445 Jugendliche keinen Platz bekommen. »Die Ausbildungslosigkeit ist gesellschaftlicher Sprengstoff«, sagt der DGB-Vorsitzende Christian Hoßbach. »Die freien Plätze gibt es oft dort, wo Ausbildungsbedingungen und Vergütung schlecht sind«, so Hoßbach. Man brauche mehr Tarifbindung, günstige Azubi-Tickets für Bus und Bahn und nicht zuletzt eine Offensive für Azubi-Wohnheime.