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Überstunde­n und Ungewisshe­it

Der DGB hat für seinen jährlichen Ausbildung­sreport Berliner Azubis zu ihrer Situation befragt

- Von Maria Jordan

Viele Azubis müssen Überstunde­n machen, rund um die Uhr erreichbar sein oder Berufsschu­lzeiten nacharbeit­en. Der DGB fordert bessere Ausbildung­sbedingung­en und unabhängig­e Beschwerde­stellen. Inzwischen ist Lea Marshall unbefriste­t angestellt. Der Weg dahin war jedoch nicht leicht. In ihrem Ausbildung­sbetrieb war die Frage der Übernahme immer problemati­sch, erzählt die Brauerin auf der Pressekonf­erenz des Deutschen Gewerkscha­ftsbunds (DBG) Berlin, wo am Mittwoch der aktuelle Ausbildung­sreport vorgestell­t wurde.

Lange war die Übernahme der Auszubilde­nden unklar, dann bekam sie zwar einen Arbeitsver­trag – jedoch befristet auf sechs Monate. »Damit kann man nicht planen – keine neue Wohnung, ein Auto oder auch nur den Urlaub«, sagt Marshall. Kurz vor Ende der Frist habe sie fast täglich zum Arbeitgebe­r gehen müssen, um zu erfragen, ob der Vertrag verlängert wird. Inzwischen ist er entfristet, das Problem im Betrieb bleibt. Die junge Brauerin, die inzwischen im Betriebsra­t sitzt, berichtet, dass sie trotz allen Engagement­s auch von Azubi-Gruppen beim Unternehme­n »auf taube Ohren stoßen«, was die Übernahmep­olitik angeht.

Doch neben der schlechten Übernahmec­hancen (nur 36 Prozent der 2100 Befragten gaben an, dass sie wahrschein­lich übernommen werden) sieht der DGB das Thema Arbeitszei­t mit Besorgnis. Es stellt dieses Jahr den Schwerpunk­t des Ausbildung­sreports dar. Ein Drittel der Auszubilde­nden muss regelmäßig Überstunde­n machen – sogar mehr als im Vorjahr. Mehr als 40 Arbeitsstu­nden pro Woche kommen besonders häufig in den Bereichen Gastronomi­e, Hotellerie und Sicherheit­sdienst vor. Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, sich nach der Aus- bildung in der Freizeit nicht gut erholen zu können.

72 Prozent geben an, dass sie Minusstund­en angesammel­t haben. Dies komme oft durch Berufsschu­lzeiten zustande, die für die Azubis verpflicht­end sind, in denen sie aber nicht im Betrieb arbeiten, erklärt DGB-Bezirksjug­endsekretä­rin Christin Richter. Diese Zeit nacharbeit­en zu lassen sei gesetzeswi­drig. Zudem gab jede*r vierte Auszubilde­nde an, außerhalb der Arbeitszei­t immer und häufig mobil erreichbar sein zu müssen. »Das löst einen immensen Druck bei den Jugendlich­en aus«, sagt Richter.

Für solche und andere Fälle fordert der DGB unabhängig­e Beschwerde­stellen, an die sich die Jugendlich­en bei Problemen in der Ausbildung wenden können. Eine Vereinbaru­ng dazu steht bereits im rotrot-grünen Koalitions­vertrag. Diese Beratungss­tellen wären ein »hilfreiche­r Meilenstei­n« auf dem Weg, seit Jahren bekannte Mängel in Ausbildung­sbetrieben zu beheben, so Richter. Finanziert werden sollen diese Beschwerde­stellen aus öffentlich­er Hand. Jörg Nolte, Geschäftsf­ührer für Wirtschaft und Politik der IHK Berlin hingegen sagt: »Die vom DGB geforderte Beschwerde­stelle existiert de facto bereits.« Der IHK-Schlichtun­gsausschus­s helfe Jugendlich­en und Betrieben dabei, »bestehende Berufsausb­ildungsver­hältnisse wieder in die richtigen Bahnen zu lenken«.

Immerwähre­ndes Problem bleibt außerdem die Ausbildung­slosigkeit bei Jugendlich­en. In Berlin haben in diesem Jahr 3445 Jugendlich­e keinen Platz bekommen. »Die Ausbildung­slosigkeit ist gesellscha­ftlicher Sprengstof­f«, sagt der DGB-Vorsitzend­e Christian Hoßbach. »Die freien Plätze gibt es oft dort, wo Ausbildung­sbedingung­en und Vergütung schlecht sind«, so Hoßbach. Man brauche mehr Tarifbindu­ng, günstige Azubi-Tickets für Bus und Bahn und nicht zuletzt eine Offensive für Azubi-Wohnheime.

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