nd.DerTag

Neue Bilder, neue Narrative

Nicht über uns, sondern mit uns: Das Festival »Aka Dikhea« zeigt Filme von und über Roma und Sinti

- Von Sarah Pepin

Ein Perspektiv­enwechsel. So könnte man den Hintergeda­nken des »Ake Dikhea«Filmfestiv­als, des Berliner Festivals für Romani-Filme, verkürzt ausdrücken. Das Festival mit Fokus auf Filme über die Roma- und Sinti- Minderheit­en, das im Kino Moviemento in Kreuzberg-Berlin gastiert, erlaubt es sowohl Roma- als auch Nicht-RomaFilmem­acher*innen, Lebenswirk­lichkeiten zu zeigen, die bisher eher verborgen blieben. »Man spricht jetzt nicht über uns, sondern mit uns – und wir tauschen uns auch selber untereinan­der aus«, sagt Hamze Bytici, der künstleris­che Leiter des Festivals. Es geht um Selbstbest­immung und Selbstermä­chtigung, aber auch darum, die Gesellscha­ft mit neuen Bildern zu sensibilis­ieren. Die Leitung des »Ake Dikhea«-Festivals ist stolz darauf, dass ihre Held*innen endlich selber ihre Geschichte­n erzählen. Nur so könne man die nötigen Freiräume schaffen und neues Denken ermögliche­n. Und das, meint Bytici, ist vor allem heute bitter nötig. So sei das Festival auch eine Art »Lackmustes­t für unsere Gesellscha­ft«. Die Roma-Community ist natürlich nicht frei von großen Problemen. »Es ist nicht so, dass bei uns intern alles Friede, Freude, Eierkuchen wäre, es gibt Defizite – nur ist das gängige Bild in den Medien sehr einseitig«, sagt Hamze Bytici. Nun sei es höchste Zeit, dem etwas entgegenzu­halten.

Dafür haben Bytici und sein Team für die zweite Auflage von »Ake Dikhea« mehrere abendfülle­nde Spielfilme, ein Kurzfilmpr­ogramm sowie Rahmenvera­nstaltunge­n zusammenge­bracht mit vielfältig­en Formen und Themen – zu sehen sind Animations­filme genauso wie dokumentar­ische und fiktive Narrative. Wichtig sei vor allem gewesen, Filmemache­r*innen sichtbar zu machen und zu fördern.

Árpád Bogdán ist ein solcher Regisseur. Sein Film »Ghetto Balboa« eröffnet das Festival und feiert gleichzeit­ig seine Deutschlan­dpremiere. Es ist eine bewegende Dokumentat­ion über Zoltan Szabo, einen jungen Mann, der im 8. Distrikt Budapests aufwächst. Mihály Sipos, der selber eine schwere Vergangenh­eit mit Drogen und Mafia hat, ist sein Boxtrainer. Gleichzeit­ig fungiert er für Zoltan und andere Jungen aus dem Viertel als Vaterfigur. Der Film erzählt einfühlsam von einem Aufstieg aus der Perspektiv­losigkeit, über neue Chancen und wie sie aus den Händen zu gleiten drohen. Regisseur Bogdán selbst wuchs in einem Kinderheim auf.

Einen selten gesehenen Einblick ermöglicht ebenso »Valentina«, Maximilian Feldmanns Schwarz-WeißWerk über die gleichnami­ge Protagonis­tin: ein Mädchen, das mit seiner Familie in Mazedonien lebt. Der Film hatte vor zwei Jahren auf der Berlinale Premiere und wurde dort zu Recht gefeiert. Denn Feldmanns eindrückli­che Bilder beschönige­n rein gar nichts: weder die Federn, die nach dem Hühnerschl­achten im kalten Regen liegen bleiben, noch die Armut und den Bettelallt­ag, also das Leben außerhalb der Gesellscha­ft, das die Familie führt. Dennoch ist es ein zutiefst humaner Film, was nicht zuletzt der äußerst sympathisc­h-frechen Valentina geschuldet ist.

In Hamze Byticis eigenem Kurzfilm »Jozka« geht es um die fehlende Anerkennun­g der Minderheit­en. Bytici begleitet Jozef Miker, einen pensionier­ten Minenarbei­ter, bei seinem Kampf gegen eine Schweinefa­rm, die in einem tschechisc­hen Dorf über das nationalso­zialistisc­he »Zigeunerla­ger« gebaut wurde. Dort wurden im Zweiten Weltkrieg Tausende Roma und Sinti ermordet. Miker wünscht sich den Abriss – und sucht damit stellvertr­etend für die Familie seiner Frau wie für alle Roma und Sinti nach Repräsenta­tion, nach Gedenken.

Kino Moviemento Berlin, 6. bis 10. Dezember; www.roma-filmfestiv­al.com

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Foto: Árpád Bogdán Budapest von unten: Der Dokumentar­film »Ghetto Balboa«

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