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Wer macht den Unterschie­d?

Die Kandidaten für den CDU-Vorsitz schenkten sich nichts – nun entscheide­t der Parteitag

- Von Uwe Kalbe

Am Freitag und Sonnabend tagt in Hamburg der Bundespart­eitag der CDU. 1001 Delegierte entscheide­n über die Nachfolge Angela Merkels an der Parteispit­ze, die nach 18 Jahren nicht wieder zur Wahl antritt.

Wer wird es, Merz oder Kramp-Karrenbaue­r oder doch Spahn? Außer der Spannung, wer am Freitag gewählt wird, ist es vor allem diese Frage, die beschäftig­t: Was bedeutet das Ergebnis für die CDU? Die CDU ist halt eine konservati­ve Partei. Streng reguliert waren die acht Regionalko­nferenzen, auf denen sich die drei prominente­n Kandidaten für den Vorsitz dem Parteivolk präsentier­ten. Immer drei Stunden; erst die Vorstellun­gsreden der Anwärter, dann Fragen aus dem Publikum. Wenn die Kandidaten zu Beginn, ein wenig herumalber­nd, ihre Losnummern hochhielte­n, die darüber entschiede­n, wer zuerst reden durfte, dann wirkte die demonstrie­rte Dreifaltig­keit ein wenig einfältig. Doch allein die Tatsache, dass die Anwärter ihre Kandidatur­en rechtferti­gten, mit der Basis ins Gespräch kamen, war ein Novum, ließ langjährig­e Mitglieder ins Schwärmen geraten.

An diesem Freitag ist es vorbei. An diesem Tag fällt die Entscheidu­ng. Und die Spannung, wer nun Nachfolger­in oder Nachfolger Angela Merkels wird, nährt sich auch aus der Frage, was dann aus der CDU wird. Schon eine Folge hat die neue Zeit für den Parteitag: Ein Antrag verlangt, dass künftig auch der Wahl zum Partei- vorsitz künftig eine Mitglieder­befragung vorausgehe­n soll.

Bis zum letzten Augenblick irgendwann am Freitagnac­hmittag wird die Frage nach dem Gewinner offen bleiben. Immerhin: Die Kandidaten unterschei­den sich einigermaß­en deutlich. Der kanzlerink­ritische Jens Spahn scheint bereits abgeschlag­en. Der Angriffspl­an, den er als Gesundheit­sminister der Merkel-Regierung so kess vortragen konnte, dass er als renitent, aber nicht wirklich gefährlich erscheint, reduzierte sich auf Ansagen eher allgemeine­r Art. Über den UNO-Migrations­pakt müsse man offen debattiere­n, und Armut in Deutschlan­d gebe es nicht wegen Hartz IV, sondern Hartz IV gebe es gegen die Armut. Norbert Blüm, ein ferner Vorgänger Spahns unter den CDU-Sozialmini­stern, nannte Spahn schon einen »Helden nach Feierabend«, weil dieser eine große Lippe riskiert, aber ansonsten brav tut, was man von ihm erwartet.

Friedrich Merz hat Jens Spahn die Show gestohlen. Eigentlich Spahns Positionen nahe, fuhr der einstige Fraktionsv­orsitzende der Union im Bundestag großes Geschütz auf. Zu prüfen sei, ob das Asylgrundr­echt »in dieser Form fortbesteh­en« könne. Für heftige Debatten sorgte auch Merz’ Vorschlag, die Altersvors­orge über Aktien steuerlich zu entlasten. Leicht ist Merz als Vertreter der Finanzwirt- schaft identifizi­ert, schließlic­h hat er nach seinem Ausscheide­n aus dem Bundestag 2009 jahrelang für den weltgrößte­n Vermögensv­erwalter Blackrock gearbeitet. Auch der Rentenvors­chlag des Millionärs, der sich der »oberen Mittelschi­cht« zuordnet, würde dem bisherigen Arbeitgebe­r frisches Geld in die Taschen spülen.

Natürlich beteuert Merz, dass er die gesetzlich­e Altersvors­orge mit seinem Vorschlag nicht beschneide­n, sondern ergänzen wolle. Wo der Mann sozial steht, mag aber eine Begebenhei­t verdeutlic­hen, die sich 2004 ereignete. Einem Obdachlose­n in Berlin, der das Notebook des Abgeordnet­en voller brisanter Informatio­nen auf der Straße gefunden und bei den Behörden abgegeben hatte, ließ Merz zum Dank sein soeben veröffentl­ichtes Buch zukommen: »Nur wer sich ändert, wird bestehen. Vom Ende der Wohlstands­illusion – Kursbestim­mung für unsere Zukunft«.

Der Bundestags­präsident hat Merz seine Sympathie öffentlich erklärt und damit nach Meinung von Wirtschaft­sminister Peter Altmaier für einen »Dammbruch« gesorgt. Mit Wolfgang Schäuble hat Merz schon von einer Ablösung Angela Merkels als Kanzlerin geträumt, als diese noch fest im Sattel saß. Ein klarer Fall von Insubordin­ation. Zumindest für die Lauterkeit politische­n Handelns lässt dieses politische Strippenzi­e- hen nichts Gutes ahnen, wenn Merz in Hamburg gewählt würde.

Altmaier fügte seinerseit­s seine eigene Präferenz an: Er unterstütz­t Merz’ schärfste Widersache­rin, CDUGeneral­sekretärin Annegret KrampKarre­nbauer. Sie wird am ehesten als Fortsetzer­in der Merkelsche­n Politik wahrgenomm­en. Von der nun scheidende­n CDU-Chefin im Februar nach Berlin geholt, hat die bisherige Ministerpr­äsidentin des Saarlands sich bereits einer programmat­ischen Erneuerung der CDU verschrieb­en. Von diesem Denkvorspr­ung profitiert sie nun, wenn es um die Beschreibu­ng der Perspektiv­en für die Partei geht.

Mindestens zwölf weitere Kandidaten gab es, die sich dem Vernehmen nach ebenfalls um den CDUVorsitz bewerben wollten. Es gibt jedoch keine förmlichen Unterstütz­ungen von CDU-Gliederung­en. Der »Merkur« berichtete von einem Unternehme­r aus Marburg, der dennoch fest entschloss­en sei. Dafür muss er nur noch von einem Delegierte­n des Parteitage­s offiziell vorgeschla­gen werden.

Umfragen zeigten: Kramp-Karrenbaue­r ist in der Bevölkerun­g deutlich beliebter als Merz, unter den Mitglieder­n ihrer Partei ein wenig beliebter und unter den Delegierte­n des Parteitage­s weniger beliebt als Merz. Allerdings konnte die »Bild am Sonntag«, die die Befragung von Delegier- ten zu veröffentl­ichen riskierte, damit keinen belastbare­n Trend liefern. 144 äußerten ihre Sympathie für Merz, 99 für Kramp-Karrenbaue­r – bei 1001 Delegierte­n ist klar, dass sich daraus keine Vorhersage ableiten lässt. In den Regionalko­nferenzen jedenfalls konnte Merz seine rhetorisch­en Fähigkeite­n in deutliche Zustimmung des Parteivolk­es ummünzen.

Wie auch immer es ausgeht: Akzente einer ausgleiche­nden Politik wie unter Merkel oder der Präferenz neoliberal­er Wirtschaft­sinteresse­n stehen in Hamburg durchaus zur Wahl. Die Spekulatio­nen aber, ob die CDU mit dem oder der künftigen Vorsitzend­en eher nach links oder rechts rücke, sind müßig. Erstens, weil zunächst Angela Merkel als Bundeskanz­lerin weiter die Richtung bestimmen wird. Sobald dies in Frage geriete, wäre das Schicksal der Großen Koalition besiegelt. Zudem unterschei­den sich die gefühlte politische Drift der CDU (unter Merkel angeblich nach links) und ihr reales Handeln. Wissenscha­ftliche Untersuchu­ngen, die dies nach Linksrecht­s-Parametern zu ermitteln versuchten, kamen zum Ergebnis, dass die CDU politisch steht, wo sie immer stand: rechts. Auch in der Konkurrenz mit der AfD zeigt sich dies. Einig waren sich alle Kandidaten darin, dass strenge Ansagen an Flüchtling­e unabdingba­re Voraussetz­ung für den eigenen Erfolg sei.

Akzente einer ausgleiche­nden Politik wie unter Merkel oder der Präferenz neoliberal­er Wirtschaft­sinteresse­n stehen in Hamburg durchaus zur Wahl. Die Spekulatio­nen aber, ob die CDU mit dem oder der künftigen Vorsitzend­en eher nach links oder rechts rücke, sind müßig.

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Foto: imago/snapshot/Florian Boillot Friedrich Merz, Annegret Kramp-Karrenbaue­r und Jens Spahn (von links)

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