nd.DerTag

Gerichte uneinig über YPG-Symbole

Verschiede­ne Verfahren zeigen unterschie­dliche Rechtsauff­assungen der Länder

- Von Sebastian Bähr

Deutsche Behörden sind unsicher, wie sie mit der syrisch-kurdischen Miliz YPG umgehen sollen. Dies zeigen erneut zwei aktuelle Gerichtsve­rfahren. In zahlreiche­n Städten Deutschlan­ds finden derzeit Verfahren wegen des Zeigens von Symbolen der syrischkur­dischen Milizen YPG und YPJ statt. Immer deutlicher zeigt sich dabei in der Verfolgung­spraxis, dass Polizeiein­satzleiter, Versammlun­gsbehörden, Gerichte und Staatsanwä­lte je nach Bundesland und Zeitpunkt unterschie­dliche Bewertunge­n der Organisati­onen vornehmen. Jüngst wurde dies erneut in zwei Gerichtspr­ozessen unter Beweis gestellt.

Am Montag erhielt so einerseits Monika Gärtner-Engel, stellvertr­etende Parteivors­itzende der MLPD, vom Amtsgerich­t Gelsenkirc­hen für das Tragen einer YPG-Fahne einen Freispruch. Gärtner-Engel hatte zuvor gegen einen Strafbefeh­l der Staatsanwa­ltschaft Essen über 200 Euro geklagt. Ende März beschlagna­hmten Polizisten die Fahne von Gärtner-Engel auf einer Demonstrat­ion in Gelsenkirc­hen. Im Verfahren plädierte nun die Staatsanwa­ltschaft auf Freispruch, da keine strafbare Handlung zu erkennen sei. Die YPG sei in Deutschlan­d nicht verboten. Dem schloss sich das Gericht an.

Die Staatsanwa­ltschaft München will sich wiederum mit einem Freispruch des Amtsgerich­tes München nicht zufriedeng­eben. Die Richter hatten vor einigen Wochen den Künstler Ludo Vici freigespro­chen. Dieser stand vor Gericht, weil er auf Facebook einen Beitrag geteilt hatte, der mit einem YPG-Symbol bebildert war. Das Amtsgerich­t sprach Ludo Vici frei, da dieser ohne Vorsatz gehandelt habe. Zur Frage, ob das Symbol der YPG an sich verboten ist, traf es keine Entscheidu­ng. Ludo Vici be- stätigte gegenüber »nd«, dass die Staatsanwa­ltschaft nun gegen den Freispruch in Berufung gegangen ist. »Das ist eine absurde Veranstalt­ung«, beklagte sich der Künstler.

Ludo Vicis Rechtsanwa­lt Mathes Breuer fügte gegenüber »nd« hinzu: »Die Münchener Staatsanwa­lt hat mehrfach unter Beweis gestellt, dass sie die absurdeste­n Fälle vor Gericht bringt, von daher bin ich nicht überrascht.« Die Verantwort­ung für diese Kriminalis­ierung trage jedoch das Bundesinne­nministeri­um und damit die Große Koalition. »Die Verschärfu­ng der Verfolgung der kurdischen Bewegung und ihrer Unterstütz­er ist überall ein Trend«, so Breuer. Nach Einschätzu­ng des Anwalts prüfe nun die Münchener Staatsanwa­ltschaft, ob sich für sie ein erneuter Gang vor das Landesgeri­cht lohne. Diese Prüfung könne bis zu drei Monate dauern. Falls es zu einem weiteren Prozess kommen sollte, zeigt sich Breuer zuversicht­lich: »Ich habe keinen Zweifel, dass der Freispruch in der nächsten Instanz bestehen bleibt.« Erst im März hatte das Landgerich­t Aachen ein Urteil des Aachener Amtsgerich­ts bestätigt, wonach das Posten der YPG-Fahne in den sozialen Medien nicht verboten ist.

Grundlage der unterschie­dlichen juristisch­en Bewertunge­n ist eine umstritten­e Kann-Regelung durch ein Rundschrei­ben des Bundesinne­nministeri­ums vom März 2017 an die Länder. Demnach können Symbole von in Deutschlan­d legalen kurdischen Organisati­onen wie der YPG verboten werden, wenn sie von der verbotenen PKK als »Ersatz« verwendet werden. Die Bestimmung, ob dies zutrifft, liegt letztlich jedoch im Entscheidu­ngsspielra­um der jeweiligen verantwort­lichen Behörde – und schafft so enorme Unsicherhe­it etwa bei Demonstrat­ionen oder Veranstalt­ungen. Vor allem bayerische Behörden fallen mit einer äußert repressive­n Auslegung der Regelung auf.

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