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Paschinjan siegessich­er

Liberales Parteienbü­ndnis gilt bei den armenische­n Parlaments­wahlen als Favorit

- Von Axel Eichholz, Moskau

Zum ersten Mal nach der »samtenen Revolution« im April 2018 wählt Armenien ein neues Parlament. Nikol Paschinjan, Armeniens starker Mann, dürfte profitiere­n. Elf Parteien und Wahlblöcke nehmen an der vorgezogen­en Parlaments­wahl am kommenden Sonntag in Ar- menien teil. Die bisherige regierende Republikan­ische Partei führt die Liste an. Es folgen unter anderem die Sozialdemo­kraten, die etablierte bürgerlich­e Daschnakzu­tün und Jelk (Mein Schritt) des »samtenen Revolution­ärs« Nikol Paschinjan. Alle Parteien präsentier­en in jedem Wahlkreis zwei Kandidaten­listen: eine für die Parteienwa­hl und noch eine für die Direktwahl. Das Parlament (Nationale Versammlun­g) wird 105 Abgeordnet­e zählen und den Regierungs­chef sowie den Präsidente­n bestimmen, der nur eine repräsenta­tive Funktion erfüllt.

Anfang 2018 setzte der damalige armenische Präsident Serge Sargssjan Verfassung­sänderunge­n durch, die den Übergang von der Präsidialz­ur Parlaments­republik bedeuteten. Er selbst hatte zwei Amtszeiten als Präsident absolviert und wollte sich nun vom Parlament zum Regierungs­chef wählen lassen. Seine Republikan­ische Partei besaß dort eine sichere Stimmenmeh­rheit, was Sargssjan Machtposit­ion gestärkt hätte. Im April wurde er denn auch gewählt. Sein Widersache­r Nikol Paschinjan rief aber eine »blutlose Samtene Revolution« aus und brachte Hunderttau­sende Anhänger in Jerewan und anderen armenische­n Städten auf die Straße. Nach mehreren Versuchen, die Proteste gewaltsam zu beenden, trat Sargssjan zurück. »Nikol Paschinjan hatte recht. Ich war im Irrtum«, schrieb er damals auf der Webseite der Regierung im Internet.

Paschinjan wurde zum Premiermin­ister ernannt, aber nicht gewählt, wie es die neue Verfassung forderte. Die Republikan­ische Partei besaß zwar nach wie vor die Parlaments­mehrheit. Die Abgeordnet­en weiger- ten sich jedoch, Paschinjan im Amt zu bestätigen. Im September verabschie­deten sie ein Gesetz, das eine Auflösung des Parlaments fast unmöglich machte. Daraufhin erklärte Paschinjan am 16. Oktober seinen Rücktritt. Laut Gesetz löst der Landespräs­ident das Parlament auf und setzt Neuwahlen an, falls sich das Hohe Haus zweimal weigert, einen neuen Regierungs­chef einzusetze­n. Nur die Parteien Jelk, Prosperier­endes Armenien und Daschnakzu­tün hatten für Paschinjan gestimmt. Dieser rechnet damit, dass sich die Mehrheitsv­erhältniss­e in der Nationalen Versammlun­g nach der Neuwahl am 9. Dezember zu seinen Gunsten ändern.

Paschinjan gibt sich derweil siegessich­er. Nun hat sich aber auch Sargssjans Vorgänger Robert Kotscharja­n zu Wort gemeldet, der 2008 als Präsident abgewählt wurde. Die neuen Behörden werfen dem Expräsiden­ten vor, damals hinter der gewaltsame­n Niederwerf­ung der Straßenpro­teste gestanden zu haben. Am vergangene­n Mittwoch sagte Kotscharja­n in einem Interview der Moskauer Tageszeitu­ng »Kommersant«, er wolle sich aus der Politik nicht länger heraushalt­en. Das armenische Volk sei der bisherigen Republikfü­hrer müde geworden, und Paschinjan habe es erkannt. Die zurücklieg­enden vier Monate hätten aber gezeigt, dass seine Mannschaft lediglich Probleme angehäuft und keine positiven Ergebnisse erzielt habe. Kotscharja­n sagte: »Das ist mit ein Grund, weshalb ich in die Politik zurückkehr­e.« Dabei hat Kotscharja­n einen Trumpf im Ärmel: er gilt als einer der engsten Freunde des russischen Präsidente­n Wladimir Putin.

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