Gesundheitsschutz ist gefährdet
Berliner Ämtern fehlt es – trotz aller Verbesserungen – weiterhin an Amtsärzten
Der Personalmangel bei den Amtsärzt*innen in Berlin bleibt ein Problem. Die Ärzt*innen-Gewerkschaft Marburger Bund sieht den Gesundheitsdienst existenziell bedroht. Für Janosch Dahmen ist sein Beruf auch Berufung. Der gebürtige Berliner hat sich nach 15 Jahren entschieden, zurück in die Hauptstadt zu ziehen. »Ich bin aus echtem Patriotismus zurück in die Heimat gekommen, weil es mein absoluter Kindheitstraum war, hier für die Berliner Feuerwehr zu arbeiten«, sagt Dahmen. Zuvor hatte er Medizin studiert und eine Facharztausbildung absolviert. Zuletzt arbeitete er als Leiter eines Luftrettungszentrums im Ruhrgebiet. Jetzt also Oberarzt bei der Feuerwehr. So weit so gut – wenn sich sein Gehalt dadurch nicht so verschlechtert hätte. »Die Gehaltsunterschiede sind gravierend«, sagt Dahmen. Bei seiner neuen Tätigkeit bekommt er nur die Hälfte seines alten Gehalts.
Dabei haben Ärzt*innen wie Dahmen im sogenannten Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) wichtige und hoheitliche Aufgaben, die ihnen per Gesetz zugeschrieben sind. Clau- dia Kaufhold, Vorstandsmitglied im Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des öffentliches Gesundheitsdienstes, erklärt einige der Aufgaben: Zum Beispiel seien Amtsärzt*innen per Gesetz dafür zuständig, auf gefährliche Infektionskrankheiten zum Schutz der Bürger*innen zu reagieren. »Bei einer MeningokokkenHirnhautentzündung muss zum Beispiel ganz schnell ermittelt werden, und der Arzt muss entscheiden, was mit den Kontaktpersonen passiert«, sagt Kaufhold. Zum Beispiel kann es notwendig sein, Quarantäne oder andere Maßnahmen auszusprechen. »Das kann nach dem Infektionsschutzgesetz nur ein Arzt des Gesundheitsdienstes machen«, betont Kaufhold.
Der Schutz und die Prävention vor Erkrankungen der Bevölkerung gehöre auch zum Aufgabengebiet der Amtsärzt*innen, hinzu kommen die Hygieneüberwachung und die Überwachung des Trinkwassers. »Wir haben auch den Kinder- und Jugendgesundheitsschutz«, sagt Kaufhold. »Da werden nicht nur die Einschulungsuntersuchungen durchgeführt, sondern es werden auch Kinder und Jugendliche in Problemfamilien betreut.«
Seit Jahren wird in Berlin und auch bundesweit darüber diskutiert, wie die Bezahlung von Ärzt*innen im ÖGD verbessert werden kann. Schließlich haben die Gesundheitsämter und andere Behörden enorme Schwierigkeiten, die Stellen zu besetzen.
Peter Bobbert, Vorsitzender des Landesverbandes Berlin-Brandenburg des Marburger Bundes, nennt Zahlen für Berlin: »Für das Jahr 2017 gibt es 466 Stellen im ärztlichen Bereich im ÖGD, davon sind gerade mal 381 besetzt, 84 Stellen sind unbesetzt.« Bobbert liefert auch gleich eine Erklärung: »Ein Kollege im Öffentlichen Gesundheitsdienst muss nur 100 Meter weiter ins kommunale Krankenhaus gehen und verdient dort über 1000 Euro mehr im Monat.« Grund für diese Lohndifferenz sind verschiedenen Tarifverträge. Es gibt einen Tarifvertrag für Ärzt*innen in kommunalen Kliniken und in Univeritätskliniken, dieser schließt aber die Ärzt*innen des öffentlichen Gesundheitsdienstes nicht ein. Diese werden stattdessen in Berlin nach dem Tarifvertrag der Länder (TV-L) bezahlt. Dadurch liegt das maximale Gehalt von Ärzt*innen im ÖGD ohne Zulagen nur knapp über dem Einstiegsgehalt in den Kliniken.
Ärztevertreter Bobbert sieht deshalb den Senat in der Verantwortung, Änderungen herbeizuführen. »Wenn der Senat wirklich was für den ÖGD machen will, dann kann er das auch mit unterschiedlichen Möglichkeiten«, so Bobbert. Der Senat habe sich auch bemüht. Aber: Um einen arztspezifischen Tarif einzuführen, der die Amtsärzt*innen mit einschließt, müssten alle Bundesländer zustimmen. Das hat der Senat auch über eine Bundesratsinitiative versucht, aber er scheiterte damit. Die daraufhin in Angriff genommenen Lösungen zur Gehaltaufbesserung durch Zulagen überzeugten nicht. Die Zulagen seien nur für einen kleinen Kreis an Menschen erreichbar und sehr aufwendig zu erlangen, lautet die Kritik.
Theoretisch gebe es jedoch auch andere Lösungsmöglichkeiten als die Schaffung von Zulagen. Das zeigt Claudia Kaufhold an den Beispielen Hamburg und Bremen auf – beide Bundesländer schreiben die Stellen für Amtsärzt*innen inzwischen analog zum Tarifvertrag für Ärzt*innen aus. »Bei uns in Berlin heißt es immer: Wir können nicht aus dem Tarif ausscheren«, sagt Kaufhold. »Man sieht aber, es gibt Möglichkeiten.«
Um gegen die aktuellen schlechten Bedingungen zu protestieren, findet am kommenden Montag eine Kundgebung vor dem Roten Rathaus statt.