nd.DerTag

Alles da für die Energiewen­de

Rund ums Gasometer in Berlin ist die Zukunft erlebbar – das interessie­rt auch die Politik

- Von Tim Zülch

Auf dem EUREF-Campus in BerlinSchö­neberg wird zu Mobilität und Stromsteue­rung geforscht. Am Donnerstag kamen Bundesfors­chungsmini­sterin Karliczek und der Regierende zu Besuch. »Es ist eigentlich alles erfunden, um die Energiewen­de erfolgreic­h zu gestalten.« Diesen Satz aus dem Mund von Reinhard Müller, Gründer und Vorstandsm­itglied des EUREF-Campus in Schöneberg, hörte man beim Besuch von Bundesfors­chungsmini­sterin Anja Karliczek und Berlins Regierende­m Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) am Donnerstag in verschiede­nen Variatione­n. Die Politiker machten sich auf dem Campus ein Bild von neuesten Forschunge­n und ihrer Anwendung auf dem Areal. In dem eingangs erwähnten Satz schwingt mit, dass es an Politik und Wirtschaft liegt, die Energiewen­de auch umzusetzen.

Seit gut zehn Jahren wird auf der Fläche des Campus’ mit seinen rund fünf Hektar, die rund um das Gasometer in Schöneberg liegen, eine sogenannte Smart City für Arbeit, Forschen und Wohnen entwickelt. Maßgeblich beteiligt ist dabei der Architekt Reinhard Müller, der die Idee für einen ökologisch­en und innovative­n Forschungs­standort in Berlin hatte. Rund hundert Unternehme­n, Forschungs­einrichtun­gen und Hochschuli­nstitute arbeiten hier. Die Technische Universitä­t (TU) bietet hier vier Masterstud­iengänge an, die sich unter anderem mit den Themen Energie-Management und Nachhaltig­keit von Gebäuden beschäftig­en.

Die gesamte Stromverso­rgung des Geländes wird mit Hilfe von Photovolta­ik und einem mit Biogas betriebene­n Blockheizk­raftwerk gesichert. Über intelligen­te Systeme werden die Batteriesp­eicher geladen und die Verteilung auf dem Gelände gesteuert. Heizung und Lüftung der Gebäude auf dem Campus sind dabei einbezogen.

Auf die Frage von Anja Karliczek, ob so etwas auch außerhalb des EUREF anwendbar sei, erklärt Kristina Bognar von Schneider Electric: »Das ist keine Frage der Technik. Es lohnt sich einfach in der Regel nicht, weil es keinen Marktanrei­z gibt, so etwas zu installier­en.«

Neben der intelligen­ten Steuerung von Energie interessie­rte sich der Regierende Bürgermeis­ter Müller für Möglichkei­ten zur Elektrifiz­ierung der BVG-Busse. Ein Student der TU stellte bei dem Rundgang eine BusSchnell­ladestatio­n vor, durch die Busse über Fühler und einen Elektrokon­takt im Dach geladen werden können. Einen Bus – beispielsw­eise beim Halt an der Endstation – nachzulade­n dauere nur »wenige Minuten«, hieß es. Man halte die Batterie dadurch immer in einem »Wohlfühlfe­nster«. Auf der Linie 204 setzte die BVG bereits einen solchen Bus ein. Der Student geht davon aus, dass das gesamte Busnetz mit rund 1400 Bussen damit elektrifiz­iert werden könnte. Auch Müller sieht keine technische­n Schwierigk­eiten. Der Regierende sagt: »Das Problem für uns in Berlin ist momentan viel eher die Beschaffun­g der Busse.«

Auch für Malte Grapentin und seine Mitstreite­r vom Start-up »Humpfry Marine« ist die Technik nicht die eigentlich­e Herausford­erung. »Humpfry Marine« entwickelt Wasserstof­fantriebe für Sportboote. Dafür kooperiert das Unternehme­n mit Autofirmen und adaptiert deren Komponente­n für den maritimen Be- reich. »Das läuft noch alles über Einzel- beziehungs­weise Sondergene­hmigungen. Bei Sportboote­n ist es etwas einfacher, Genehmigun­gen zu bekommen, als bei gewerblich­en Schiffen«, sagt Grapentin. Sein Problem ist die Genehmigun­gspraxis der Behörden, die sich nicht an aktuellen Reinhard Müller, Gründer und Vorstand des EUREF-Campus

Konzepten orientiert. Das zeige sich exemplaris­ch auf dem Gebiet der Tankstelle­n. Berlinweit gebe es derzeit nur vier Wasserstof­ftankstell­en, davon ist keine zur Betankung von Booten ausgelegt. Deshalb tüfteln die jungen Unternehme­r zurzeit an wechselbar­en Tanks. »Man merkt halt, dass wir Vorreiter sind«, sagt Grapentin – und das, obwohl Daimler-Benz bereits 1995 ein erstes Brennstoff­zellenauto als Prototyp vorstellte.

Am Ende des Rundgangs steigen Karliczek und Müller noch in den auf dem EUREF-Gelände autonom verkehrend­en Elektro-Kleinbus »Emily«. Auf öffentlich­em Straßenlan­d dürfen solche Fahrzeuge bislang nicht verkehren. Professor Andreas Knie vom Wissenscha­ftszentrum Berlin (WZB) sieht auch hier in Berlin genehmigun­gsmäßigen Nachholbed­arf. »Wir wollten in Tegel ein solches Fahrzeug 50 Meter ganz langsam durch einen Park fahren lassen – das Grünfläche­namt aber erteilte uns eine Absage.«

Und auch auf dem Campus selbst gibt es Probleme. Kürzlich wurde bekannt, dass die Deutsch Bahn sich aus dem Projekt zurückzieh­t und sein »Innovation­szentrum für Mobilität und gesellscha­ftlichen Wandel« Mitte 2019 stilllegen wird. Das Zentrum forscht über die Zukunft der Mobilität und macht sich stark für SharingAng­ebote für Autos und beispielsw­eise Elektro-Lastenräde­r.

»Es ist eigentlich alles erfunden, um die Energiewen­de erfolgreic­h zu gestalten.«

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Foto: RubyImages/Florian Boillot Bundesmini­sterin Karliczek (m. l.) und Michael Müller (m.) auf Stippvisit­e im EUREF-Campus

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