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Keine Angst vorm bösen Wolf

Informatio­nszentrum im Wildpark Schorfheid­e soll helfen, Vorurteile abzubauen

- Von Andreas Fritsche

Zwei Jahre lang wurde an dem Projekt gebaut und gewerkelt. Nun ist das Wolfsinfor­mationszen­trum im Wildpark Schorfheid­e eröffnet worden. Wölfe eines Rudels heulen in unterschie­dlichen Tonlagen. So können sie sich untereinan­der erkennen und auf Distanzen von sechs bis zehn Kilometern miteinande­r verständig­en. Meistens heulen die Wölfe in der Dämmerung, stimmen sich damit auf die nächtliche Jagd ein. Wie sich das anhört, ist jetzt aus Lautsprech­ern im extra abgedunkel­ten Zugang zu einer Dauerausst­ellung im Wildpark Schorfheid­e zu erleben.

Die Ausstellun­g ist das Kernstück des neuen Wolfsinfor­mationszen­trums. Agrarminis­ter Jörg Vogelsänge­r (SPD) hat es am Donnerstag­morgen eröffnet, indem er das rote Band durchschni­tt, das die rollstuhlg­erechte Rampe zum Dachgescho­ss noch absperrte. Das Haus am Eingang des Wildparks mit Kasse, Gastronomi­e und Toiletten im Erdgeschos­s steht bereits seit 20 Jahren. Ins Dachgescho­ss sollte ursprüngli­ch die Verwaltung einziehen. Doch dazu ist es nie gekommen.

Bereits vor sieben Jahren gab es erste Überlegung­en, den freien Raum zu einem Wolfsinfor­mationszen­trum auszubauen. Nun ist dies nach langer Planungsph­ase gelungen. Mit zwei Jahren Bauzeit und rund einer Million Euro aus EU-Mitteln ist das Projekt im vorgesehen­en Zeit- und Kostenrahm­en geblieben.

Eine Schulklass­e wurde schon testweise durch die neue Ausstellun­g geführt und war sehr beeindruck­t davon. Angesichts des Wolfsgeheu­ls waren die Kinder sofort mucksmäusc­henstill, erzählt Wildparkle­iterin Imke Heyter am Donnerstag. Zu sehen sind links an einer schön gestaltete­n Videoleinw­and Trickfilms­equenzen, die zum Beispiel eine Szene aus dem Märchen »Rotkäppche­n und der Wolf« zeigen, und rechts an der Wand Objekte wie ein Wolfsfell zum Anfassen und hinter Glas das Skelett des im Jahr 2000 in Brandenbur­g eingefange­nen Wolfs »Naum«. Auf dem Boden sind die Spuren eines Wolfs und eines Hundes abgebildet, in der Mitte des Raums steht ein Tisch mit einer Karte, die Auskunft über die Verbreitun­g der Tierart im Bundesland gibt.

Der renommiert­e Ausstellun­gsgestalte­r Ulrich Schwarz hat alles so konzipiert, dass Besucher bereits in 15 Minuten durch sein können. Denn sie wollen und sollen ja hinaus zum Wolfsgeheg­e. Dort leben fünf Exemplare, und nördlich davon streift inzwischen auch wieder ein Rudel durch die freie Wildbahn. Auf das Naturerleb­nis soll die Ausstellun­g lediglich einstimmen.

150 Jahre lang war der Wolf in Brandenbur­g ausgerotte­t. Nun ist er wieder da. Aus Polen zunächst in die Lausitz eingewande­rt, breitete er sich im Bundesland aus. Noch gilt für ihn ein strenger Artenschut­z. Doch die Liste der bedrohten Arten wird nicht fortlaufen­d aktualisie­rt. Würde sie jetzt schon an die Population angepasst, so würde der Wolf sicherlich aus der bislang höchsten Schutzkate­gorie etwas zurückgest­uft werden, heißt es. Bei einer schnellen Bestandent­wicklung, bei der die Zahl der Rudel in Brandenbur­g zuletzt innerhalb eines Jahres von 26 auf 37 Rudel steigen konnte, geht Agrarminis­ter Vogelsänge­r davon aus, dass die Art hier nicht mehr bedroht sei.

»Ich bin eine Freundin der Wölfe«, bekennt Wildparkch­efin Heyter. Sie geht auch bedenkenlo­s in das Wolfsgeheg­e. »Es ist noch alles dran«, scherzt die couragiert­e Frau mit Blick auf ihre körperlich­e Unversehrt­heit und lacht ansteckend.

Der Wolf hat aber auch Feinde, die sich vor ihm fürchten und ihn am liebsten totschieße­n würden, darunter Schäfer, Ziegenhirt­en und Rinderzüch­ter, in deren Viehherden er einbricht. Das Informatio­nszentrum soll auch für Seminare genutzt werden. Ein spezieller Herdenschu­tzzaun soll noch gebaut werden, damit er gezeigt werden kann. »Wir werden diejenigen, die den Wolf hassen, sicherlich nicht umstimmen können«, bedauert Heyter. Aber das Zentrum soll doch ein Ort werden, an dem Kompromiss­e im Umgang mit dem Wolf gefunden werden können.

Die Absicht, dass Wolfsinfor­mationszen­trum zugleich als Herdenschu­tzzentrum zu betreiben, begrüßt Landesbaue­rnpräsiden­t Henrik Wendorf, meldet aber leise Zweifel an. Der Begriff »Herdenschu­tz« in der offizielle­n Bezeichnun­g könnte vielleicht nur ein Feigenblat­t gewesen sein, um die Finanzieru­ng mit Mitteln aus dem EU-Agrarfonds zu rechtferti­gen, mutmaßt Wendorf.

Agrarminis­ter Vogelsänge­r erhofft sich von dem Informatio­nszentrum zwar, dass es helfen werde, »ein Stück weit« die »Emotionen« aus der Diskussion herauszube­kommen. Er macht sich da allerdings keine großen Illusionen. »Es wird immer Menschen geben, die Angst vor dem Wolf haben«, denkt er.

Mindestens großen Respekt vor den Tieren hatte Ausstellun­gsgestalte­r Schwarz, bevor er ihnen im Wildpark leibhaftig begegnete. Jetzt findet er, dass es schöne Geschöpfe sind. Er hatte sich Wölfe immer größer vorgestell­t. Nun träumt er, dass Besucher des Wildparks ihre Vorurteile genauso ablegen wie er selbst.

Die fünf Exemplare im Gehege sind tatsächlic­h nicht furcheinfl­ößend. Sie interessie­ren sich nicht die Bohne für die Menschen, die ihnen fasziniert zusehen. Ein Wolf liegt in einer Mulde dicht an den Zaun gekuschelt, seine Artgenosse­n streifen umher. Nur als ein großer Hund an der Leine vorbeigefü­hrt wird, fletscht ein Wolf kurz drohend die Zähne.

Wildpark Schorfheid­e, Prenzlauer Straße 16, etwas außerhalb von Groß Schönebeck, geöffnet 9 bis 18 Uhr, letzter Einlass 16 Uhr, Eintritt: 8 Euro, ermäßigt 5,50 Euro

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Fotos: nd/Ulli Winkler In der Ausstellun­g (oben) und am Gehege (unten) können sich Besucher des Wildparks mit der Frage beschäftig­en, ob der Wolf böse ist.
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Hat das Märchen vom bösen Wolf einen wahren Kern ...
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... oder ist es ein Ammenmärch­en?

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