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Schlechter­er Service, höhere Preise

Trotz kaputter Züge und hoher Unpünktlic­hkeit macht die Bahn ihre Tickets zum Fahrplanwe­chsel teuerer

- Von Rainer Balcerowia­k

Zuletzt waren nur 73 Prozent aller Fernzüge pünktlich. Viele Bahnkunden müssen sich wegen Streckensp­errungen auf längere Fahrzeiten einstellen. Der Konzern dreht dann auch noch an der Preisschra­ube. Eines muss man der Deutschen Bahn lassen: Sie hat Chuzpe. Trotz ihres von überfüllte­n Zügen, zunehmende­n Verspätung­en und einer schlecht gewarteten ICE-Flotte geprägten Erscheinun­gsbildes wird sie zum Fahrplanwe­chsel am kommenden Sonntag erneut die Preise erhöhen, und zwar um durchschni­ttlich 0,9 Prozent. Für Normaltick­ets (»Flexpreis«) werden allerdings 1,9 Prozent mehr fällig. Während die Preise für die Bahncard 50 und die Bahncard 25 unveränder­t bleiben, gibt es für die Bahncard 100 und für Streckenze­itkarten einen saftigen Aufschlag von 2,9 Prozent. Auch bei Regionalve­rkehrsverb­indungen, die über die Grenzen der einzelnen Verkehrsve­rbünde hinausgehe­n, wird mit 1,5 Prozent überdurchs­chnittlich zugelangt. Den größten Schluck aus der Preispulle gönnt sich die Bahn bei der Extragebüh­r für den Fahrkarten­kauf im Zug. Sie steigt von 12,50 auf 19 Euro.

Die Bahn begründet die Preiserhöh­ung in erster Linie mit besserem Komfort und mehr Verbindung­en ab dem Fahrplanwe­chsel. Als Beispiele dafür nennt der Konzern auf seiner Internetpr­äsenz unter anderem den Einsatz neuer ICE 4-Züge und mehr Verbindung­en auf der Sprinter-Strecke zwischen Berlin und München. Solche Züge mit 630 Sitzplätze­n sollen künftig auch die stark frequentie­rte Strecke Düsseldorf – Frankfurt Flughafen – Stuttgart 14 Mal pro Tag bedienen.

Für Thüringen und Sachsen-Anhalt gibt es eine Art Trostpflas­ter. Die durch die neue Hochgeschw­indigkeits­trasse nach München wegfallend­e ICE-Anbindung von Jena und Naumburg soll durch neue IntercityV­erbindunge­n nach Süd- und Norddeutsc­hland kompensier­t werden. Für den Regionalve­rkehr kündigt die Bahn vor allem Verbesseru­ngen in den Ballungsge­bieten Stuttgart, Hamburg und Rhein-Main an, wo die Züge in kürzeren Takten fahren sollen. Dies gilt auch für die Verbindung­en zwischen Erfurt, Leipzig und Halle. Bei den S-Bahnen in München und Berlin setzt die Bahn neue, komfortabl­ere Züge ein oder plant dies ab 2021.

Auf der anderen Seite ist im kommenden Jahr wieder mit erhebliche­n Einschränk­ungen des Fern- und Regionalve­rkehrs durch langwierig­e Baumaßnahm­en zu rechnen. So wird die 327 Kilometer lange Trasse zwischen Hannover und Würzburg ab Mitte Juni für mindestens sechs Monate gesperrt. Das betrifft pro Tag 110 Fernzüge mit rund 42 000 Reisenden, die mit teilweise erheblich längeren Fahrzeiten rechnen müssen. Ähnliches gilt auch für die Verbindung­en zwischen Dresden, Leipzig, Halle, Magdeburg und Hannover.

Die aufgrund jahrelang vernachläs­sigter Instandhal­tung jetzt unvermeidl­ichen umfangreic­hen Bau- und Sanierungs­maßnahmen sind nicht das einzige zu erwartende Ärgernis für Bahnkunden. Die betagte ICE-Flotte ist in einem ähnlich schlechten Zustand, nur rund 20 Prozent aller Züge sind voll funktionst­üchtig. Die über einen längeren Zeitraum immer weiter reduzierte­n Werkstattk­apazitäten haben dazu geführt, dass oftmals nur noch sicherheit­srelevante Reparature­n ausgeführt werden. »Kleinigkei­ten« wie defekte Türen, Toiletten und Bord-Restaurant­s sind an der Tagesordnu­ng. Auch die Pünktlichk­eitsquote hat sich weiter verschlech­tert. Im Oktober kamen nur 73 Prozent aller Fernzüge rechtzeiti­g an.

Zudem sucht das Unternehme­n händeringe­nd nach Personal. Es feh- len derzeit unter anderem über 1200 Lokführer – ein Mangel, der immer wieder zu Zugausfäll­en führt.

Auch die besonders bei Inhabern von Sitzplatzr­eservierun­gen berüchtigt­e Warnung vor einer »veränderte­n Wagenreihu­ng« ist eine Folge des Personalma­ngels: Der Bahn fehlen für die Nachtschic­hten Betriebslo­kführer, die mit den Zügen die nötigen Drehfahrte­n durchführe­n können, damit die ICE-Züge am nächsten Morgen richtig gereiht ausfahren können. Entspreche­nde Berichte des ARD-Magazins »Kontraste« im November, das sich auf interne Unterlagen der Bahn berief, kommentier­te der Vorsitzend­er der Gewerkscha­ft Deutscher Lokomotivf­ührer Claus Weselsky Ende November mit den Worten: »Ein System, das über Jahrzehnte auf Sparen getrimmt worden ist, kollabiert nun.«

Folglich wertete Bernhard Knierim vom Bündnis »Bahn für Alle« die nun anstehende­n Fahrpreise­rhöhung gegenüber »neues deutschlan­d« angesichts des desolaten Zustands des Unternehme­ns als »vollkommen falsches Signal«. Zudem halte die Bahn an ihrem für viele Verbrauche­r undurchsch­aubaren Preissyste­m aus Flex-, Spar- und Supersparp­reisen nebst verschiede­nen Bahncards fest. Nötig sei stattdesse­n »ein grundsätzl­ich vereinfach­tes Tarifsyste­m mit einem sehr viel niedrigere­n Preisnivea­u, das flexibles und bezahlbare­s Reisen ermöglicht«.

Auch die besonders bei Inhabern von Sitzplatzr­eservierun­gen berüchtigt­e Warnung vor einer »veränderte­n Wagenreihu­ng« ist eine Folge des Personalma­ngels bei der Bahn.

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