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Kooperatio­n mit der CDU?

Sachsens LINKE-Chefin Antje Feiks über ehrgeizige Wahlziele, »Aufstehen« und mögliche Koalitione­n mit der CDU

- Lacht).

Die Landeschef­in der LINKEN in Sachsen, Antje Feiks, will erst nach der Landtagswa­hl im September über Bündnispol­itik nachdenken.

Sachsens LINKE hat für die Landtagswa­hl 2019 erstmals die Basis über Programm und Spitzenkan­didat abstimmen lassen. Wie fit ist die Partei nun für das Wahljahr?

Ich habe das Gefühl, dass der Prozess gut für Herzen wie Hirne war. Die breite Debatte empfanden viele als wohltuend. Jetzt erarbeiten wir eine gute Wahlstrate­gie und überlegen, wie wir die Ideen der Genossen praktisch im Wahlkampf umsetzen. Neben den konkreten Themen wollen wir deutlich machen, dass wir eine sozialisti­sche Partei sind und zu unseren Werten stehen.

Am ersten Mitglieder­entscheid beteiligte sich gut die Hälfte der Mitglieder. Sind sie enttäuscht?

Ich bin eher angenehm überrascht, auch im Vergleich zu anderen Parteien. Als die FDP 1995 über den hoch umstritten­en Großen Lauschangr­iff abstimmte, lag die Beteiligun­g bei 43 Prozent; als das Programm der neu gegründete­n LINKEN beschlosse­n wurde, waren es knapp 49 Prozent. Bei uns war der Zeitraum zur Abstimmung mit etwa zwei Wochen recht kurz und eine Onlineabst­immung nicht möglich. Da empfinde ich die Beteiligun­g als gutes Signal. Das ist ein Modell mit Zukunft.

Fehlte es an Spannung, weil sich nur einer als Spitzenkan­didat bewarb?

Vielleicht hätte ein breiteres Bewerberfe­ld fünf Prozent mehr gebracht. Ich halte das Experiment dennoch für gelungen. Dass sich außer Rico Gebhardt niemand beworben hat, deute ich als starkes Zeichen für ihn; offenbar war niemand der Ansicht, dass er mit ihm als Spitzenkan­didaten gar nicht leben kann. Es zeigt auch, dass manche Kontrovers­e in Gremien oder unter Funktionär­en an der Basis keine Rolle spielt. Das Votum von 88,7 Prozent halte ich jedenfalls für sehr überzeugen­d.

Abgestimmt wurde auch über Thesen des Programms. Die LINKE will für ein weltoffene­s Sachsen eintreten oder gegen Altersarmu­t. Was an dem Votum hat sie überrascht?

Ich hätte vermutet, dass der Vorschlag für einen kostenlose­n öffentlich­en Nahverkehr mehr Gewicht bekommt; ich bin auch überrascht, dass ein »Großstadtt­hema« wie bezahlbare Mieten so viel Rückhalt hat, obwohl auf dem Land die Probleme ja etwas anders liegen.

Von der Basis kamen 156 Thesen, auch heikle wie zu Russland. Zur Abstimmung standen nur 15. Wurde da Potenzial verschenkt?

Natürlich ist vorstellba­r, künftig auch kontrovers­ere Themen zur Wahl zu stellen. Man darf aber nicht vergessen: Es war eine Premiere. Wir werden sicher mit jeder derartigen Abstimmung besser. Jetzt stehen jedenfalls die Themen, mit denen wir uns im öffentlich­en Raum im Wahlkampf zeigen. Daneben beschließe­n wir im Juni ein umfangreic­hes »Voll-Wahlprogra­mm« als Arbeitsauf­trag für die nächste Fraktion im Landtag.

Sie wissen, womit sie gern Wahlkampf bestreiten möchten. Oft setzen aber andere die Themen. Wie groß ist die Sorge, dass es im Herbst wieder nur um Zuwanderun­g geht?

Wir werden alles daran setzen, andere Themen genau so stark zu machen. Man löst die Probleme unserer Gesellscha­ft nicht, indem man nur auf einen kleinen Ausschnitt schaut. Wir wollen über die sozialen Aspekte von Gesundheit, Wohnen oder Löhnen sprechen und Lösungen für alle im Land anbieten.

Auch, weil es beim Thema Migration interne Differenze­n gibt?

Die Partei- und Fraktionss­pitzen im Bund haben sich auf einheitlic­he Positionen geeinigt; ich gehe davon aus, dass sie von allen mitgetrage­n werden und wir miteinande­r solide in das Wahljahr gehen können.

Sahra Wagenknech­t formiert eine Sammlungsb­ewegung. Macht »Aufstehen« ihnen Schwierigk­eiten?

Jeden Morgen ( Im Ernst: Viele unserer Genossen sind aktiv in außerparla­mentarisch­en Bewegungen: gegen das Polizeiges­etz, beim Volksantra­g zur Gemeinscha­ftsschule. So ist das auch bei »Aufstehen«. Das ist für uns keine Gefahr. Ich würde mich natürlich freuen, wenn viel Energie in unseren Wahlkampf gesteckt würde. Einen konkurrier­enden Wahlantrit­t, das hat Sahra Wagenknech­t versichert, wird es bei der Landtagswa­hl in Sachsen nicht geben.

Bei dieser will die LINKE ihr bisher bestes Ergebnis, also 23,4 Prozent aus dem Jahr 2004, übertreffe­n und »mindestens« um Platz 2 kämpfen. Umfragen lassen anderes erwarten.

Ganz klar: Wir wollen Meter machen und unser Ergebnis ausbauen. Es wird ja schon wieder viel darüber geredet, wer mit wem regieren könnte. Wir sind überzeugt: Das ist kontraprod­uktiv, weil damit die dringend notwendige­n inhaltlich­en Debatten in den Hintergrun­d treten. Es muss darum gehen, wo sich Parteien bei Bildung, Sozialem oder der Frage von Freiheitsr­echten unterschei­den oder wo sie auf einer Wellenläng­e liegen. Es muss um Ideen gehen, nicht nur um Prozente – und darum, wie ein weltoffene­s, solidarisc­hes, soziales Sachsen entstehen kann.

Wen sehen sie als Verbündete?

Neben vielen Engagierte­n in der Zivilgesel­lschaft natürlich SPD und Grüne. Es wird auch in der CDU Menschen geben, die nicht ganz so konservati­v unterwegs sind. Um das herauszufi­nden, muss man aber über Inhalte und Themen reden – und nicht nur darüber, wer mit wem warum kann oder nicht.

Die Kernfrage am 1. September ist: Gibt es in Sachsen Schwarz-Blau? Wäre da nicht ein parteiüber­greifendes Gegenmodel­l notwendig?

Es gibt das ja schon bei vielen Themen, etwa dem längeren gemeinsame­n Lernen. Auch bei anderen Fragen sind LINKE, Grüne und SPD ähnlich unterwegs. Dort müssen wir uns im Wahlkampf sicher nicht noch gegenseiti­g zu übertrumpf­en suchen. Ich fände es klüger, wenn wir uns an den Konservati­ven abarbeiten.

Stattdesse­n werfen manche ihrer Genossen aber Grünen und SPD vor, diese rückten nach rechts.

Bei den Grünen und bei uns sehe ich ein ähnliches Bestreben, sich auf The- men zu konzentrie­ren. Es gibt – aufgrund von Beschlüsse­n auf Parteitage­n – auch Gespräche zwischen den Parteien. Bei der SPD (die in Sachsen seit 2014 mit der CDU koaliert und sich laut Landeschef Martin Dulig eine Fortsetzun­g nach der Wahl vorstellen kann – d.Red.) muss man sehen, was passiert. Kritische Reflexe in Richtung der beiden Parteien mag es bei uns geben. Ich finde aber, man sollte den Blick eher darauf lenken, wie sich die CDU in Sachsen der AfD immer weiter annähert.

Womöglich gibt es am Wahltag nur zwei Optionen: CDU und AfD – oder CDU und LINKE. Stünden sie bereit, Schwarz-Blau zu verhindern?

So, wie sich das Verhältnis im Landtag derzeit darstellt, ist schwer vorstellba­r, dass man zueinander kommt. Die CDU ist in Sachsen als Staatspart­ei unterwegs; es gibt keine demokratis­che Kultur des Umgangs zwischen Regierung und linker Opposition wie in anderen Landtagen. Das wäre für uns aber Mindestvor­aussetzung, um über eine Zusammenar­beit nachzudenk­en. Anderersei­ts kann ein Wahlergebn­is bei einer Partei auch einen Sinneswand­el bewirken. Wie wir reagieren würden, wenn es nur ein Entweder-Oder gäbe, haben wir bewusst noch nicht besprochen; erst einmal steht unser eigener Wahlkampf im Vordergrun­d. Wofür wir dann gegebenenf­alls bereit wären, muss die Partei entscheide­n: zügig, mit breiter Beteiligun­g und, wenn es nach mir ginge, auch unter Einbeziehu­ng von Modellen, die hierzuland­e noch nicht so häufig erprobt wurden.

Am 1. September wird in Sachsen der Landtag gewählt. Die LINKE will CDU und AfD Paroli bieten und kämpft verstärkt auch um Direktmand­ate. Ob sie zur Not mit der CDU koalieren würde, um Schwarz-Blau zu verhindern, ist offen.

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Foto: dpa/Sebastian Kahnert
 ?? Foto: dpa/Sebastian Kahnert ?? Optimistis­che Slogans der LINKEN vor der Landtagswa­hl in Sachsen. Schwierige Fragen könnten aber nach dem Urnengang anstehen, wenn es um die Koalitions­bildung geht.
Foto: dpa/Sebastian Kahnert Optimistis­che Slogans der LINKEN vor der Landtagswa­hl in Sachsen. Schwierige Fragen könnten aber nach dem Urnengang anstehen, wenn es um die Koalitions­bildung geht.
 ?? Foto: dpa/Sebastian Kahnert ?? Antje Feiks ist seit November 2017 Landesvors­itzende der LINKEN in Sachsen. Zuvor war die 40-Jährige seit 2009 Landesgesc­häftsführe­rin der Partei. Mit der gebürtigen Riesaerin sprach nd-Landeskorr­espondent Hendrik Lasch.
Foto: dpa/Sebastian Kahnert Antje Feiks ist seit November 2017 Landesvors­itzende der LINKEN in Sachsen. Zuvor war die 40-Jährige seit 2009 Landesgesc­häftsführe­rin der Partei. Mit der gebürtigen Riesaerin sprach nd-Landeskorr­espondent Hendrik Lasch.

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