Aufatmen für Mieter der Karl-Marx-Allee
Berlin kann sich Sperrminorität in Deutsche-Wohnen-Häusern sichern
Berlin. Rot-Rot-Grün hat ein Etappenziel bei der Rekommunalisierung der vom Konzern Deutsche Wohnen gekauften Blöcke in der Karl-Marx-Allee in Berlin-Friedrichshain erreicht. In allen drei betroffenen Blöcken mit über 600 Wohnungen haben ausreichend Mieter ihre Unterstützung für den »gestreckten Erwerb« durch die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Gewobag erklärt.
Über 26 Prozent der Stimmrechte waren das ausgegebene und deutlich übertroffene Ziel, um zumindest eine Sperrminorität in der Wohnungseigentümerversammlung zu erreichen, die durch Aufteilung der Häuser in Eigentum entstanden war. »Nach den Beschlüssen von Senat und Aufsichtsrat der Gewobag konnte mit der breiten Beteiligung der Mieterinnen und Mieter eine weitere wichtige Hürde genommen werden«, erklärt der Berliner Wohn-Staatssekretär Sebastian Scheel (LINKE). Mit der Zustimmung der Mieter sei »ein großer Vertrauensvorschuss verbunden, welcher nicht enttäuscht werden darf«, so Scheel weiter.
Freude bei Senat, Bezirk und Mieterbeirat: Das Minimalziel zur Rekommunalisierung an der Karl-Marx-Allee wurde deutlich übertroffen, genug Mieter haben dafür unterschrieben.
Am Ende drückt eine Mieterin dem Vorsitzenden des Mieterbeirats der Karl-Marx-Allee, Norbert Bogedein, einen Blumenstrauß in die Hand. »Ich wollte mich bedanken für das ganze Engagement«, sagt sie am Donnerstag im Münzenbergsaal im Bürohaus Franz-Mehring-Platz 1 in Berlin-Friedrichshain. Anderthalb Tage hatten die Mieter der drei von der Deutsche Wohnen erworbenen Blöcke Zeit, mit ihrer Unterschrift die Ausübung ihres Vorkaufsrechts sowie den anschließenden Weiterverkauf an die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Gewobag auszulösen.
»Mit Ablauf der Frist, heute um 14 Uhr, haben sich nach aktuellem Kenntnisstand deutlich mehr als die notwendigen 26 Prozent der Mieterinnen und Mieter aller drei Wohnblöcke dazu bereiterklärt«, meldet die Stadtentwicklungsverwaltung. Damit wird auf jeden Fall eine Sperrminorität gesichert, mit der die Deutsche Wohnen daran gehindert werden kann, kostenträchtige Modernisierungen durchzuführen, die auf die Miete umgelegt werden können. Ob möglicherweise in einzelnen Blöcken sogar eine Mehrheit erreicht werden konnte, wird erst an diesem Freitag klar sein, wenn die genaue Auszählung vorliegen soll.
»Es war zeitlich ein Ritt auf der Rasierklinge«, sagt der Friedrichshain-Kreuzberger Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne), der am
»Es ist etwas Großartiges gelungen.« Carola Bluhm, Chefin der Linksfraktion
Donnerstag Mieterfragen beantwortet. »Letztlich ist das nur gelungen, weil genug Mieterinnen und Mieter der Politik vertraut haben«, so Schmidt weiter.
»Es ist etwas Großartiges gelungen«, sagt Carola Bluhm, Chefin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, die ebenfalls im Münzenbergsaal vorbeigekommen ist. »Ich bin froh, dass es in einem intensiven Prozess gelungen ist, einen kreativen, rechtlich sicheren Weg zu finden, auf dem es gelingen kann, diesen politischen Auftrag umzusetzen«, so Bluhm weiter. Hierfür gelte der Dank allen Beteiligten in den verschiedenen Senats- und Bezirksverwaltungen, bei der Gewobag und den Anwaltskanzleien, die auch über die Feiertage an einer Lösung gearbeitet haben.
Das ganze Verfahren habe zu einer stadtweiten »Sensibilisierung für Fragen des öffentlichen Eigentums« geführt, erklärt die Fraktionschefin. Dass es gelungen sei, das kreative Modell auch gegen interne Widerstände durchzusetzen, führt sie auch auf das große Engagement von Mietern und Mieterbeirat zurück: »Mieterbriefe haben in der politischen Meinungsbildung eine sehr große Rolle gespielt.« Und natürlich müsse es weitergehen mit der Rekommunalisierung von Wohnungen, um Mieter zu schützen. Mieterbeiratschef Bogedein geht die arbeit auch nicht aus. »Jetzt muss ich mich um den Block F-Nord kümmern«, erklärt er. Der wurde auch gerade von der Deutsche Wohnen gekauft.
Das Land Berlin zahlt teuer für die eigenen Fehler der Vergangenheit und die Untätigkeit der Bundesebene. Deutlich über 4000 Euro pro zurückgekauftem Quadratmeter der Wohnungen an der Karl-Marx-Allee in Friedrichshain wird die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Gewobag hinlegen müssen, um die Innenstadt vor weiterer Entmischung und die entsprechenden Mieter vor Verdrängung zu bewahren. Profitieren werden davon nicht nur die jetzigen Bewohner, sondern auch die künftigen. Mit der Deutsche Wohnen als Vermieter würden die gar nicht mal so sehr günstigen Bestandsmieten Geschichte sein. Über den Mietspiegel strahlt das auf die ganze Stadt aus.
Politisch ist das Geld jedenfalls gut angelegt. Auch wenn die in dieser Hinsicht geeinte Opposition aus CDU, AfD und FDP regelmäßig über den drohenden Sozialismus ätzt, kommt die Tatkraft bei der rot-rot-grünenWählerschaft gut an. Immerhin ist es ja bei LINKEN und Grünen auch der Versuch einer Wiedergutmachung der eigenen Taten in Bund und Land. Schließlich ist jede Wohnung, die der Spekulation des Marktes entzogen werden kann, ein Gewinn für jene, denen der Mietenwahnsinn existenzielle Ängste bereitet. Der Kreis der Betroffenen zieht sich schon weit in die Mittelschicht.