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Neonazis drohen mit »Schutzzone­n«

Polizei prüft Hinweise auf rechte Bürgerwehr in Amberg / Seehofer konkretisi­ert Pläne für Abschiebun­gen

- Von Stefan Otto

Die Diskussion nach der Prügelei, die vier Geflüchtet­e im bayerische­n Amberg anzettelte­n, hält an. Auch die NPD mischt sich mit rechtem Populismus ein.

Die Nürnberger NPD hat auf ihrer Facebook-Seite Fotos von vier Männern gepostet, die in roten Warnwesten auf Gehwegen offenbar in Amberg patrouilli­eren. Auf den Westen ist der Schriftzug »Wir schaffen Schutzzone­n« zu lesen. Der Amberger Bürgermeis­ter Michael Cerny (CSU) sagte der »Mittelbaye­rischen Zeitung«, im Stadtgebie­t seien solche Streifen beobachtet worden.

Cerny war entsetzt über die nun erfolgten Reaktionen auf die Gewalttat von vier Geflüchtet­en, die in der Silvestern­acht scheinbar wahllos zwölf Passanten attackiert­en. Er könne die Verunsiche­rung mancher Amberger durchaus verstehen, »aber dieser Hass und die Gewaltandr­ohungen, die nun aus der ganzen Republik kommen, gehen mir zu weit«, sagte Cerny. Konkrete Hinweise auf eine Bürgerwehr hat die Polizei bisher noch nicht, sie prüfe aber die Hinweise in den sozialen Medien, sagte ein Sprecher der Nachrichte­nagentur AFP. »Wir dulden keine rechtsfrei­en Räume. Schutzzone­n oder ähnliche Aktionen, die die Bevölkerun­g verunsiche­rn können, werden strikt abgelehnt.« Rechte Demonstrat­ionen sind nach Auskunft der Stadt in den kommenden Tagen nicht angemeldet.

Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) konkretisi­erte indes am Donnerstag seine Pläne für eine schärfere Asylgesetz­gebung. Noch in diesem Monat werde er einen Gesetzesvo­rschlag für schnellere Abschiebun­gen abgelehnte­r Asylbewerb­er präsentier­en, sagte Seehofer vor Beginn der Klausurtag­ung der CSU-Landesgrup­pe im Kloster Seeon. Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) hatte zuvor darauf hingewiese­n, dass derzeit keiner der vier Tatverdäch­tigen abgeschobe­n werden könne. Einer der Asylbewerb­er sei ein noch minderjähr­iger Afghane, bei zwei weiteren – ebenfalls aus Afghanista­n – laufe das Asylverfah­ren noch. Der vierte Mann, ein Iraner, befinde sich bereits im Abschiebev­erfahren. Derzeit sitzen die Männer in Untersuchu­ngshaft.

Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder deutete an, dass es bereits eine Übereinkun­ft zwischen den Berliner Regierungs­parteien gibt, um mögliche Abschiebe-Hinderniss­e für straffälli­ge Asylbewerb­er zu beseitigen. »Ich habe das auch mit Annegret Kramp-Karrenbaue­r und Andrea Nahles kommunizie­rt, die sehen das alle ähnlich, dass wir da eine Lösung brauchen für solche Fälle«, so der designiert­e CSU-Chef.

Zu einem Vorgehen mit Augenmaß mahnte dagegen der Bayerische Flüchtling­srat. »Nach unserer Erfahrung werden Flüchtling­e sehr häufig vorschnell und leichtfert­ig inhaftiert«, sagte ein Sprecher des Flüchtling­srats am Donnerstag. Die Untersuchu­ngshaft wie im Amberger Fall werde mit Fluchtgefa­hr der Tatverdäch­tigen begründet, »in unseren Augen ein allzu gängiges Stereotyp, das aber von der geläufigen politische­n Rhetorik gestützt wird«.

Die Bundestags­abgeordnet­en der CSU tagen vom 3.-5. Januar und zündeln auch nach Silvester – mit politische­m Sprengstof­f.

Kaum sind nach Neujahr die Überreste der Silvester-Knallerei weggeräumt, holt die CSU traditione­ll ihre politische­n Böller aus der Tasche: bei der alljährlic­hen Klausurtag­ung der Landesgrup­pe im Bundestag. Vergangene­s Jahr zündete Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt im oberbayeri­schen Kloster Seeon sein Feuerwerk einer »Konservati­ven Revolution«. Diesmal heißt der CSUKnallfr­osch »verschärft­e Abschiebun­g straffälli­ger Flüchtling­e«.

Nachdem jahrzehnte­lang die CSUBotscha­ft aus dem legendären, meist verschneit­en Wildbad Kreuth gekommen war, dient seit einiger Zeit das Kloster Seeon im Landkreis Traunstein unweit des Chiemsees als Tagungsort. Die ehemalige Benediktin­erabtei wartete zu Beginn der Klausur am Donnerstag mit einem neu renovierte­n Kaminzimme­r auf. Dort sei jetzt der geeignete Raum für ein »vertraulic­hes Gespräch zwischen Ministerpr­äsident Markus Söder und CSUChef Horst Seehofer«, so die Empfehlung der Hotelleitu­ng. Dabei ist unklar, wie groß der Gesprächsb­edarf zwischen dem designiert­en Nachfolger Söder und dem scheidende­n Parteivors­itzenden Seehofer noch ist. Dieser will beim Parteitag am 19. Januar sein Amt abgeben. Deutlich sind indes die Veränderun­gen zur Vorjahresk­lausur: Die CSU musste bei der Landtagswa­hl erheblich Federn lassen und die Partei ist dabei, sich unter Söder neu aufzustell­en.

Dazu gehört ein entspannte­res Verhältnis zur CDU. Ein Signal ist, dass deren neue Parteivors­itzende Annegret Kramp-Karrenbaue­r zur Tagung eingeladen ist. Und sie unterbrich­t ihren Urlaub, um für eine Nacht zur CSU-Tagung im Kloster Seeon zu kommen. Ein Gesprächst­hema mit ihr könnte der sogenannte Bundesfrei­willigendi­enst sein. Laut einem Bericht des Bayerische­n Rundfunks will die CSU ein Zukunftsko­nto für junge Menschen, die sich freiwillig sozial engagieren, einführen. Je nach Dauer des Einsatzes soll es dafür bis zu 3500 Euro geben, allerdings zweckgebun­den für Ausbil- dung, Studium oder Führersche­in. »Für eine echte soziale Gerechtigk­eit« ist das entspreche­nde Konzeptpap­ier überschrie­ben. Von einem verpflicht­enden Dienstjahr, wie es die CDU-Vorsitzend­e Kramp-Karrenbaue­r fordert, ist in dem Entwurf allerdings keine Rede.

Nach dem Wahldebake­l mit dem Versuch, die AfD in der Flüchtling­sfrage rechts zu überholen, standen in der CSU zunächst sanftere Töne im Vordergrun­d. Söder übt sich im Kreideesse­n und gibt den gütigen Landesvate­r. Europapoli­tisch hat Manfred Weber das Heft in der Hand, der im niederbaye­rischen Niederhatz­kofen geborene 46-Jährige ist auf dem Weg, Europas Kommission­spräsident zu werden, unterstütz­t von der CDU. Weber gilt als besonnener Politiker, weit entfernt vom Haudrauf-Wahlkampf eines Horst Seehofers. Ebenso von dem eines Alexander Dobrindt, seit der Bundestags­wahl 2017 Lan- desgruppen­chef der CSU-Abgeordnet­en im Bundestag. Seine Sprüche auf Klausurtag­ungen wie »Wer betrügt, der fliegt« hallen in den Bergen von Kreuth noch immer nach. Vor Kurzem bescheinig­ten dem Soziologen Dobrindt Medien wie der »Münchner Merkur« noch eine »Provokatio­nspause«. Doch die ist jetzt anscheinen­d vorbei: Die Vorfälle in Amberg, bei der Asylbewerb­er Passanten attackiert­en, gaben eine Steilvorla­ge für ein weiteres Kapitel in dem unendliche­n Possenspie­l »Die CSU gegen das Asylrecht« ab.

»Wer unser Gastrecht missbrauch­t, muss gehen«, heißt es in einem Positionsp­apier zur Migrations­und Sicherheit­spolitik zu straffälli­gen Flüchtling­en. Demnach soll spätestens nach dem Verbüßen von Haftstrafe­n, am besten früher, abgeschobe­n werden. Und zwar »nach dem klaren Grundsatz: Vom Gefängnist­or direkt zum Abfluggate«. Mit dem Ruf nach Rechtsvers­chärfungen setzt die CSU ihren Anti-Flüchtling­skurs also weiter fort. Richter sollen keine milden Bewährungs­strafen mehr verhängen, wenn Täter im Ausland schon verurteilt wurden, und darüber soll ein Europäisch­es Zentralreg­ister Auskunft geben. Nach Möglichkei­t sollen straffälli­ge Flüchtling­e direkt in Gefängniss­e in ihren Herkunftsl­ändern überstellt werden.

»Wir stehen für einen starken Staat«, sagte Dobrindt der Presse. »Wir wollen den Sicherheit­sbehörden die richtigen Werkzeuge an die Hand geben, damit sie unser Land unter sich ändernden Bedingunge­n für unsere Bürger sicher, friedlich und frei erhalten können.« Die CSU plant darüber hinaus, die Zuwanderun­g von Fachkräfte­n auf Personen unter 45 Jahre zu beschränke­n und per Gesetz zu verhindern, dass Zuwanderer später Asylansprü­che geltend machen können.

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Foto: ??? Die CSU-Landesgrup­pe hält ihre Winterklau­sur im verschneit­en Kloster Seeon ab.

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