Neonazis drohen mit »Schutzzonen«
Polizei prüft Hinweise auf rechte Bürgerwehr in Amberg / Seehofer konkretisiert Pläne für Abschiebungen
Die Diskussion nach der Prügelei, die vier Geflüchtete im bayerischen Amberg anzettelten, hält an. Auch die NPD mischt sich mit rechtem Populismus ein.
Die Nürnberger NPD hat auf ihrer Facebook-Seite Fotos von vier Männern gepostet, die in roten Warnwesten auf Gehwegen offenbar in Amberg patrouillieren. Auf den Westen ist der Schriftzug »Wir schaffen Schutzzonen« zu lesen. Der Amberger Bürgermeister Michael Cerny (CSU) sagte der »Mittelbayerischen Zeitung«, im Stadtgebiet seien solche Streifen beobachtet worden.
Cerny war entsetzt über die nun erfolgten Reaktionen auf die Gewalttat von vier Geflüchteten, die in der Silvesternacht scheinbar wahllos zwölf Passanten attackierten. Er könne die Verunsicherung mancher Amberger durchaus verstehen, »aber dieser Hass und die Gewaltandrohungen, die nun aus der ganzen Republik kommen, gehen mir zu weit«, sagte Cerny. Konkrete Hinweise auf eine Bürgerwehr hat die Polizei bisher noch nicht, sie prüfe aber die Hinweise in den sozialen Medien, sagte ein Sprecher der Nachrichtenagentur AFP. »Wir dulden keine rechtsfreien Räume. Schutzzonen oder ähnliche Aktionen, die die Bevölkerung verunsichern können, werden strikt abgelehnt.« Rechte Demonstrationen sind nach Auskunft der Stadt in den kommenden Tagen nicht angemeldet.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) konkretisierte indes am Donnerstag seine Pläne für eine schärfere Asylgesetzgebung. Noch in diesem Monat werde er einen Gesetzesvorschlag für schnellere Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber präsentieren, sagte Seehofer vor Beginn der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe im Kloster Seeon. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte zuvor darauf hingewiesen, dass derzeit keiner der vier Tatverdächtigen abgeschoben werden könne. Einer der Asylbewerber sei ein noch minderjähriger Afghane, bei zwei weiteren – ebenfalls aus Afghanistan – laufe das Asylverfahren noch. Der vierte Mann, ein Iraner, befinde sich bereits im Abschiebeverfahren. Derzeit sitzen die Männer in Untersuchungshaft.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder deutete an, dass es bereits eine Übereinkunft zwischen den Berliner Regierungsparteien gibt, um mögliche Abschiebe-Hindernisse für straffällige Asylbewerber zu beseitigen. »Ich habe das auch mit Annegret Kramp-Karrenbauer und Andrea Nahles kommuniziert, die sehen das alle ähnlich, dass wir da eine Lösung brauchen für solche Fälle«, so der designierte CSU-Chef.
Zu einem Vorgehen mit Augenmaß mahnte dagegen der Bayerische Flüchtlingsrat. »Nach unserer Erfahrung werden Flüchtlinge sehr häufig vorschnell und leichtfertig inhaftiert«, sagte ein Sprecher des Flüchtlingsrats am Donnerstag. Die Untersuchungshaft wie im Amberger Fall werde mit Fluchtgefahr der Tatverdächtigen begründet, »in unseren Augen ein allzu gängiges Stereotyp, das aber von der geläufigen politischen Rhetorik gestützt wird«.
Die Bundestagsabgeordneten der CSU tagen vom 3.-5. Januar und zündeln auch nach Silvester – mit politischem Sprengstoff.
Kaum sind nach Neujahr die Überreste der Silvester-Knallerei weggeräumt, holt die CSU traditionell ihre politischen Böller aus der Tasche: bei der alljährlichen Klausurtagung der Landesgruppe im Bundestag. Vergangenes Jahr zündete Landesgruppenchef Alexander Dobrindt im oberbayerischen Kloster Seeon sein Feuerwerk einer »Konservativen Revolution«. Diesmal heißt der CSUKnallfrosch »verschärfte Abschiebung straffälliger Flüchtlinge«.
Nachdem jahrzehntelang die CSUBotschaft aus dem legendären, meist verschneiten Wildbad Kreuth gekommen war, dient seit einiger Zeit das Kloster Seeon im Landkreis Traunstein unweit des Chiemsees als Tagungsort. Die ehemalige Benediktinerabtei wartete zu Beginn der Klausur am Donnerstag mit einem neu renovierten Kaminzimmer auf. Dort sei jetzt der geeignete Raum für ein »vertrauliches Gespräch zwischen Ministerpräsident Markus Söder und CSUChef Horst Seehofer«, so die Empfehlung der Hotelleitung. Dabei ist unklar, wie groß der Gesprächsbedarf zwischen dem designierten Nachfolger Söder und dem scheidenden Parteivorsitzenden Seehofer noch ist. Dieser will beim Parteitag am 19. Januar sein Amt abgeben. Deutlich sind indes die Veränderungen zur Vorjahresklausur: Die CSU musste bei der Landtagswahl erheblich Federn lassen und die Partei ist dabei, sich unter Söder neu aufzustellen.
Dazu gehört ein entspannteres Verhältnis zur CDU. Ein Signal ist, dass deren neue Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer zur Tagung eingeladen ist. Und sie unterbricht ihren Urlaub, um für eine Nacht zur CSU-Tagung im Kloster Seeon zu kommen. Ein Gesprächsthema mit ihr könnte der sogenannte Bundesfreiwilligendienst sein. Laut einem Bericht des Bayerischen Rundfunks will die CSU ein Zukunftskonto für junge Menschen, die sich freiwillig sozial engagieren, einführen. Je nach Dauer des Einsatzes soll es dafür bis zu 3500 Euro geben, allerdings zweckgebunden für Ausbil- dung, Studium oder Führerschein. »Für eine echte soziale Gerechtigkeit« ist das entsprechende Konzeptpapier überschrieben. Von einem verpflichtenden Dienstjahr, wie es die CDU-Vorsitzende Kramp-Karrenbauer fordert, ist in dem Entwurf allerdings keine Rede.
Nach dem Wahldebakel mit dem Versuch, die AfD in der Flüchtlingsfrage rechts zu überholen, standen in der CSU zunächst sanftere Töne im Vordergrund. Söder übt sich im Kreideessen und gibt den gütigen Landesvater. Europapolitisch hat Manfred Weber das Heft in der Hand, der im niederbayerischen Niederhatzkofen geborene 46-Jährige ist auf dem Weg, Europas Kommissionspräsident zu werden, unterstützt von der CDU. Weber gilt als besonnener Politiker, weit entfernt vom Haudrauf-Wahlkampf eines Horst Seehofers. Ebenso von dem eines Alexander Dobrindt, seit der Bundestagswahl 2017 Lan- desgruppenchef der CSU-Abgeordneten im Bundestag. Seine Sprüche auf Klausurtagungen wie »Wer betrügt, der fliegt« hallen in den Bergen von Kreuth noch immer nach. Vor Kurzem bescheinigten dem Soziologen Dobrindt Medien wie der »Münchner Merkur« noch eine »Provokationspause«. Doch die ist jetzt anscheinend vorbei: Die Vorfälle in Amberg, bei der Asylbewerber Passanten attackierten, gaben eine Steilvorlage für ein weiteres Kapitel in dem unendlichen Possenspiel »Die CSU gegen das Asylrecht« ab.
»Wer unser Gastrecht missbraucht, muss gehen«, heißt es in einem Positionspapier zur Migrationsund Sicherheitspolitik zu straffälligen Flüchtlingen. Demnach soll spätestens nach dem Verbüßen von Haftstrafen, am besten früher, abgeschoben werden. Und zwar »nach dem klaren Grundsatz: Vom Gefängnistor direkt zum Abfluggate«. Mit dem Ruf nach Rechtsverschärfungen setzt die CSU ihren Anti-Flüchtlingskurs also weiter fort. Richter sollen keine milden Bewährungsstrafen mehr verhängen, wenn Täter im Ausland schon verurteilt wurden, und darüber soll ein Europäisches Zentralregister Auskunft geben. Nach Möglichkeit sollen straffällige Flüchtlinge direkt in Gefängnisse in ihren Herkunftsländern überstellt werden.
»Wir stehen für einen starken Staat«, sagte Dobrindt der Presse. »Wir wollen den Sicherheitsbehörden die richtigen Werkzeuge an die Hand geben, damit sie unser Land unter sich ändernden Bedingungen für unsere Bürger sicher, friedlich und frei erhalten können.« Die CSU plant darüber hinaus, die Zuwanderung von Fachkräften auf Personen unter 45 Jahre zu beschränken und per Gesetz zu verhindern, dass Zuwanderer später Asylansprüche geltend machen können.