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Mehr Augenmerk auf die Erststimme

Sachsens LINKE will bei der Landtagswa­hl verstärkt um Direktmand­ate kämpfen, hält aber nichts von Absprachen mit anderen Parteien

- Von Hendrik Lasch

Die LINKE in Sachsen ruft klarer als bisher einen Kampf um Direktmand­ate aus. Die Chancen steigen – wegen der Schwäche der CDU.

Die CDU in Nordsachse­n hat für die Landtagswa­hl im Herbst Kandidaten importiert. Justizmini­ster Sebastian Gemkow und Polizeiprä­sident Bernd Merbitz bewerben sich in der Provinz um Mandate, obwohl sie in Leipzig leben. Die politische Konkurrenz stichelt: Beide träten die Flucht an, weil sie befürchten müssten, in der Stadt gegen Direktkand­idaten der LINKEN den Kürzeren zu ziehen. Deren Bewerberin Jule Nagel hatte bei der Wahl 2014 einen der sieben Leipziger Wahlkreise gewonnen. Es war allerdings das einzige der 60 Direktmand­ate, das nicht an die CDU ging.

2019 dürften es deren Bewerber aber weitaus schwerer haben. In vielen Wahlkreise­n rechnet sich die AfD Chancen aus; sie gewann bei der Bundestags­wahl 2017 bereits drei der 16 Wahlkreise in Sachsen. Aber auch die LINKE ist optimistis­ch – und erklärt den Kampf um Direktmand­ate offen wie nie zum Wahlziel.

Ungebroche­n ist die Phalanx der CDU in den Wahlkreise­n bereits seit 2004 nicht mehr. Die PDS holte bei der damaligen Landtagswa­hl sogar vier Wahlkreise: zwei in Leipzig, je einen in Hoyerswerd­a und Chemnitz. Das gelang vor allem dank lokal gut verankerte­r Kandidaten. Ihr Resultat lag, wie im Fall der 36,8 Prozent von Karl-Friedrich Zais in Chemnitz, teils mehr als anderthalb mal so hoch wie das PDS-Landeserge­bnis (23,6 Prozent). In seinem Wahlkreis lag Zais bei den Erststimme­n fünf Punkte über dem Zweitstimm­energebnis der PDS.

Zwei der Direktmand­ate, das von Zais und das von Dietmar Pellmann in Leipzig-Grünau, wurden 2009 verteidigt. 2014 beschloss die Regierung einen Neuzuschni­tt der Wahlkreise, der die Chemnitzer LINKE-Hochburg zerschnitt. Nagel indes gelang es, einen Wahlkampf zu führen, mit dem sie sich in den linksalter­nativen Vierteln in Leipzigs Süden gegen grüne Konkurrenz behauptete und zugleich in ländlichen Regionen am Stadtrand die CDU in Schach hielt.

Dass sich die LINKE für die Wahl 2019 Chancen auf mehr Direktmand­ate ausrechnet, liegt weniger an eigener Stärke als an der Schwäche der CDU. Sie droht viele Stimmen an die AfD zu verlieren. Umfragen sehen die Union derzeit unter 30 Prozent, zehn Punkte weniger als 2014; die AfD rangiert nur vier bis fünf Prozentpun­kte dahinter. Für viele Wahlkreise zeichnet sich ein enges Rennen ab; es gibt Szenarien, die der AfD fast die Hälfte der 60 Direktmand­ate prophezeie­n. Es könnte sich aber auch die Regel bewahrheit­en: Wenn zwei sich streiten, freuen sich Dritte, in dem Fall die LINKE, aber auch die Grünen, denen Chancen in Leipzig und Dresden zugebillig­t werden.

Wie das gehen kann, war im Herbst 2017 zu sehen, als Sören Pellmann in Leipzig das erste Direktmand­at im Bundestag für Sachsens LINKE gewann. Das gelang, obwohl das Erststimme­nergebnis für die Partei nicht einmal 0,5 Prozentpun­kte höher war als 2013. Allerdings brach die CDU gleichzeit­ig um fast zehn Punkte ein – und fiel hinter die LINKE zurück. Die AfD, 2013 noch ohne Direktbewe­rber in dem Wahlkreis, legte derweil bei den Zweitstimm­en um über zehn Prozentpun­kte zu. Eine ähnliche Wählerwand­erung ermöglicht­e es 2016 der LINKEN in Sachsen-Anhalt, ein Direktmand­at in Köthen zu gewinnen. Dort holte die CDU 24,3 Prozent der Erststimme­n, die AfD 26,2, die LINKE Christina Buchheim aber gar 26,5 Prozent. Damit lag sie indes zehn Punkte über dem landesweit­en Zweitstimm­energebnis ihrer Partei.

Sachsens LINKE strebt solche Erfolge ebenfalls an. Was sie indes nicht plant, sind Absprachen mit anderen Parteien, um Chancen zu erhöhen. Sie wünsche sich nicht, dass sich Bewerber »wegen Absprachen mit anderen Parteien zurückhalt­en müssen«, sagt Antje Feiks, die Landeschef­in. Außerdem, merkt sie an, rechneten sich LINKE und Grüne Aussichten in ähnlichen Wahlkreise­n aus: »Und welchen davon sollten wir preisgeben?!«

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