Mehr Augenmerk auf die Erststimme
Sachsens LINKE will bei der Landtagswahl verstärkt um Direktmandate kämpfen, hält aber nichts von Absprachen mit anderen Parteien
Die LINKE in Sachsen ruft klarer als bisher einen Kampf um Direktmandate aus. Die Chancen steigen – wegen der Schwäche der CDU.
Die CDU in Nordsachsen hat für die Landtagswahl im Herbst Kandidaten importiert. Justizminister Sebastian Gemkow und Polizeipräsident Bernd Merbitz bewerben sich in der Provinz um Mandate, obwohl sie in Leipzig leben. Die politische Konkurrenz stichelt: Beide träten die Flucht an, weil sie befürchten müssten, in der Stadt gegen Direktkandidaten der LINKEN den Kürzeren zu ziehen. Deren Bewerberin Jule Nagel hatte bei der Wahl 2014 einen der sieben Leipziger Wahlkreise gewonnen. Es war allerdings das einzige der 60 Direktmandate, das nicht an die CDU ging.
2019 dürften es deren Bewerber aber weitaus schwerer haben. In vielen Wahlkreisen rechnet sich die AfD Chancen aus; sie gewann bei der Bundestagswahl 2017 bereits drei der 16 Wahlkreise in Sachsen. Aber auch die LINKE ist optimistisch – und erklärt den Kampf um Direktmandate offen wie nie zum Wahlziel.
Ungebrochen ist die Phalanx der CDU in den Wahlkreisen bereits seit 2004 nicht mehr. Die PDS holte bei der damaligen Landtagswahl sogar vier Wahlkreise: zwei in Leipzig, je einen in Hoyerswerda und Chemnitz. Das gelang vor allem dank lokal gut verankerter Kandidaten. Ihr Resultat lag, wie im Fall der 36,8 Prozent von Karl-Friedrich Zais in Chemnitz, teils mehr als anderthalb mal so hoch wie das PDS-Landesergebnis (23,6 Prozent). In seinem Wahlkreis lag Zais bei den Erststimmen fünf Punkte über dem Zweitstimmenergebnis der PDS.
Zwei der Direktmandate, das von Zais und das von Dietmar Pellmann in Leipzig-Grünau, wurden 2009 verteidigt. 2014 beschloss die Regierung einen Neuzuschnitt der Wahlkreise, der die Chemnitzer LINKE-Hochburg zerschnitt. Nagel indes gelang es, einen Wahlkampf zu führen, mit dem sie sich in den linksalternativen Vierteln in Leipzigs Süden gegen grüne Konkurrenz behauptete und zugleich in ländlichen Regionen am Stadtrand die CDU in Schach hielt.
Dass sich die LINKE für die Wahl 2019 Chancen auf mehr Direktmandate ausrechnet, liegt weniger an eigener Stärke als an der Schwäche der CDU. Sie droht viele Stimmen an die AfD zu verlieren. Umfragen sehen die Union derzeit unter 30 Prozent, zehn Punkte weniger als 2014; die AfD rangiert nur vier bis fünf Prozentpunkte dahinter. Für viele Wahlkreise zeichnet sich ein enges Rennen ab; es gibt Szenarien, die der AfD fast die Hälfte der 60 Direktmandate prophezeien. Es könnte sich aber auch die Regel bewahrheiten: Wenn zwei sich streiten, freuen sich Dritte, in dem Fall die LINKE, aber auch die Grünen, denen Chancen in Leipzig und Dresden zugebilligt werden.
Wie das gehen kann, war im Herbst 2017 zu sehen, als Sören Pellmann in Leipzig das erste Direktmandat im Bundestag für Sachsens LINKE gewann. Das gelang, obwohl das Erststimmenergebnis für die Partei nicht einmal 0,5 Prozentpunkte höher war als 2013. Allerdings brach die CDU gleichzeitig um fast zehn Punkte ein – und fiel hinter die LINKE zurück. Die AfD, 2013 noch ohne Direktbewerber in dem Wahlkreis, legte derweil bei den Zweitstimmen um über zehn Prozentpunkte zu. Eine ähnliche Wählerwanderung ermöglichte es 2016 der LINKEN in Sachsen-Anhalt, ein Direktmandat in Köthen zu gewinnen. Dort holte die CDU 24,3 Prozent der Erststimmen, die AfD 26,2, die LINKE Christina Buchheim aber gar 26,5 Prozent. Damit lag sie indes zehn Punkte über dem landesweiten Zweitstimmenergebnis ihrer Partei.
Sachsens LINKE strebt solche Erfolge ebenfalls an. Was sie indes nicht plant, sind Absprachen mit anderen Parteien, um Chancen zu erhöhen. Sie wünsche sich nicht, dass sich Bewerber »wegen Absprachen mit anderen Parteien zurückhalten müssen«, sagt Antje Feiks, die Landeschefin. Außerdem, merkt sie an, rechneten sich LINKE und Grüne Aussichten in ähnlichen Wahlkreisen aus: »Und welchen davon sollten wir preisgeben?!«